Kapitel 20

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 Erzähler PoV


"VERDAMMTER MIST!" Draco knüllte den Zeitungsartikel in seinen Händen zu einem Ball und warf ihn quer durch sein Zimmer. Das Papier landete neben seiner Tür, die in diesem Moment aufschwang.
"Ist alles in Ordnung, Meister Draco?"
Die kleine Hauselfe betrat schüchtern das Zimmer des Blonden. In ihren Händen hatte sie ein Teetablett.
Der Slytherin fuhr sich einmal durch seine hellen Haare und wandte sich dann der Hauselfe Luna zu.
"Ja natürlich" Seine Stimme klang schroffer, als er es geplant hatte. Er atmete tief durch und versuchte dann ein wenig ruhiger mit ihr zu sprechen. "Ich sagte doch, dass du mir keinen Tee machen brauchst".
Er nahm ihr das schwere Tablett ab und stellte es auf den Schreibtisch der unmittelbar neben seiner Tür stand.
"Luna tut das gerne für ihren Herren".
Draco sah sie einen Moment an, dann presste er die Lippen aufeinander und lächelte gezwungen. "Danke", nuschelte er. "Du kannst gehen".
Die Elfe verbeugte sich tief. Sie hatte bereits einen Schritt aus der Tür gemacht, als Draco sie noch einmal zu sich zurück rief.
"Was kann ich für Meister Draco tun?"
"Du und die anderen.." Seine Stimme klang plötzlich leiser und brüchiger. "Lasst mich allein. Macht was ihr wollte, aber lasst mich erst einmal in Ruhe, verstanden? Euch ist es verboten in mein Zimmer zu kommen, bis ich es euch sage".
Luna schaute den Blonden kurz besorgt an und verbeugte sich dann erneut vor ihm.
Sie griff noch schnell nach dem Zeitungsartikel den Draco neben die Tür geworfen hatte und verschwand dann ganz aus seinem Zimmer.
Draco richtete seinen Blick aus dem Fenster.
Die Sonne war bereits untergegangen und die kleine Uhr auf seinem Schreibtisch verriet ihm, dass es bereits 23 Uhr war und wiedereinmal war der Mond die einzige Lichtquelle.
Die plötzliche Stille in seinem Zimmer überkam den Blonden wie eine Lawine. Alles in diesem Raum schien ihn erdrücken zu wollen und kam ihm urplötzlich fremder vor, als es jemals der Fall war.
Er hasste alles in diesem Zimmer.
Die vielen Bücherregale, die Tapeten, der Schreibtisch, sein Bett und das Gemälde, welches genau gegenüber seines Schlafplatzes hing, das ihn mit seinen Eltern ablichtete. Er hasse alles in diesem Raum.
Draco bemerkte nicht, wie er anfing zu zittern, während er seinen Blick streifen ließ und griff nach der Tasse Tee, die Luna ihn gebracht hatte.
Erst als er seine dünnen Finger den Henkel der Tasse umschlossen spürte er, dass er am Zittern war und augenblicklich stieg ihm Wut den Hals empor. Draco war es leid, dass er seine eigenen Gefühle nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Er versuchte seine Hand zu beruhigen in dem er seinen griff um die Tasse verstärkt und seinen Blick auf den schwarzen Tee in der kleinen Tasse fixierte.
Zu sehen wie er nicht einmal eine Flüssigkeit in Porzellan ruhig halten konnte brachte den Blonden der Verzweiflung nur noch näher.
Er konnte nicht sagen, wie lange er auf die schwankende Tasse gestarrt hatte, als er plötzlich wie von selbst aufschrie und seine Tasse gegen das Bild von ihm und seinen Eltern warf.
Das Porzellanstück zersprang laut und der schwarze Tee lief nun über das blasse Gesicht seines Vaters.
Draco fuhr sich übers Gesicht, seufzte tief und ließ sich in die Knie sinken.
"Verdammt", murmelte er in seine Hände.
Er spürte wie Tränen versuchten sich den Weg aus seinen Augen zu kämpfen. Er schüttelte hastig den Kopf und blinzelte stark, wie er es immer tat, wenn er seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte.
Der Blonde wusste nicht mehr, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte. Wie er damit umgehen sollte, dass sich die Einsamkeit, die Trauer und die Wut in ihm aufbaute und er sich trotz alldem unglaublich leer fühlte.
Er schwang sich wieder auf die Beine und seine Arme und Beine brannten plötzlich, während seine Augen unglaublich schwer geworden sind. Er hatte das Gefühl, dass seine Hände nicht mehr ihm gehörten.
Alles in ihm schien zu schreien und ehe er sich versah, hatte er sein Bücherregal von der Wand gerissen. Das zweite folgte und keine fünf Sekunden später lag jedes Buch das Draco besaß auf dem Boden.
Der trat die Bücher einmal durch sein Zimmer und merkte, wie sein Herz in seiner Brust noch schwerer wurde.
______

Für Harry ging alles sehr schnell. Sobald er das Malfoy Manor betrat, hörte er wie etwas, aus der Richtung wo er Dracos Zimmer vermutete, laut zersprang und klirrend auf dem Boden aufkam.
Ohne nachzudenken, stürmte der Schwarzhaarige in die Richtung des Zimmers aus dem das ohrenbetäubende Geräusch gekommen war.
Die kleine Hauselfe folgte dem Gryffindor so schnell sie konnte und rief ihm von weitem die Richtung zu in die er gehen sollte. Vor Dracos Zimmer blieb sie stehen und sah dem Brillenträger noch kurz dabei zu, wie er in den Raum stürmte und keuchend vor dem Blonden zum Stehen kam.
Ratlos blieb Harry vor ihm stehen und schaute ihn, von oben herab, dabei zu wie dicke Tränen über seine Wangen liefen, während er mit seiner blutenden Hand immer wieder auf den harten Boden schlug.
Der Spiegel zu seiner Linken war nur noch ein einziger Haufen aus Scherben. Durch Dracos Schlag hatten sich einige davon im ganzen Zimmer verteilt.
"Was willst du hier, Potter?" schluchzte Draco und wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers über die nassen Augen. Wie er dort so saß, die Augen rot vom weinen und die Haare mitten ins Gesicht hängend erinnerte er den Schwarzhaarigen an ein kleines Kind.
Harry wusste jedoch, dass es nicht die Gefühle eines kleinen Kindes waren, die aus Draco heraus sprudelten, sondern die eines erwachsenen Mannes der alles verloren hatte. Harry traute sich nicht auf die Frage des Blonden zu antworten. Er öffnete mehrmals seinen Mund, ohne etwas zu sagen, dabei immer noch auf Draco herabsehend.
"I-Ich bin hier um dich mit zurück nach Hogwarts zu nehmen", nuschelte Harry schließlich leise.
Draco schniefte einmal laut und richtete sich dann auf. Seine trüben, blutunterlaufenen Augen trafen nun auf die glänzenden grünen des Schwarzhaarigen.
"Vergiss es", zischte er mit einer Stimme, die klang als hätte man ihn irgendetwas in den Rachen gestopft was nun darin fest hing. "Ich werde nicht mehr mit nach Hogwarts kommen".
Er drehte sich hastig von Harry weg, wischte sich erneut über die Augen und seufzte leise.
Der Brillenträger legte dem Slytherin vorsichtig seine Hand auf die Schulter, doch ehe Harry ihn zu sich herum drehen hätte können schlug der Blonde seine Hand wieder weg.
Harrys Hand zierten nun blasse Blutstriche.
"Fass mich nicht an." Draco sah Harry nicht an, aber er versuchte seiner Stimme wieder fester klingen zu lassen. Der Schwarzhaarige starrte ihm weiter auf dem Hinterkopf.
"Ich würde es begrüßen, wenn du verschwindest, Potter".
"Nein", sagte Harry monoton."Ich werde nicht gehen".
Draco ballte seine beiden Hände zu Fäusten. Die blutigen Knöchel an seiner Hand traten nun deutlich hervor und ein paar tropfen Blut bahnten sich den Weg über Dracos Hand hinunter zum Boden. Die Stellen an denen sich kleine Spiegelstücke in seine Hand gebohrt haben konnte man deutlich erkennen.
Der Schwarzhaarige hatte damit gerechnet, dass Draco sich jeden Moment umdrehen würde um ihn, wie er es schon an Weihnachten getan hatte, eine reinzuhauen, doch die schmerzen die Harry erwartete blieben aus. Stattdessen entspannte Draco sich nach ein paar Minuten wieder, drehte sich zu Harry und grinste ihn frech entgegen. Er hatte noch immer Tränen in den Augen.
"Ich rate dir dazu. Ich kann dir auch ohne meinen Zauberstab sehr weh tun, Potter".
Harry musste leicht schmunzeln, als Draco sich anschließend durch seine Haare fuhr. "Unglaublich.", flüsterte er mehr zu sich selbst als zu dem Blonden und bekam dafür nur einen fragenden Blick vom Slytherin. "Selbst wenn du weinst und dein ganzes Zimmer demolierst, versuchst du noch stark und unnahbar zu sein".
Draco biss seine Zähne zusammen und knurrte schon fast, Harry jedoch grinste einfach weiter.
"Ich werde dich wieder mit nach Hogwarts nehmen".
Der Schwarzhaarige sah, wie schwer es Draco fiel die Tränen zu halten.
"Wieso lässt du mich nicht einfach zu Frieden, Potter? Lass mich doch einfach allein".
Harrys grinsen verschwand augenblicklich aus seinem Gesicht und auch wenn er Draco eigentlich kein Mitleid geben wollte, weil er sich sicher war, dass es den Blonden beleidigt hätte, konnte er nicht verhindern, dass Draco ihm leid tat.
"Ich.. ", flüsterte Harry leise und richtete seinen Blick nun bedrückt auf den Boden.
Er konnte nicht wissen, wie Draco sich fühlte und stand nun bei ihm Zuhause um ihn wieder mitzunehmen, ohne auch nur nachzufragen, wieso er sich überhaupt dagegen entschieden hatte zurückzukehren.
"Du verstehst nach wie vor überhaupt nichts." Draco lachte hohl auf und eine unangenehme Stille legte sich über die Beiden.
Harry versuchte sich in seinen Gedanken etwas zurechtzulegen. Er wollte etwas sagen, was den Blonden zeigte, dass er für ihn da war und ihn nicht alleine lassen würde, doch sein Kopf schien wie leergefegt.
Unwillkürlich kamen Harry die letzten Monate mit Draco in den Sinn. Er hätte sich niemals denken können, dass er Draco jemals davon abhalten würde Hogwarts zu verlassen, wo er doch früher alles dafür gegeben hätte ihn nie wieder sehen zu müssen.
Kurz fragte er sich, warum sie nicht von Anfang an Freunde geworden sind, doch so schnell wie dieser Gedanke kam, kamen auch die Erinnerungen an die Arroganz des Blonden zurück. Er seufzte tief und schüttelte sich gedanklich. Es war nicht der Zeitpunkt um an Dracos begangene Fehler zu denken.
Harry konnte nicht sagen, ob eine Sekunde oder eine Stunde vergangen war aber ein leises, unterdrücktes schluchzen holte ihn wieder aus seinen tiefen Gedanken.
Nun war es der Blonde, der seinen Blick auf den Boden gerichtet hatte. Seine Arme hielt er verschränkt vor seinen Oberkörper und seine Finger bohrte er sich durch seinen Pullover in seinen Oberarmen. Einige seiner hell blonden Strähnen blieben ihm auf dem Feuchten Gesicht kleben.
Ohne zu wissen, was er machen sollte und ob es eine gute Idee war, ging Harry einige Schritte auf Draco zu.
Die beiden trennten nur noch wenige Zentimeter, als der Schwarzhaarige mit seinen langen Fingern Dracos Haare nach hinten strich, sich nach vorne lehnte und seine Arme um den Hals des Slytherins legte.
Harry hatte wirklich mit allen gerechnet, damit, dass Draco ihn zurück stoßen würde, ihn schlagen, treten und anbrüllen würde, aber der Schwarzhaarige hatte nicht damit gerechnet, dass Malfoy stumm seine Arme um ihn schlingen und seinen Kopf leicht auf seiner Schulter platzieren würde. Als auch nach weiteren Minuten keine ablehnende Reaktion des Blonden kam, zog Harry ihn noch ein wenig näher an sich und fast wie von selbst fing er an leicht mit seinen Fingern durch die hellen Haare zu fahren. Keiner der beiden sagte ein Wort, während sie schweigend im Raum standen. Harrys Herz schlug ihn fest gegen seine Brust, sein Magen hatte sich zusammen gezogen und er musste schwer schlucken, als Draco laut schniefte und sich in sein T-Shirt krallte.
"Hau ab. Hau einfach ab", nuschelte der Blonde gegen Harrys Schulter und klammerte sich noch ein wenig stärker an den Schwarzhaarigen.
Der Brillenträger musste leicht schmunzeln, strich weiter durch Dracos Haare und flüsterte ihn leise ins Ohr. "Freunde lassen einander nicht allein".
Vom Licht des Mondes eingehüllt blieben die beiden noch eine Weile schweigend stehen.
Irgendwann schob der Schwarzhaarige Draco sachte von sich, lächelte ihn sanft an und nahm seine Hand.
"Du solltest etwas schlafen", flüsterte er leise und zog den Slytherin in die Richtung des Bettes, welches als einziger Gegenstand unversehrt geblieben ist.
Draco, der das alles bloß mit weiteren schniefen und einem Kopfnicken kommentierte, legte sich mit all seinen Klamotten ins Bett und zog sich die Decke fast bis zu seinem Kinn hoch.
Er schloss seine roten Augen, versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu bekommen und schaute Harry, dann dabei zu wie er seinen Zauberstab zog und mit einer Handbewegung die Jalousien schloss.
Der Schwarzhaarige lächelte ihn noch einmal zu und drehte sich dann um. Er wollte Luna fragen, ob es eine Schlafmöglichkeit für ihn im Malfoy Manor gab, doch ehe Harry einen einzigen Schritt hätte machen können umklammerte Dracos kalte Hand sein Handgelenk.
"Geh nicht", flüsterte Draco so leise, dass Harry ihn fast nicht verstanden hätte.
Der Brillenträger nickte kaum merklich, entzog sich Dracos Griff und ging einmal um das große Bett herum. Er schlug die Bettdecke beiseite und legte sich direkt neben den Blonden.
Harry wusste nicht, warum er es tat oder ob es ihn unangenehm war neben Draco zu liegen doch aus Respekt und Angst rückte er, so weit es ging, von ihm weg.
Er atmete tief durch und schloss seine Augen. Sein Herz hämmerte noch immer heftig gegen seine Brust. Er versuchte auf Dracos Atmung zu hören, um sagen zu können, ob er bereits schlief und die Atmung des Blonden ging nur noch flach, als auch Harry endlich die Müdigkeit überkam.
Er war schon fast eingeschlafen, als er spürte, wie die Matratze sich unter Dracos Bewegungen regte. Nur noch beiläufig merkte der Brillenträger, dass Draco seine Fäuste an seinen Rücken legte, näher an ihn heranrückte und ihn schwach in den Rücken atmete
"Danke, Harry", flüsterte der Blonde leise in Harrys Rücken, doch der Schwarzhaarige war bereits eingeschlafen.  

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt