Kapitel 22

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  Erzähler PoV.

Draco und Harry schwiegen sich lange an. Der Blick des Gryffindor lag neugierig und erwartungsvoll auf dem Blonden, während dieser nur stumm in seinem Tee rührte.
"Ist das dein ernst, Potter?"
Harry nickte. "Mein voller ernst".
"Wir standen uns vor nicht einmal einem Jahr im Krieg als Feinde gegenüber.." Draco stoppte sein Rühren und erwiderte nun den Blick des Brillenträgers. "Und jetzt fragst du mich, ob ich bei dir einziehen möchte?"
"Das hast du gut erkannt Also, was sagst du zu meinem Angebot? Es wäre natürlich nur übergangsweise..."
"Merlin..", stöhnte Draco und strich sich ein paar wenige Haare hinter sein Ohr. Das weiße Handtuch lag noch immer auf seinem Kopf und verdeckte Harry dadurch den Anblick auf die hellblonden Haare. "Wie kommst du nur immer auf so dumme Ideen?"
"Ich will dir helfen".
"Das sagst du ziemlich oft in den letzten Monaten". Draco biss sich leicht auf die Unterlippe. Erneut fing er an in seinem Tee zu rühren.
"Dadurch solltest du doch erkennen, dass es mir ernst ist".
"Das einzige was ich dadurch erkennen kann ist, dass du spinnst".
"Ich spinne also, weil ich einem Freund meine Hilfe anbiete?"
Draco seufzte. "Ich werde nicht bei dir einziehen, Potter".
"Vielleicht solltest du erst einmal darüber nachdenken? Statt dich gleich abzuwenden".
"Ich muss darüber nicht nachdenken. Ich habe kein Interesse daran bei dir einzuziehen".
"Du möchtest also lieber hierbleiben?"
Draco schüttelte kurz den Kopf und nahm einen großen Schluck Tee.
"Dann sehe ich kein Problem darin".
"Du verstehst es eben einfach nicht". Die Stimme des Blonden hatte die übliche Kälte angenommen, die sie hatte, wenn Draco sich von allen abschotten und niemanden an sich heranlassen wollte.
Harry konnte spüren, wie er leicht wütend wurde. Der Slytherin stellte seine Geduld wirklich auf die Probe.
"Dann erkläre es mir doch..." Harry versuchte ruhig zu bleiben und normal mit dem Blonden weiter zu reden.
"Es würde nichts bringen dir irgendetwas zu erklären. Ich zieh nicht bei dir ein!" Draco stelle seine Tasse auf den Tisch und stand von seinen Stuhl auf.
"Du benimmst dich wie ein Kleinkind. Ein Kleinkind, das es nicht leiden kann, wenn andere wissen was du denkst und sollte es jemand wagen dich zu fragen, wie es dir geht, verschließt du dich", stöhnte Harry genervt und stütze seinen Kopf auf den Tisch ab.
"Vielleicht sollte ich an den Tagespropheten schreiben...", höhnte Draco. "Der große Held Harry Potter möchte mit Kleinkind zusammen ziehen." Er gestikulierte wild mit seinen blassen Händen. "Das wird eine Schlagzeile." Er lachte ein letztes Mal hohl bevor er gänzlich aus dem Raum verschwand. Keine fünf Sekunden später hörte der Schwarzhaarige, wie der Slytherin die Treppe rauf stieg und ihn allein am Esstisch sitzen ließ.
Harry stöhnte leise und fing aus Gewohnheit an dem Tisch abzuräumen, als plötzlich alles verschwand und Luna wieder in den Raum kam. Sie hatte ihre Hände schüchtern hinter ihrem Rücken versteckt.
"Ist alles in Ordnung mit Harry Potter?", fragte sie leise. Harry verzog nur fragend seine Augenbrauen. Er wusste nicht, woran es lag, doch ihm wurde plötzlich kalt und er hatte das Gefühl, sein Magen hatte sich zusammen gezogen. "Harry Potter sieht blass aus".
"Mir geht's gut.", nuschelte er leise.
"Hat Harry Potter sich mit Meister Draco gestritten?"
Harry zuckte kurz mit den Schultern und ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. Zu den Magenschmerzen kamen nun auch noch Kopfschmerzen und seine Glieder fühlten sich steif an.
"Meister Draco weiß zu schätzen was Harry Potter für ihn tut." Der Schwarzhaarige hatte das Gefühl, dass Luna sich nicht traute ihn anzusehen. "Harry Potter darf es Draco nicht übel nehmen. Er hat nie gelernt, wie man mit seinen Gefühlen umgeht".
Ohne Harry anzusehen, verschwand Luna wieder aus dem Zimmer und erneut war Harry allein an dem riesigen Tisch.
Er ließ sich Lunas Worte durch den Kopf gehen.
Die kleine Hauselfe hatte recht, denn, auch wenn der Gryffindor nie viel von Dracos Kindheit oder seinem Familienleben mitbekommen hatte, merkte man, dass es kein besonders liebevolles Leben gewesen sein muss.
Wie sollte man auch lernen, dass man Hilfe annehmen kann, wenn man mit Voldemort im Nacken aufwächst?
Harry nickte sich selbst kurz zu und schwang sich von seinem Stuhl hoch. Er war sich zwar sicher, dass der Blonde ihn nun gerade nicht sehen wollte, aber der Schwarzhaarige hatte das Gefühl, dass er sich entschuldigen sollte. Seine Art dem Blonden seine Hilfe anzubieten war immerhin ziemlich aufdringlich.
Mit immer noch steifen Gliedern stieg Harry die Treppen zu Draco Zimmer noch.
Leise klopfte er an dir Tür, doch von dem Blonden kam keine Reaktion. Vielleicht ist er nicht in sein Zimmer gegangen?
Der Schwarzhaarige drückte die Türklinke leicht hinunter und stieß die Tür soweit auf, dass seinen Kopf durch die Tür stecken konnte.
Der Blonde saß im Schneidersitz, vor ihm lag ein staubiges, auseinander fallendes Buch, er hatte seinen Kopf auf seinen Händen aufgestützt und seinen Blick stur auf das Buch gerichtet.
Sein weißer Oberkörper wurde nun durch einen einfachen schwarzen Pullover verdeckt.
Er schaute auch dann nicht auf, als Harry absichtlich laut die Tür schloss.
"Malfoy?"
Der Blonde ließ nur ein abwertendes brummen von sich, schaute Harry aber nicht an.
"Was liest du?"
"Irgendwas über Zaubertränke", murmelte er.
"Hör zu; ich.." Weiter kam Harry nicht, wenn er knickte plötzlich zusammen und fand sich kniend auf dem Boden wieder.
Seine Beine taten unglaublich weh und er konnte seine Arme nicht mehr bewegen.
Binnen einer Sekunde stand Draco neben ihm, die Hand auf seinem Rücken schaute er den Schwarzhaarigen besorgt an.
"Hey, Potter..", keuchte Draco leise und kniete sich ein wenig zu ihm herunter. "Was ist?"

Harry konnte nichts anderes als schmerzhaft aufzustöhnen. Draco zögerte einen Moment und legte Harry dann die Hand auf die Stirn. Die Kälte, die der Blonde ausstrahlte durchfuhr den Gryffindor wie ein Blitz und ließ eine Gänsehaut über Harrys Rücken fahren.
"Du hast kein Fieber...", murmelte Draco leise.
Harry wollte etwas sagen, doch er hatte nicht genug kraft dafür.
"Komm, wir legen dich erst einmal ins Bett".
Draco griff Harry unter den Arm und zog ihn leicht hoch. Der Schwarzhaarige war so verkrampft, dass der blonde Probleme damit hatte ihn aufzuhelfen und zu halten, doch er schaffte es den Brillenträger aufs Bett zu legen und ihn zuzudecken.
Harry schloss augenblicklich seine Augen. Er merkte nur noch, wie ihm seine Brille abgenommen wurde und sich etwas Kaltes auf seine Stirn legte.

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Als Harry die Augen wieder öffnete, waren seine Schmerzen verschwunden. Das Licht im Zimmer war hell und der Schwarzhaarige stöhnte müde auf. Er drehte sich auf Bauch und zog sich das Kissen über den Kopf.
Es dauerte nicht lange, da wurde ihm das Kissen vom Kopf gezogen.
"Alles in Ordnung?", fragte Draco leise.
Ohne Brille erkannte Harry den Blonden nur an seiner Stimme und an dem blonden Haar, das ihn an zu leuchten schien.
Harry nickte stumm und drehte sich wieder auf den Rücken. Er spürte, wie Draco ihn sanft seine Brille auf die Nase schob, alles wurde schärfer und Harry konnte erkennen, dass Draco ihn besorgt ansah, ihn aber dennoch ein leichtes Lächeln schenkte.
"Du hast die Nacht durchgeschlafen..." Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. "Ich hab mir fast Sorgen gemacht."
"Wirklich? Die ganze Nacht?" Harry richtete seinen Blick aus dem Fenster und sah, dass sie Sonne gerade am Aufgehen war.
"Ich hab es irgendwie geschafft mich über das Flohnetzwerk mit Madam Pomfrey zu unterhalten. Das erste was sie sagte war, dass sie dich umbringen wird, sobald zu zurück in Hogwarts bist und wie du es wagen kannst nach so einem Angriff zu apparieren oder dich generell aus der Schule zu schleichen". Harry musste leicht glucksen. "Dann sagte sie, dass wir uns, sobald du wach bist und du dich einigermaßen Fit fühlst, unverzüglich auf den Weg zurück machen sollen. Sie vermutet, dass die Mischung aus apparieren, wenig Schlaf und Stress dich einfach haben schwächeln lassen".
"Tut mir leid.", flüsterte Harry kratzig und zog sich erneut das Kissen über den Kopf.
Draco zog ihm das Kissen wieder vom Kopf nur, um es den Schwarzhaarigen direkt ins Gesicht zu hauen.
"Auuu.", stöhnte Harry lachend und rückte seine Brille zurecht.
"Du solltest aufstehen. Ich bin fast fertig..."
"Womit?"
"Koffer packen.", sagte er trocken und entfernte sich wieder vom Bett.
Harry setzte sich im Bett auf und folgte dem Blonden mit seinem Blick.
Draco hatte sich vor seinen großen Koffer gekniet und war gerade dabei seine letzten Klamotten einzupacken.
"Du kommst also mit?", fragte Harry euphorisch.
"Nein, Potter. Ich packe den Koffer, damit DU mit MEINEN Klamotten zurück nach Hogwarts gehen kannst."
Harry nahm sich das Kissen und warf es Draco an den Hinterkopf.
"Pass besser auf, Potter. Noch kann ich meine Meinung ändern".
"Wirst du nicht".
"Sei dir da nicht zu sicher".
Harry lachte kurz, danach trat stille ein und der Schwarzhaarige beobachtete den Blonden dabei, wie er seinen Koffer packte.
"Tut mir übrigens leid", unterbrach Harry die Stille schließlich wieder. "Meine Frage war zu aufdringlich, aber es würde mich freuen, wenn du wenigstens darüber nachdenkst".
Der Slytherin antwortete nicht und Harry wusste genau, dass er damit einfach nur einen weiteren Streit auf dem Weg ging.
"Wir sollten uns gegenseitig daran erinnern die Apparierprüfung abzulegen. Ich könnte allein schon bei dem Gedanken an den fahrenden Ritter kotzen", erklärte der Blonde, als er gerade seinen Koffer schloss.
"Diese Ausdrucksweise bei einem Malfoy? tze tze tze" Harry lachte laut.
"Möchtest du frühstücken, bevor wir losfahren?", ignorierte der Blonde Harrys Anmerkung.
Harry schüttelte den Kopf.
"Gut, dann können wir ja, oder?"
Dem Schwarzhaarigen kam es so vor, als wolle, der Blonde so schnell wie er konnte aus dem Malfoy Manor raus. Harry sprang aus dem Bett und half dem Blonden noch dabei den Koffer hinunterzutragen.
"Ich werde Luna kurz Bescheid geben. Du kannst schon raus gehen".
Harry nickte und machte sich samt Koffer auf den Weg raus aus dem großen, unpersönlichen Anwesen.
Er ging ein Stück, bevor er seinen Zauberstab zog und ihn einmal in die Luft hielt.
Mit einem lauten Knall erschien der Lila Bus vor ihm und ein Gut gelaunter Stan stieg aus. Er wollte gerade anfangen zu sprechen, doch Harry winkte ab.
"Lass gut sein, Stan. Wir kennen dich".
Stan half dem Schwarzhaarigen mit Dracos Koffer und gerade als die beiden fertig waren und Harry Stan bereits bezahlt hatte, stieg der Blonde ebenfalls ein.
"Leg los, Ern".
Wie schon vor ein paar Tagen wurde Draco durch den Bus geschleudert, während Harry genau in einen der Sessel fiel.
Während der Schwarzhaarige sich vor Lachen kaum halten konnte versuchte der Slytherin sich wieder auf die Beine zu ziehen.
"NIE. WIEDER", keuchte er, als er es auch geschafft hatte sich in einen der Sessel zu ziehen. "Hör auf zu lachen", zischte er Harry an und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wo soll es überhaupt hingehen?" unterbrach Stan die beiden.
"Hogwarts.", antwortete Harry unter erstickten lachen.
"Da haben wir dich doch erst vor ein paar Tagen weggeholt, Blondie".
Draco zog überrascht die Augenbrauen hoch und starrte Stan.
"Wie hast du mich genannt? Blondie?"
Harry prustete erneut los während Draco sich zusammen reißen musste, um den Schaffner nicht anzuschreien. "Und was geht es dich überhaupt an?" ,zischte er stattdessen.
Stan zuckte mit den Schultern und wandte sich dann Harry zu.
"Wie geht es dir, Neville?"
"Wieso nennt er dich Nevillie, Potter?"
Harry zuckte lachend mit den Schultern. "Bei meiner ersten fahrt hier hab ich gesagt, dass ich Neville heiße. Natürlich weiß er, dass ich Harry bin, aber anscheinend findet er es lustig".
Während Harry sich ein wenig mit dem Schaffner unterhielte, lehnte Draco sich so gut er konnte in seinem Sessel zurück.
Er hatte dem Schwarzhaarigen nicht erzählt, dass er die ganze Nacht wach war, weil er sich um ihn sorgte. Regelmäßig hatte er dessen Atmung kontrolliert und ihm einen feuchten Waschlappen auf die Stirn gelegt. Die andere Hälfte der Nacht war er damit beschäftigt in allen möglichen Büchern die er zuhause hatte nachzusehen was Harry fehlen könnte, bevor er endlich auf die Idee kam sich an Madam Pomfrey zu wenden.
Draco gähnte ausgiebig. Er bemerkte gar nicht, dass Stan und Harry aufgehört hatten zu reden. "Ich meinte das übrigens ernst, Malfoy..." Der Slytherin schreckte leicht auf, als der Brillenträger ihn ansprach. Sein Mund war staubtrocken und er verzog nur fragend die Augenbrauen.
"Als ich sagte, dass wir Freunde sind. Ich weiß, dass das komisch klingt und du das vielleicht anders siehst, aber ich denke, dass wir keine passendere Beschreibung für uns finden würden".
Harry und Draco starrten sich eine Weile in die Augen und dem Blonden kroch eine starke Gänsehaut den Rücken entlang.  

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt