Kapitel 21

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  Erzähler PoV

Als Harry am nächsten Morgen aufwachte, war der Platz neben ihm leer, die Jalousien hochgezogen und das Fenster auf.
Die kalte Morgenluft umhüllte Harrys Gesicht und brachte ihn dazu sich noch tiefer in die Bettwäsche zu kuscheln.
Der Schwarzhaarige drehte sich auf den Rücken und richtete seinen Blick aus dem offenen Fenster.
Er konnte erkenne wie am Horizont die Nacht langsam von der Sonne verschlungen wurde und der Himmel sich wieder hellblau färbte.
Harry war am Abend mit seiner Brille auf der Nase eingeschlafen. Die Druckstelle auf seiner rechten Gesichtshälfte konnte er deutlich spüren.
Eher unterbewusst zog der Schwarzhaarige ein letztes Mal den Duft des Blonden ein, den die Bettwäsche ausstrahlte, schlug die Bettdecke beiseite und schwang sich aus dem Bett.
Das Zimmer war noch immer das reinste Chaos. Die Bücherregale lagen kaputt auf dem Boden, die dazugehörigen Bücher lagen zerrissen daneben, das Bild seiner Eltern zeichnete ein großer Fleck und überall lagen Spiegelscherben. Erst jetzt erkannte der Gryffindor das Ausmaß des Nervenzusammenbruchs vom Blonden.
Harry lauschte kurz dem Geräusch des plätschernden Wassers, aus dem anscheinend anliegenden Badezimmer bevor er schließlich nach seinen Zauberstab griff, den er vorm Schlafen gehen auf einem Nachtschrank platziert hatte, und flüsterte leise; "Reparo"
In weniger als einer Minute sah das Zimmer des Blonden aus, als wäre nie etwas gewesen. Alles stand wieder an seinen Platz und auch der Spiegel, den der Slytherin kaputt gemacht hatte war wieder ganz. Einzig und allein der Fleck auf dem Bild der Familie Malfoy war noch zu erkennen. Der Schwarzhaarige verbot sich selbst darüber zu lachen, schwang erneut kurz seinen Zauberstab und ließ damit auch den Schwarztee verschwinden.
Harry entschied sich dagegen darauf zu warten, dass Draco aus der Dusche kam und machte sich alleine auf die Suche nach etwas essbaren.
Sein Magen knurrte mit jeder Minute lauter die er im Malfoy Manor herum geisterte.
Den einzigen Raum, an den der Schwarzhaarige sich erinnerte war der Kerker, den die Malfoys besaßen und den wollte Harry ganz sicher nicht noch einmal sehen.
Harry wusste nicht, wie lange er in dem großen Anwesen herumgelaufen ist ohne auf jemanden oder etwas zu stoßen, doch irgendwann traf er auf die kleine Hauselfe die ihn am Vorabend zu Dracos Zimmer gebracht hatte.
Luna war gerade dabei eines der großen Fenster im ersten Stock zu Putzen, als Harry an ihr vorbeikam.
"Guten Morgen, Harry Potter", strahlte die Hauselfe ihn an.
"Morgen", nuschelte Harry ihr lächelnd entgegen.
"Wie geht es Meister Draco?"
"Ganz gut", nickte Harry ihr zu, "Denke ich".
"Möchte Harry Potter vielleicht etwas essen? Luna wäre es eine Freude Harry Potter essen zuzubereiten".
Leicht beschämt nickte der Schwarzhaarige und folgte der Elfe dann einfach. Luna führte Harry in ein Zimmer, welches den Malfoys wohl als Esszimmer gedient hat.
Der Raum war groß und in der Mitte stand ein großer Tisch an dem mehr als 15 Leute mit Leichtigkeit platz gefunden hätte. Abgesehen von dem Tisch stand nur noch eine kleine Vitrine, mit ein paar Gläsern darin, im Raum und die Farbe der Wände war dunkel gehalten, genauso wie der Rest der Einrichtung die Harry gesehen hatte, und ließ den Raum eher düster wirken.
Auf den Brillenträger wirkte das Zimmer unpersönlich und kalt.
Luna wies den Gryffindor an seinen Platz und verschwand für ein paar Momente.
Als sie wieder kam, war sie beladen mit Tellern und Bechern. Harry hatte kurz das Gefühl, dass sie ihn alles vor die Nase setzte, was sie im Haus gefunden hatte.
"Kannst du mir sagen, was Draco gestern so aufgewühlt hat?", fragte Harry die Hauselfe leise und schob sich ein Stück Toast in den Mund.
Luna sah sich kurz eingeschüchtert um, als würde sie darauf achten, dass keiner sie hörte.
Harry war klar, dass die Hauselfen nicht viel, von dem was in den Wänden ihrer Herren geschieht sagen durften.
"Luna hat versucht den Artikel aus der Zeitung zu verstecken, doch Meister Draco fand ihn und Luna denkt, dass der Artikel den Herren sehr traurig gemacht hat".
"Ein Zeitungsartikel?"
Luna nickte aufgeregt und sah sich erneut paranoid um, ehe sie leise weiter sprach.
"Meister Draco will es nicht zeigen, aber Luna sieht es. Ihr Herr ist sehr einsam seit seine Eltern, fort sind. In der Nacht bevor der Herr wieder in die Schule musste hat Luna in weinen gehört. Er muss sehr traurig darüber sein, dass er niemanden hat der ihn zum Bahnhof bringt und ihn wieder abholt".
Harry musste seinen Toast schwer hinunter schlucken. Er hatte noch nie darüber nachgedacht.
Seine Eltern waren tot, aber selbst er wurde jedes Jahr von Mr und Mrs Weasley zum Bahnhof gebracht und über die Jahre hatten sie ihn am Anfang der Ferien auch jedes Mal wieder begrüßt. Draco hingegen musste dieses Jahr damit leben, dass ihm niemand verabschiedete und wenn er in wenigen Monaten die Prüfung hinter sich gelassen hat und mit einem Abschluss nach hause zurück kehrt wird wird niemand da sein, um ihn in den Arm zu nehmen oder um ihn zu sagen, dass man stolz auf ihn ist.
"Als Meister Draco der Schule verwiesen wurde hat Luna jeden Morgen den Tagespropheten abgefangen, um ihn vor Meister Draco zu verstecken. Luna wusste, dass es in der Zeitung stehen wird".
"Was stand in der Zeitung, Luna?" Nervös zerpflückte Harry ein paar Scheiben Toast.
"Die Zeitung berichtete darüber, dass Meister Draco Harry Potter töten wollte".
"WAS??" Harry war von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte mit seinen flachen Händen auf den Tisch gehauen. Das Geschirr hatte einen Satz nach oben gemacht und sein Becher, den Luna mit Kürbissaft gefüllt hatte, war umgefallen. Er merkte gar nicht, wie der Saft über seine Hände floss. "Aber wie..?"
"Luna weiß es auch nicht", sagte sie leise und schüttelte aufgeregt den Kopf.
Harry fuhr sich seufzend durch die Haare. Er konnte sich nicht erklären, wie der Tagesprophet an solche Informationen gekommen ist. Nachdenklich ließ er sich zurück in den Stuhl fallen.
Luna sagte nichts mehr. Sie kratzte nur noch aufgeregt auf ihrer eigenen Papierartigen Haut herum.
"Bist du hergekommen um mein Haus in Schutt und Asche zu legen?"
Harry schreckte leicht auf, als er Dracos Stimme vernahm.
Der Blonde stand im Türrahmen. Seine Miene war komplette ausdruckslos, er war barfuß und hatte nur eine Jogginghose an. Sein fast weißer Oberkörper war unbekleidet und auf seinem hellen Haar lag ein Handtuch.
Obwohl der Schwarzhaarige es gewohnt war dasselbe Geschlecht Oberkörper frei oder gar nackt zu sehen, immerhin spielte er Quidditch und duschte nach dem Training mit Ron und den anderen gemeinsam, riet sein erster Impuls ihm dazu sich von Draco wegzudrehen.
Ruckartig drehte der Gryffindor seinen Kopf. Er konnte spüren, wie seine Wangen langsam warm wurden.
"Ist was, Potter?" Harry konnte das ansteigende grinsen in seinem Gesicht deutlich hören. Er räusperte sich kurz und drehte sich dann wieder zu dem Blonden.
Erst jetzt bemerkte der Schwarzhaarige, dass er den Saft umgekippt hatte und auch sonst überall Toast verteilt lag.
"V-Verzeihung", stotterte er leise. "Ich mach das schon, Luna".
Die Hauselfe war gerade dabei Harrys Chaos aufzuräumen, als der Brillenträger seinen Zauberstab zog und mit einem Schwung den Dreck beseitigte.
"Tut mir leid".
"Worüber regst du dich so auf?" Draco rubbelte mit dem Handtuch über seine Feuchten Haare und setzte sich auf den Stuhl neben Harry. Die Hauselfe wollte den Blonden einen Teller vor die Nase stellen doch er winkte dankend ab. "Ich nehme nur einen Tee, wenn es dir nichts ausmacht". Die Elfe verneigte sich tief und stellte Draco wenig später eine Tasse Tee an den Tisch. In der zwischen Zeit hatte keiner der beiden etwas gesagt.
Draco zog eines seiner Beine an seinen Oberkörper und stützte seinen Tee darauf ab. Erwartungsvoll schaute er den Schwarzhaarigen an.
"I-Ich hab von dem Zeitungsartikel gehört..", flüsterte Harry.
"Oh", nuschelte Draco an seine Tasse und nahm einen Schluck daraus.
"Ich weiß nicht, woher der Tagesprophet diese Informationen hat..", sagte Harry. "Aber ich bin mir sicher, dass der Artikel die nächsten Tage widerlegt wird. Williams Vater ist ein hohes Tier im Ministerium, es wird nicht unbemerkt bleiben, dass sein perfekter Sohn von der Schule geflogen ist".
"Merlin, Potter", stöhnte Draco. "Du tust so, als ob das deine Schuld wäre. Außerdem interessiert mich dieser Artikel gar nicht".
"Dich interessiert der Artikel nicht?" Harry verzog seine Augenbrauen. "Du hast gestern dein komplettes Zimmer zerlegt..."
"Das ist ein Hobby", lachte Draco und nahm erneut einen Schluck Tee.
"Du hast komische Hobbys".
Draco musste leicht schmunzeln. "Wenigstens habe ich Hobbys. Du hingegen hast nicht besseres zu tun, als anderen Leuten hinterher zu rennen und ihnen auf die Nerven zu gehen".
Harry biss stumm von seinem Toast ab und ließ es dann zurück auf den Teller fallen.
"Ich hab dir gesagt, dass du mich jetzt an der Backe hast", nuschelte der Schwarzhaarige mit vollem Mund.
Lange blieb es still zwischen den Beiden. Harry aß weiter seinen Toast und Draco rührte stumm in seinem Tee.
"Potter.." Draco sprach leise und abgehackt. "Ich werde nicht wieder mit dir nach Hogwarts kommen".
"Wieso nicht?"
Kurz dachte Harry, er hätte so etwas wie zweifel in Dracos Augen gesehen.
"Ich kann das nicht", sagte er schließlich leise. "Ich kann nicht an einen Ort zurück, an dem mich jeder hasst und jeder mich tot oder im Gefängnis sehen will. Ich kann nicht an einen Ort zurück an dem jeder mich, als potenzielle Gefahr sieht".
"Ich hasse dich nicht und ich möchte dich auch ganz sicher nicht tot sehen. Ich sehe dich auch nicht als potenzielle Gefahr".
"Potter.."
"Nein warte, lass mich aussprechen".
Draco schaute Harry nicht mehr an. Er sah nur stumm auf sein Knie und hörte dem Schwarzhaarigen zu.
"Ich verstehe es, wenn du sagt, dass du nicht zurück kannst, dass es dich kaputt macht und du kein Bock mehr darauf hast.
Ich verstehe allerdings nicht, wie du denken kannst, dass du hier bleiben könntest. Dieses Haus macht dich kaputt, alles hier drin macht dich fertig und wütend. Du hast gestern dein Zimmer zerlegt und dich selbst verletzt, ob nun mit Absicht oder nicht spielt keine Rolle.
Wenn du hier bleibst kann ich dir nicht helfen, wenn du mit nach Hogwarts kommst, kann ich an deiner Seite sein, wenn du all das durchstehst, was du noch durchzustehen hast.
Ich weiß nicht als was du uns bezeichnen würdest, aber in meinen Augen sind wir Freunde und ich lasse meine Freunde nicht allein. Ich frage dich das nur ein einziges Mal, kommst du mit mir zurück und lässt mich an deiner Seite bleiben oder bleibst du hier, allein?"
Draco biss sich auf die Lippen, stellte seine Tasse auf den Tisch und schaute Harry dann direkt in die grünen Augen.
"Wozu sollte ich mitkommen? Damit ich in nicht mal drei Monaten wieder in diesem Haus sitze? Der einzige Unterschied dabei wäre, dass ich einen Abschluss habe, einstellen wird mich trotzdem keiner. Du, der sich ab heute anscheinend mein Freund schimpft, wirst dann als Auror keine Zeit mehr für mich und meine Probleme haben. Du wirst arbeiten und dich um das Weasley-Mädchen kümmern, sie heiraten und bald einen eigenen Sohn oder eine Tochter haben. Ich wäre eine einzige Last auf deinen Schultern, weil du dich, aus welchem Grund auch immer, mir gegenüber verpflichtet fühlst".
Harry stieg Wut den Hals empor.
"Ich fühle mich dir gegenüber nicht verpflichtet, Malfoy." Harry sprach seinen Namen abwertend aus." Ich möchte dir einfach nur helfen, weil ich dich so nicht sehen will, weil ich das Gefühl habe, dass wir gar nicht so unterschiedlich sind. Was Ginny angeht, wir haben Schluss gemacht".
Draco öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch Harry winkte ab und sprach einfach schnell weiter.
"Bevor du irgendetwas sagst, es ist nicht deine Schuld, verdammt. Wir funktionieren einfach besser als Freunde.
Wenn es nötig ist, dann helfe ich dir einen Job zu finden, natürlich ohne die Worte 'Harry' und 'Potter', denn ich weiß, dass dich das nicht glücklicher machen würde.
Und dieser verkackte Haus? Das verkaufen wir! Du ziehst zu mir! Ganz einfach, du kommst mit mir zum Grimmauldplatz".
"Was?" Dracos Augen hatten sich leicht geschockt geöffnet.
"Selbst wenn es nur eine Übergangslösung ist, dann ist es immer noch besser, als wenn du hier hin zurück kehrst. Ich nimm dich mit! Zieh bei mir ein".  

It's never too late, Potter - DrarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt