Kapitel 36

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 Erzähler PoV


Nervös ging Harry im Salon des Grimmauldplatz auf und ab. Der Tee in seiner Hand war schon längst wieder kalt.
Regen prasselte ungebremst auf die Fenster ein und bei jedem Donnerschlag zuckte der Schwarzhaarige leicht zusammen. Die staubige Atmosphäre schlug zusätzlich auf seine Stimmung.
"Jetzt beruhige dich mal, Harry", sagte Ron und ließ sich auf einen der Sessel fallen. Kreacher drückte dem Rothaarigen bereits seine zweite Tasse Tee in die Hand. "Es ist doch gerade mal drei Tage her, seitdem wir wieder zuhause sind. Malfoy wird sich schon noch melden."
Harry blieb einen kurzen Moment vor dem Weasley stehen, sah ihn kurz an, schnaubte und fing erneut an im Salon auf und abzulaufen.
Für einen kurzen Augenblick fiel der Blick von Harry auf den Stammbaum der Familie Black und erst jetzt bemerkte Harry, das auch Draco einen Platz an der Wand hatte.
Wut kochte in dem Schwarzhaarigen hoch und er klammerte sich verzweifelt an seine kalte Tasse, damit sie nicht im nächsten Moment auf dem Wandteppich traf.
"Du machst mich ganz nervös, Mann."
"Tut mir leid", nuschelte Harry und ließ sich auf das kleine Sofa nieder.
"Harry, du siehst aus, als hättest du die letzten drei Nächte kein Auge zugetan", sagte Hermine und Harry konnte die Fürsorge in ihrer Stimme deutlich hören.
"Das liegt daran, dass ich in den letzten drei Tagen kaum geschlafen habe."
"Stimmt, du warst zu beschäftigt damit uns Briefe zu schreiben."
Hermine warf den Rothaarigen einen kurzen, mahnenden Blick entgegen.
Harry hatte, seit sie aus Hogwarts zurückgekehrt waren, immer wieder Briefe in den Fuchsbau geschickt. Zwar fühlte sich Harry ein wenig schlecht dabei, wenn er Eulen losschickte, welche die beiden aus ihren Betten rissen, doch der Schwarzhaarige brauchte den Zuspruch der beiden.
Ihre Anwesenheit macht ihn ein wenig ruhiger.
Vor dem Fenster ertönte erneut ein lautes Donnern und wieder zuckte Harry leicht zusammen.
"Aber Ron hat Recht, Harry", sagte Hermine leise und nahm Harry seinen Tee aus der Hand. "Er wird sich melden."
"Wieso machst du dir eigentlich solche Sorgen um ihn?", fragte Ron.
Harry verzog einen Moment seine Augenbrauen. "Wenn Hermine an einem Ort wäre, den sie hasst und der sie traurig und kaputt macht, würdest du dir dann keine Sorgen um sie machen?"
"Doch, natürlich würde ich mich um sie sorgen, aber -"
"Kein aber, Ron. Es ist genau dasselbe."
Ron presst peinlich berührt seine Lippen aufeinander. "Ihr habt doch über Eure Gefühle gesprochen. Ihr seid doch jetzt zusammen, oder?"
Einen Moment zögerte der Schwarzhaarige, dann nickte er kaum merklich.
"Dann verstehe ich nicht, warum er alleine ins Malfoy Manor zurück ist. Wieso wollte er nicht, dass du mit ihm gehst?"
Harry zuckte mit den Achseln.
"Offensichtlich denkt er, dass er das alleine machen muss", sagte Hermine nachdenklich. "Ich glaube nicht, dass er nicht herkommen möchte. Er wird vorher nur ein paar Sachen regeln müssen. Wenn er wirklich bei dir einziehen möchte, dann wird er das Malfoy Manor verkaufen müssen, oder? Das dauert bestimmt seine Zeit. Ich glaube, niemand ist wirklich interessiert daran in das Haus ehemaliger Todesser zu ziehen. Du solltest dir wirklich keine Sorgen machen."
"Vielleicht sollte ich ihm schreiben?", fragte Harry leise.
"Tu mal nicht so", lachte Ron. "Du hast ihm doch bestimmt schon längst geschrieben."
Harry brummte leise.
Tatsächlich hatte er den Blonden bereits am Morgen nach seiner Heimkehr einen Brief geschrieben.
Doch der Schwarzhaarige konnte schlecht etwas gegen das Gefühl machen, das sich in ihm ausbreitete, wenn er daran dachte, dass Draco alleine war.
Immer wieder musste Harry daran denken, wie es Draco ging, als dieser, wegen der Sache mit William, nachhause geschickt wurde.
Immer wieder hatte er den weinenden, zitternden Draco vor Augen, der sich wie ein kleines Kind, das Angst vor einem Gewitter hat, in sein T-Shirt klammerte.
Bei den Gedanken fühlte sich sein Magen an, als hätte man ihm einen Schlag verpasst.
"Er wird sich melden", versicherte Ron ihm mit Nachdruck.
Er nickte geistesabwesend.
"Du hast uns noch gar nicht erzähl, was Ginny im Hogwartsexpress von dir wollte."
Einen kurzen Moment musste der Schwarzhaarige überlegen, was Ron meinte.
Sein Kopf war so vollgestopft mit Sorge, dass er sich einen Augenblick an nichts, was auf der Fahrt passiert ist, erinnerte.
"Sie wollte mit mir über meinen Geburtstag sprechen", erklärte er, als ihm eingefallen ist, was Ron meinte. "Sie meinte, dass Eure Mutter mich eingeladen hat die Woche über bei Euch zu verbringen."
"Du kommst aber, oder? Mum wäre am Boden zerstört, wenn du beschließt deinen Geburtstag nicht mehr bei uns zu feiern. Du gehörst zur Familie, Mann."
Harry winkte angespannt ab. "Natürlich komm ich. Ginny wollte bloß wissen, ob Draco auch mitkommt."
"Malfoy im Fuchsbau?", stöhnte Ron fast schon entsetzt. "Nichts für ungut, Harry, aber ich weiß nicht ob Mum und Dad so angetan davon wären. Wieso hat sie dich das gefragt?"
"Keine Ahnung", sagte Harry schulterzuckend. "Aber sie sagt, wenn ich das möchte, dann wird sie mit deiner Mutter darüber sprechen."
"Dann wäre es ein ziemlich volles Haus, oder? Vermutlich laden wir Hagrid ein und wenn Charlie und Percy auch vorbeikommen, dann sollte es ziemlich eng werden", mischte Hermine sich wieder in Gespräch
"Wenn Hagrid kommt müssen wir so oder so draußen feiern", lachte Ron.
"Wir sollten überlegen, wo die anderen schlafen."
"Nichts für ungut, Leute, aber ich hab keine große Lust über meinen Geburtstag zu reden. Vor allem nicht darüber, ob Draco nun mit kommt oder nicht."
Hermine lächelte den Schwarzhaarigen aufmunternd zu. "Das wird schon. Vorerst solltest du aber aufhören dir Sorgen, um Draco zu machen. Konzentriere dich lieber darauf den Eignungstest der Auroren nicht zu verhauen."
"Ach komm schon, Mine'" ächzte Ron. "Kingsley hat gesagt, dass wir nicht mal einen Abschluss bräuchten, damit er uns nimmt. Wir müssen diesen dämlichen Eignungstest nur machen, weil Harry darum gebeten hat nicht anders behandelt zu werden."
"Ich will ja auch nicht anders behandelt werden", murmelte Harry leise.
Hermine lachte leise und schwang sich von dem kleinen Sofa hoch. Ron nickte ihr kurz zu und stand dann ebenfalls auf.
Harry war sofort klar, dass die beiden sich wieder auf den Weg machen mussten und sofort fühlte der Schwarzhaarige sich wieder einsamer.
Er begleitete die beiden noch zur Tür. Hermine zog den Brillenträger in eine kurze, beruhigende Umarmung.
"Schreib uns ruhig weiterhin", lächelte Hermine ihn sanft an.
"Vielleicht nur nicht mehr mitten in der Nacht", ergänzte der Rothaarige und ließ Harry heiser lachen.
"Tut mir leid", nuschelte er.
"Wir sehen uns in ein paar Tagen", sagte Ron und schloss hinter sich die Tür.
Harry hörte noch einen leisen Knall und wusste, dass die beiden disappariert sind.
Noch immer regnete es gegen die Fenster des Grimmauldplatzes und nun war Harry das Gewitter egal.
Es war schon spät, doch der Schwarzhaarige hatten keinen Hunger und verzichtete deshalb auf das Abendessen, das Kreacher ihm angeboten hatte.
Mit schleppenden Schritten stieg der Schwarzhaarige die Treppe hoch in den dritten Stock, in das Schlafzimmer in dem Remus, zu Zeiten des Ordens, noch geschlafen hatte, welches er nun als sein eigenes Schlafzimmer nutze.
Dieses Haus hatte zu viele Schlafzimmer, dachte Harry.
Der Schwarzhaarige könnte für jeden Tag der Woche in einem anderen Bett schlafen und doch hatte er sich für dieses Zimmer entschieden.
Als er angekommen war, hatte er kurz darüber nachgedacht im Zimmer von Sirius zu schlafen, doch er hatte sich relativ schnell dagegen entschieden. Er hatte das Gefühl, dass er das nicht übers Herz bringen würde.
Harry ließ sich auf das Doppelbett fallen und starrte eine ganze Weile einfach auf die Zimmerdecke.
Er wusste nicht, ob er sich wirklich zu viel Sorgen um den Blonden Slytherin machte, oder ob es gerechtfertigt war, dass er an nichts anderes denken konnte, als daran, dass es Draco in diesem Moment vielleicht nicht gut ging.
Einen Moment noch wurde das Zimmer vom Licht der untergehenden Sonne beleuchtet und Harry sah einfach weiter auf die fleckige Decke.
Das Gewitter ließ den Himmel schon den ganzen Tag dunkel erscheinen, doch erst, als das Zimmer in kompletter Dunkelheit gehüllt war, schwang Harry sich wieder von Bett hoch und setzte sich an den Schreibtisch, der direkt neben dem Bett stand.
Der Stuhl fing unter Harrys Gewicht an zu knarren.
Seufzend nahm er sich ein neues Stück Pergament.
Bald müsste er sich neues kaufen, wenn er weiterhin jeden Tag drei Briefe an Ron und Hermine schicken würde.
Dieses Mal tauchte der Gryffindor seine Feder in das Tintenfass, um einen Brief an Draco zu schreiben.
Er legte die Federspitze auf das Pergament, doch anstatt mit dem Schreiben anzufangen, zögerte er einen Moment.
Er kam sich aufdringlich vor und doch wollte er unbedingt wissen, wie es dem Blonden ging.
Gerade als Harry das erste Wort über das Pergament kratzte ertönte ein lautes Donnern und Harry zuckte stark zusammen. Die Eule, die mit ihrem Schnabel gegen das Fenster schlug, hörte er erst einige Sekunden später.
Harry sprang auf, stolperte zum Fenster hinüber und riss es auf.
Warmer Regen peitschte ihn entgegen und schoss Harry, trotz Brille, ins Auge.
Er bemerkte er ein paar Sekunden später, dass die Eule bereits an ihm vorbeigerauscht ist, sich auf dem Schreibtisch niedergelassen hat und sich die nassen Federn schüttelte.
Er schlug das Fenster wieder zu, ließ sich seufzend auf dem knarrenden Stuhl nieder und setzte sich die Brille ab um sie an seinem T-Shirt zu putzen.
Als er sie wieder aufgesetzt hatte, wandte er sich der Eule zu, die ihn bereits ihren Fuß entgegenstrecke, an dem ein Brief befestigt war.
Harry hatte, bis zu diesem Moment, nicht daran gedacht, dass es eine Antwort von Draco sein könnte, doch als er die saubere Handschrift sah, hüpfte sein Herz.
Die Eule flog wieder zum Fenster und Harry wusste, dass Draco nicht auf eine Antwort wartete.
Er machte dem Kauz das Fenster wieder auf und als er es erneut schloss und sich wieder hinsetzte, öffnete er nervös den Brief des Blonden.
Allein die Handschrift des Slytherin machte ihn ein weniger fröhlicher.

>>Es tut mir leid.

Das alles hier wird ein wenig länger dauern als gedacht.
Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen um mich.
Ich schreibe dir.

Draco <<

Wütend zerriss der Schwarzhaarige den Brief, von dem ein so starker Geruch von Minze ausging.
Draco Worte hörten sich für Harry an, als wären sie zwei Fremde und nicht, als hätten sie vor weniger als vier Tagen noch miteinander geknutscht und sich die Gefühle gestanden.
Einen Augenblick lang war er froh darüber, dass Draco keine Antwort erwartete, den er wüsste sowieso nicht, was er dem Blonden nun sagen sollte.
Seine Laune hatte sich durch den Brief nur verschlechtert und ohne sich umzuziehen oder ähnliches, schwang er erneut seinen Zauberstab, das Licht erlosch und er ließ sich seufzend und mit brennenden Magenschmerzen in sein Bett fallen.  

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt