Kapitel.9

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  Erzähler PoV.
Harry strich mit seiner Hand leicht über das alte Holz. Seinen Blick hatte er mittlerweile von dem Blonden genommen und aus dem Fenster gerichtet.
Seit 10 Minuten saßen sie nun da und redeten kein Wort miteinander.
Draco hatte sich ein Buch aus dem Regal gezogen und es einfach in der Mitte aufgeschlagen. Seine Augen schien daran zu kleben.
Der Schwarzhaarige hätte nie gedacht, dass er mal neben dem Slytherin sitzen würde, ohne, dass sie sich beleidigen oder ähnliches.
Die Stille zwischen den beiden war angenehm.
Leise hörte man aus den anderen Ecken der Bibliothek Getuschel, zwischendurch ein leises Gekicher und das Rascheln der Seiten, wenn Draco umblätterte.
"Was liest du?", fragte Harry irgendwann und unterbrach damit die Stille.
Draco schreckte leicht hoch, als hätte er kurz vergessen, dass Harry bei ihm war.
"Ein Buch über Zaubertränke die Krankheiten heilen".
"Möchtest du Heiler werden?"
"Ich weiß es nicht. Am Anfang des Jahres wurde ich in die Fächer gesteckt, in denen ich mindestens ein 'E' hatte und im Prinzip könnte ich, wenn ich die Examina bestehe, Heiler werden, aber ich weiß nicht. Wer würde sich schon von Draco Malfoy, einem ehemaligen Todesser, behandeln lassen?"
Kurz trat wieder stille ein. Harrys Blick lag auf dem Buch vor Draco.
"Ich würde", sagte Harry schließlich.
Draco lachte hohl.
"Da wärst du auch der einzige".
"Glaub ich nicht". Harry zog sich ebenfalls ein Buch aus dem Regal.
"Ist ja Traumhaft, wie optimistisch du bist, Potter".
"Ich denke, dass wenn die Menschen sterbenskrank sind, sie nicht wählerisch sind, wer sie behandelt". Harry schlug das Buch ebenfalls einfach in der Mitte auf.
"Wow, das macht natürlich alles besser. Außerdem, wenn er nicht die kranken Menschen selbst sind, dann sind es die Angehörigen. Stell dir mal vor, ich kann einen Patienten nicht retten. Man würde mir sofort irgendetwas anhängen".
Der Blonde konzentrierte sich wieder auf sein Buch. Für Harry war das ein Zeichen, dass er nicht wirklich über seine Zukunft reden wollte.
"Du sagtest, dass du dich bei den Leuten entschuldigen möchtest..", ergriff Harry vorsichtig das Wort.
Er hatte Probleme damit Dracos Reaktion einzuschätzen, aber der Blonde nickte nur kurz.
"Bei wem möchtest du anfangen?"
"Ich weiß nicht. Hagrid?"
Harry nickte. "Klingt gut".
Der Schwarzhaarige sprang vom Tisch runter, ging an seine Tasche und zog ein Blatt Pergament und seine Feder heraus. Beides legte der den Blonden vor die Nase.
Kurz schaute der Slytherin ihn verwirrt an. "Was soll ich damit?"
"Schreib auf, wofür du dich bei Hagrid entschuldigen möchtest".
"Wozu?"
"Es ist einfacher sich zu Entschuldigen, wenn man sich genau im Klaren ist was man falsch gemacht hat".
Draco setzte die Feder an. Es dauerte einen Moment, ehe die Feder auch anfing, über das Pergament zu kratzen, aber nach wenigen Minuten stand der erste Punkt fest.
In ordentlicher Schrift hatte der Blonde 'Seidenschnabel' aufgeschrieben.
Draco sah kurz zu dem Schwarzhaarigen, der sich mittlerweile wieder auf den Tisch gesetzt hatte.
Der Gryffindor lächelte ihn leicht entgegen.
Wieder kratzte die Feder über das Pergament. Das Getuschel und Gekicher hatte aufgehört. Die kratzende Feder war alles, was man in der Bibliothek noch hören konnte.
Harry stützte seinen Kopf gegen das Regal hinter ihm, schloss seine Augen und hörte nur noch auf das vertraute Geräusch seiner Feder.
Es dauerte eine Weile, bis Draco aufhörte zu schreiben.
Der Schwarzhaarige öffnete seine Augen wieder.
"Fertig?"
Draco nickte und hielt Harry das Pergament hin.
"Ich will es nicht lesen".
"Wieso nicht?" Die Stimme des Blonden klang, als hätte er einen Kloß im Hals oder einfach nur lange nichts getrunken.
"Wichtig ist, dass du und Hagrid wissen, wofür du dich entschuldigst. Ich muss das nicht wissen".
Harry hatte das Buch, welches Draco vorhin gelesen hatte, in die Hand genommen.
"Es ist schwer genug sich selbst im Klaren zu sein, dass man Fehler gemacht hat. Es hilft nicht, wenn ich sie kenne". Eine kurze Pause entstand. "War es schwierig für dich das alles aufzuschreiben?"
Draco blieb still.
"Wie wäre es, wenn wir heute Abend zusammen zu Hagrid gehen? Du nimmst das Pergament mit und entschuldigst dich, wenn wir wieder gehen, dann verbrennst du es".
"Es verbrennen?"
"Ja, damit du vollständig damit abschließen kannst".
Draco starrte kurz auf das Pergament in seinen Händen und nickte dann entschlossen.
"Gut, dann gehen wir heute Abend zu ihm".
Draco faltete das Pergament zusammen und ließ es in seinem Umhang verschwinden.
Harry reichte ihm sein Buch zurück und wieder trat stille zwischen den Beiden ein. Wieder war es keine unangenehme Stille. Keiner der beiden dachte auch nur daran, sich jetzt zu verabschieden.
Draco war wieder in sein Buch vertieft und Harry schaute wieder aus dem Fenster.
Der Blonde schaute auch dann nicht von seinem Buch hoch, als sich die Tür der Bibliothek quietschend öffnete und leichte Schritte immer lauter wurden, bis sie schließlich vor dem Gang der beiden verstummten.
Der Schwarzhaarige hatte sein Blick vom Fenster abgewandt und schenkte nun der Person, die im Gang stehengeblieben ist seine Aufmerksamkeit.
"Ich hab dich überall gesucht, Harry. Wollen wir nicht was essen gehen?"
Ginny hatte ihre Tasche geschultert und schaute lächelnd zu ihrem Freund. Draco ignorierte sie gekonnt.
Der Schwarzhaarige nickte schließlich, verwirrt, dass es doch schon Zeit fürs Mittagessen war, drückte der Rothaarigen einen kurzen Kuss auf den Mund und nahm sich seine Tasche vom Stuhl.
"Um 20 Uhr vor der großen Halle?", fragte Harry noch einmal in Dracos Richtung, wartete sein Nicken ab und ging dann seiner Freundin hinterher.
Der Brillenträger konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen als er den Blonden noch ein leises "Danke" murmeln hörte.

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"Und wie war's?", fragte Ron, als Harry und Ginny sich gerade zu ihm und Hermine gesetzt hatten. "Hat er Ärger gemacht?"
Harry ließ sich von Hermine die Kartoffeln reichen, ehe er seinen besten Freund antwortete.
"Nein. Wir haben den Stoff aus der Stunde heute wiederholt, mehr nicht. Wir haben es allerdings nicht ganz geschafft. Ich treffe mich um 20 Uhr nochmal mit ihm".
"Du tust mir leid, Harry. Musst selbst nach dem Unterricht noch seine Visage ertragen". Der Rothaarige kaute bereits unnachgiebig auf einem großen Stück Fleisch, als er Harry sein Mitgefühl gab.
"Ron..." Es war Hermine, die ihren Freund darum bat, nicht so zu sprechen.
"Ist doch so. Wenn ich dich da irgendwie rausboxen könnt, ich würd's tun".
"Danke Ron". Harry lächelte ein bisschen aufgesetzt. "Es ist allerdings nicht so schlimm wie du denkst. Er reißt sich zusammen".
"Du solltest trotzdem vorsichtig in seiner Nähe sein, Harry". Ginny starrte den Schwarzhaarige von der Seite aus an. Er wollte sie nicht ansehen. Sie gerade mal ein paar Tage zusammen und er hatte sie bereits angelogen. Er fühlte sich grausig deswegen.
Um nicht Antworten zu müssen stopfte er sich essen in den Mund.
"Vielleicht solltest du noch einmal mit McGonagall reden und ihr sagen, dass du darauf keine Lust hast".
"Ron, es reicht. Harry sollte auf Prof. McGonagall hören, Malfoy ein bisschen Nachhilfe geben und sich nicht beschweren. Es kann sich doch nur Positiv für ihn auswirken". Hermine beendete das Thema damit.
"Hast du mit Verwandlungen weiter gemacht, Ron?"
Bevor der Rothaarige zum Antworten kam, hatte die Braunhaarige sich wieder zu Wort gemeldet.
"Von wegen. Er ist eingeschlafen. Wäre ich nicht gekommen, um ihn zum Mittagessen mitzunehmen, hätte er Zaubertränke verschlafen."
"Als würde Ron je das Mittagessen verschlafen", lachte Ginny über ihren Bruder.

"Ich werde es nicht schaffen die Hausaufgaben in Verteidigung gegen die dunklen Künste anzufangen. Machen wir die nachher noch?"
Ron nickte, sein Mund noch voll mit essen.
"Gut. Wir können auch morgen noch für Verwandlungen üben".

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Um Punkt 20 Uhr stand Harry an der Tür der großen Halle. Der Schwarzhaarige hatte die Zeit aus den Augen verloren und musste vom Gryffindor-Turm aus zur großen Halle rennen, um noch pünktlich zu kommen. Das hätte er sich allerdings sparen können, denn der Blonde hielt anscheinend nicht von Pünktlichkeit.
Erst zehn Minuten später stand der Blonde dann vor dem Brillenträger. Schwer Atmend, als wäre er gerannt.
"Tschuldige, Potter."
"Hast du auch die Zeit aus den Augen verloren?"
"Nein" zischte er den Schwarzhaarige entgegen.
"Warum bist du... "
"Lass gut sein, Potter. Ich bin zu spät. Ich hab es verstanden. Wollen wir jetzt gehen oder nicht?"
Harry nickte schweigend. Zusammen, aber doch irgendwie getrennt, machten sie sich auf den Weg zu Hagrid. Harry ging immer ein Stück voraus. Egal wie langsam er lief, damit der Blonde aufholen konnte, es blieben immer gut zwei Meter Abstand zwischen ihnen.
Als sie bei Hagrids Hütte angekommen waren, legte Harry zwar bereits die Faust an die Tür, wartete allerdings, bis der Slytherin ihn eingeholt hatte und sich hinter ihn stellte. Erst dann klopfte er.
Harry und Draco hörten, wie der Halbriese seinen Hund sagte, dass er liegenbleiben sollte und dann zur Tür stampfte.
Harry hat das Gefühl, dass Draco hinter ihm ein bisschen zusammen geschrumpft ist.
"Hallo Harry", begrüßte der Wildhüter den Schwarzhaarigen. "Komm rein. Ich mach gerade Tee".
Harry schaute kurz zu Draco. Sein Blick war steif auf den Boden gerichtet.
Hagrid hatte gerade zwei Tassen Tee auf den Tisch gestellt.
"Mach 3 Tassen draus, Hagrid", lächelte Harry und trat in die Hütte. Er hatte Draco am Handgelenk genommen und einfach mit gezogen.
"Setz dich da hin, Malfoy".
Er zeigte auf den Stuhl, auf den normalerweise Ron saß, und setzte sich auf den Stuhl daneben.
Draco schaute sich auf die Hände, als Hagrid ihn schweigend eine Tasse Tee vor die Nase stellte.
"Wie war eur' erster Schultag?", fragte der Wildhüter schließlich, als er sich auch hingesetzt hatte.
"Anstrengend. Ron ist in unserer Freistunde eingeschlafen. Wir haben ein Berg von Hausaufgaben bekommen", seufzte der Schwarzhaarige.
"Das ist normal. Ihr habt ja auch bald Prüfungen". Hagrid war fröhlich wie immer.
"Hör zu Hagrid. Ich bin nicht ohne Grund mit Malfoy hier". Kurz stoppte Harry und achtete auf die Reaktion des Wildhüters. Die blieb allerdings aus. "Wir sind hier, weil er dir etwas sagen möchte".
Harry stieß den Blonden mit seinem Ellbogen sanft in die Seite. Zum ersten mal sah Draco nun auf. Sein Blick wanderte einmal durch die Hütte und blieb dann an Hagrid hängen.
Kurz wusste der Blonde nicht, wie er Hagrid ansprechen sollte.
"Sir.. ", fing er leise an, aber Hagrid unterbrach ihn direkt.
"Du kannst Hagrid sagen."
Draco nickte.
"Ich weiß, dass eine einfache Entschuldigung nicht ausreicht um meine Taten wieder gutzumachen, aber ich wollte mich aufrichtig bei ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich Respektlos gegenüber dem Hippogreif war und ich ihnen deswegen Schwierigkeiten gemacht habe. Die ständigen Beleidigungen tun mir ebenfalls leid und das ständige stören des Unterrichts. Meine Respektlosigkeit allgemein tut mir leid. Ich entschuldige mich außerdem für meine Taten als Todesser." Keiner sagte etwas, als Draco aufgehört hat zu sprechen.
Harry hatte den Halbriesen selten wütend erlebt, aber noch seltener hatte er ihn sprachlos gesehen.
"Danke", sagte er schließlich leise, "Danke für deine Ehrlichkeit, Draco. Ich nehme deine Entschuldigung gerne an". Grinsend stand der Wildhüter auf und ging zur Tür.
"Kommt mit raus, Jungs!"
Die beiden Jungs folgten Hagrid. Zusammen gingen sie ein Stück in die Richtung des verbotenen Waldes. Hagrid wies die Jungs an stehen zu bleiben uns Pfiff einmal laut.
Es dauerte einen Moment, aber nach einigen Minuten hörte man ein näher kommendes rascheln aus dem Wald.
Aus Selbstschutz und Erfahrung ging Harry einige Schritte zurück. Draco tat es ihm gleich.
Umso erleichterter war der Schwarzhaarige, als der ihnen bekannte Hippogreif aus dem Wald trat.
Harry freute sich das Tier wiederzusehen, ging einige Schritte auf Seidenschnabel zu und verbeugte sich tief vor ihm.
Das Tier tat es ihm nach einiger Zeit nach und der Schwarzhaarige zögerte nicht, ihn direkt zu streicheln.
Draco stellte sich auf Sicherheitsabstand neben Hagrid. Der Halbriese klopfte dem Blonden einmal kräftig auf die Schulter. Draco sackte unter der schweren Hand kurz zusammen.
"Geh auch zu ihm, aber verbeug dich vorher. Wir wollen bestimmte Ereignisse nicht wiederholen".
Entschlossen nickte Draco und ging ein paar kleine Schritte in Harrys und Seidenschnabels Richtung.
Als der Hippogreif den Blonden bemerkte blieb dieser plötzlich stehen. "
"Du brauchst keine Angst haben", bestätigte ihn Hagrid nochmal.
Der Blonde schaute den Hippogreif genau an und verbeugte sich tief. So tief, dass seine langen Haare den Boden beinah berührten.
Als er sich wieder gerade hinstellte, lag Spannung in der Luft. Keiner wusste so recht wie der Hippogreif nun reagieren würde.
Draco hatte schon gar nicht mehr mit einer Reaktion von dem Tier gerechnet, als Seidenschnabel sich ebenfalls leicht gegenüber Draco verbeugte.
Der Blonde fühlte sich unglaublich erleichtert, ging auf den Hippogreif zu und streichelte ihn.
"Es tut mir leid, Seidenschnabel", flüsterte er leise in das Gefieder des Tieres.

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Zusammen gingen die Beiden zurück zum Schloss. In wenigen Minuten würde die Nachtruhe anfangen, aber Harry und Draco beeilten sich nicht. Sie genossen noch die kühle Nachtluft.
"Wie fühlst du dich jetzt, Malfoy? "
"Ich bin erleichtert." Draco fuhr sich einmal durch seine Haare.
"Erleichtert und... Glücklich, denke ich"
Harry nickte nur zufrieden.
Im Schloss wünschten die beiden sich mit einem einfachen nicken gute Nacht und gingen in ihren jeweiligen Schlafsaal.  

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt