Kapitel 29

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  Erzähler Pov


Draco hatte die Nacht über kein Auge zugetan.

Viel zu laut hallten seine eigenen Worte in seinem Kopf wieder.
Für den Blonden war der Kuss alles andere als ein Fehler, viel zu richtig hatte es sich angefühlt als die Lippen des Schwarzhaarigen sich stürmisch gegen seine bewegten.
Und doch hatte er den Kuss vor Harry als genau das bezeichnet.
Einen Fehler, ein Versehen.
Draco wusste selbst nicht, was genau er fühlte. Das einzige was er wusste war, dass er das Gefühl, das dieser Kuss in ihm ausgelöst hat, vor dem Gryffindor verbergen musste.
Der Blonde war gerade auf den Weg zur angekündigten Apparierprüfung als Hermine ihn abfing.
Er sah wie sie sich kurz von Ron verabschiedete und dann mit wütenden Schritten auf ihn zu stampfte.
Kurz vor ihm machte sie halt und stemmte ihre Hände in die Hüfte.
"Dann fang doch mal an zu erklären", zischte sie.
Draco verzog seine Augenbrauen. "Was möchtest du denn wissen, Granger? Ich kann dir erklären, wo die Babys herkommen, aber ich denke, da solltest du mit deinen Eltern drüber reden".
"Witzig, Malfoy." Sie grinste gespielt. "Aber du weißt genau was ich meine".
"Vielleicht kannst du mir im Gegenzug erklären, was du an Weasley findest." Draco legte sich grinsend den Daumen ans Kinn.
Seufzend ignorierte sie seinen Kommentar. "Ich rede von Harry".
Augenblicklich rutschte dem Blonden das Herz in die Hose. Er konnte sich nicht erklären, wieso seine Hände schwitzig wurden, sobald jemand seinen Namen sagte.
Als Antwort verzog er nur seine Augenbrauen fragend.
"Warum sagst du, dass der Kuss nur ein Fehler war? Harry..."
"Pass mal auf, Granger;" unterbrach er sie. "Ich weiß nicht was Potter dir erzählt hat oder was du in den Kuss hinein interpretiert hast, aber es war ein Versehen, nicht mehr und nicht weniger. Potter war betrunken und aufgewühlt. Das ist alles."
"Nein, Malfoy hör zu..."
"Ich weiß du bist seine beste Freundin. Du weißt über alles Bescheid. Du bist super schlau, aber Potter ist einfach nur noch nicht über Weasley hinweg. Ich weiß zwar nicht was ihn in dem Fall dazu bringt mich zu küssen, aber was soll's."
"Wie schafft Ihr es beide so unglaublich blind zu sein?" seufzte Hermine leise. "Ich weiß nicht wie ich Euch helfen soll, wenn ihr beide so stur seid. Glaubst du wirklich, dass Harry einfach so mit ihr Schluss gemacht hätte, wenn er sie noch lieben würde?"
Draco merkte, wie die Stimme der Braunhaarige eine Spur Verzweiflung annahm.
Stille trat ein und Draco wollte bereits gehen, als Hermine erneut das Wort ergriff.
"Hast du Gefühle für Harry?"
Der Slytherin versuchte das schwere Schlucken zu unterdrücken. Draco ist nicht entgangen, dass Harrys nähe ihn glücklich und nervös zu gleich machte und das er seit dem Kuss an nichts anderes denken konnte, als an die Wärme, die von den Lippen des Schwarzhaarigen ausging.
"Was?" Er konnte hören, wie seine eigene Stimme sich fast überschlug.
"Hast. Du. Gefühle. Für. Harry?" wiederholte sie sich langsam und deutlich.
"Ich stehe eigentlich nicht auf Männer, Granger." Leise lachte er höhnisch.
"Eigentlich?" fragte sie provokant. "Ist Harry etwa eine Ausnahme?"
"Du spinnst doch." zischte Draco. Er wollte nicht, dass irgendjemand wusste, dass er den Kuss genossen hatte und das er sich insgeheim wünschte es wäre nicht ihr letzter. "Wenn du mich jetzt entschuldigst..." Er drehte sich auf seinem Absatz um. "Ich muss in die große Halle."
Ohne darauf zu achten, ob Hermine noch etwas zu sagen hatte, ging der Blonde schnellen Schrittes in die Richtung der großen Halle, in der die Apparierprüfung abgelegt werden sollte.
Sobald Draco die große Halle betreten hatte, hielt er Ausschau nach dem Schwarzhaarigen.
Harry stand am anderen Ende des Raumes und neben ihm stand Ron.
Der Rothaarige hatte sich lässig gegen die Wand gelehnt, während Harry nur träge daneben stand.
Wie jeder andere im Raum schienen sie darauf zu warten, dass der Prüfer und die Direktorin eintreffen.
Kurz zögerte er. Sie waren Freunde, doch sollte er sich wirklich zu ihm und Weasley stellen? Sollte er wirklich so tun, als ob nicht passiert wäre?
Innerlich nickte der Blonde sich zu. Selbst wenn er es nicht immer zeigte, war ihm die Freundschaft zu dem Gryffindor doch wichtig.

Mit leisen Schritten ging Draco in die Richtung der beiden.
Sowohl Ron als auch Harry konnten ihn nicht sehen und sie bemerkten ihn auch dann nicht, als er hinter ihnen zum Stehen kam.
Auf Dracos Gesicht schlich sich ein listiges Grinsen und er packte Harry schwungvoll an der Schulter um ihn zu sich herumzudrehen.
Der Blonde brach in schallenden Gelächter aus als Harry einen leisen Schrei unterdrückte und erschrocken sein Gesicht verzog.
"Ich hasse dich", keuchte Harry und fasste sich dramatisch ans Herz.
"Damit kann ich leben", presste der Blonde unter seinem Gelächter hervor. Er konnte den misstrauischen Blick des Rothaarigen auf ihn spüren.
"Kann ich dir helfen, Weasley?", fragte Draco gespielt freundlich als Ron auch nach mehreren Minuten seinen Blick nicht abwendete.
Ron knurrte kurz. "Du kannst mir sagen, warum du vorhin mit Hermine gesprochen hast".
Bevor Draco die Möglichkeit hatte zu antworten mischte Harry sich ein.
"Du hast mit Hermine gesprochen?" Der Slytherin hätte meinen könne leichte Panik aus der Stimme des Brillenträgers heraushören zu können.
"Das geht dich nichts an", sagte er kühl zu den Rothaarigen. "Wenn du irgendetwas wissen möchtest frag deine Freundin selbst".
"Du könntest mir auch einfach sagen, was du mit MEINER Freundin zu besprechen hast."
Belustigt verzog der Blonde seine Augenbrauen. "Bitte? Du glaubst doch nicht wirklich, ich hätte Interesse an deiner..." Draco verschluckte das Wort 'Schlammblut', welches sich fast wie aus Gewohnheit auf seine Zunge legte. "Deiner Freundin."
Ron antwortete nicht mehr. Er durchlöcherte den Slytherin bloß mit seinem Blick.
"Könntet ihr aufhören Euch zu streiten?", stöhnte Harry genervt und ehe Ron oder Draco etwas sagen konnte kam die Direktorin in den Raum und die Tür der großen Halle schloss sich schwungvoll.
Die drei hörten schlagartig auf miteinander zu reden.
Nach und nach rief die Direktorin die Schüler, auf die zur Prüfung antreten sollten.
Draco hörte nicht zu und sah auch nicht hin.
Viel zu beschäftigt war er damit Harry aus dem Augenwinkel zu beobachten.
Was er Hermine erzählt hatte, war keine Lüge. Der Blonde dachte wirklich, dass der Schwarzhaarige noch in das jüngste Mitglied der Weasley-Familie verliebt sei und bei ihm nur ein wenig Ablenkung gesucht hatte.
Die Worte die Harry vor und nach dem Kuss gesagt hatte, blendete der Slytherin aus.
Draco richtete erst wieder seine Aufmerksamkeit auf die Prüfung, als sein Name durch die Halle gerufen wurde.
Anscheinend nicht zum ersten Mal, denn Harry schubste den Blonden an seiner Schulter in die Richtung der Direktorin und dem Prüfer.
Er bestand die Prüfung mit Leichtigkeit und nachdem auch Harry und Ron ihre Prüfung erfolgreich abgeschlossen hatten verabschiedete sich der Prüfer von den Schülern und Prof. McGonagall ließ mit einem Schwung ihres Zauberstabs die Tische wieder erscheinen.
Seufzend ließ Ron sich an den Tisch der Gryffindors fallen. Harry und Draco blieben daneben stehen.
"Ich hatte schon angst, es scheitert wieder an einer halben Augenbraue", stöhnte Ron und schaute sich gierig um.
"Es dauert noch einen kleinen Moment bis zum Abendessen, Ron." machte Harry ihn darauf aufmerksam.
Draco sah sich einen Moment einfach in der großen Halle um. Er spielte mit dem Gedanken einfach zu gehen und sich an den Tisch der Slytherins zu setzten, doch er hatte den Schwarzhaarigen in den letzten Tagen und in der letzten Woche selten gesehen und selten mit ihm gesprochen. Er wollte die Zeit vor den Prüfungen nutzen.
Seit ein paar Tagen hatte der Blonde die Sorge, dass die Freundschaft zu Harry nach ihrem Abschluss einfach zerbrechen würde.
Mehrmals hatte er über das Angebot des Gryffindors, bei ihm einzuziehen, nachgedacht. Einerseits wollte er aus dem Malfoy Manor raus. Raus aus dem Haus in dem ihn alles an seinen Vater erinnerte, in dem ihn alles an die Tatsache erinnerte, dass er ein Todesser war.
Andererseits wollte er nicht einfach so bei dem Schwarzhaarigen einziehen. Er wollte kein Mitleid von ihm und dem Gryffindor keine Last auf die Schultern legen.
Draco zog es wieder aus seinen Gedanken, als sich plötzlich ein unglaubliches Gewicht auf seinen Rücken warf und ihn ein Stück nach vorne riss.
Er stolperte einige Schritte weiter.
"Draaaco" flötete es in sein Ohr und der Blonde erkannte sofort, wer ihn dort gerade auf den Rücken gesprungen war.
Genervt verdrehte er seine Augen und versuchte sich so zu drehen, dass die Braunhaarige von seinem Rücken rutschte.
"Runter." zischte er, nachdem das Slytherin Mädchen auch nach weiteren versuchen nicht von seinem Rücken gerutscht ist.
Das Mädchen starrte ihn schmollend an.
"Tu das nie, nie wieder."
"Entschuldige." Das Mädchen biss sich auf die Lippen und drehte sich dann zu Harry und Ron herum. Freundlich streckte sie ihnen ihre Hand entgegen.
Harry erkannte sofort, dass sie das Mädchen war, das dem Blonden, am Vortag so auf die Pelle gerückt war, während Prof. McGonagall den Abschlussball angekündigt hatte.
"Ich bin Sophia." grinste die den beiden entgegen. Harry starrte sie nur mit zusammengepressten Lippen an, während Ron ihr die Hand schüttelte.
"Ich bin Ron und das ist Harry." sagte der Rothaarige monoton und zeigte auf den Schwarzhaarigen.
"Ich weiß doch wer ihr seid", lachte sie. "Jeder weiß er ihr seid."
"In welchem Jahr bist du?", fragte Harry spitz. "Ich hab dich noch nie gesehen."
"Ich bin im Sechsten Jahr." Erneut lachte sie und dem Schwarzhaarigen ging dieses Lachen bereits beim ersten Mal auf die Nerven.
"Kommst du mit mir in die Bibliothek?" richtete sie sich wieder an den Blonden der bis zu dieser Frage nur stumm neben ihr stand.
"Nein.", sagte er kühl und vergrub seine Hände in den Taschen seiner Robe.
"Ohhh." Sie schob ihre Unterlippe ein wenig nach vorne. "Isst du denn mit mir zusammen?"
Draco schüttelte den Kopf. "Keinen Hunger."
"Na ok. Dann bis später." lachend verschwand die Braunhaarige wieder. Stöhnend ließ sich Draco nun ebenfalls an den Tisch der Gryffindors fallen.
"Wow..." hauchte Ron leise. "Sie ist wohl die freundlichste Slytherin die es gibt."
"Und die nervigste", ergänze der Blonde.
"Seid ihr zusammen?", fragte Harry so leise das Draco ihn beinahe nicht gehört hätte.
"Merlin, Potter. Eher spring ich vom Astronomieturm."
"Was habt ihr dann miteinander?" Obwohl Harry so gut wie möglich versuchte seine Stimme normal klingen zu lassen hörte man seine Neugier heraus.
"Ich hab ihr wohl gestern zugesagt sie auf den Abschlussball zu begleiten."
"Wie? Erinnerst du dich nicht mehr daran?"
"Ich hab ihr gar nicht zugehört", seufzte der Blonde. "Ich weiß nicht mehr worauf ich geachtet habe. Ob es ihre grünen Augen waren oder irgendetwas anders, aber als sie mir eine Frage gestellt hat hab ich einfach mit 'Ja' geantwortet. Ich geh also mit ihr zum Ball."
"Wieso sagst du ihr nicht einfach ab?"
Harry überraschte es, dass Ron und Draco sich so normal miteinander unterhalten konnten.
"Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten an diesem Tisch", Draco schaute Ron lächelnd an, "Haben meine Eltern mir Manieren beigebracht. Ich hab zugesagt, also geh ich mit ihr hin. Egal, ob ich danach verrückt bin oder nicht."
"Deine dummen Kommentare kannst du dir sparen, Malfoy. Im Gegensatz zu dir hab ich nämlich eine Freundin, mit der ich zum Ball gehe". sagte Ron höhnisch und richtete sich dann an Harry.
"Und du, Harry? Mit wem gehst du?"
Der Schwarzhaarige zuckte lediglich mit den Schultern.
"Na ja, bevor du eine einlädst, solltest du Tanzen lernen", lachte sein bester Freund. "Parvati Patil hat nach dem Weihnachtsball Lavender erzählt, dass du ihr mehr als nur ein mal auf die Füße gestiegen bist."
"Das musst du gerade sagen. Hättest du Padam überhaupt mal zum Tanzen aufgefordert hätte sie genau das gleiche erzählt."
"Pfff." zischte Ron und lachte. "Ich lass Hermine führen."
Harry musste leise lachen und richtete dann seinen Blick auf den Blonden.
"Jetzt sitzt du doch am Gryffindortisch...", lächelte er dem Slytherin leicht entgegen.
"Überall ist es besser als mit ihr am Tisch."
"Ich wette du kannst tanzen", richtete sich auch Ron an Draco.
"Natürlich kann ich tanzen." Draco verzog seine Augenbrauen. Neben Ron und Harry fühlte der Blonde sich zwar nicht unwohl, aber die Anwesenheit des Schwarzhaarigen macht ihn leicht nervös. "Ich bin ein Malfoy".
"Wie wäre es, bring es doch Harry bei", schlug der Rothaarige vor und zeitgleich füllte sich der Tisch hinter ihnen mit Essen. Ron drehte sich Ruckartig zum Tisch, während Harry und Draco sich eine Weile einfach anstarrten.

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt