Als wir die unsichtbare Grenze überschritten hatten und der Schatten des Tores uns kurzweilig bedeckte bis wir außerhalb des Geländes waren spürte ich etwas, das ich seit langem nicht mehr gespürt hatte. Es war weder Heimweh noch Wehmut, es war das Gefühl der Freiheit. Ich hatte ganz vergessen wie es sich anfühlte. Ich zog die frische, eiskalte Luft durch meine Nase und ließ sie meine Lunge erfüllen.
"Gefällt es dir?" Ich sah nicht zu meinem Begleiter, der neben mir her ritt. Ich konnte nicht. Ich durfte nicht daran erinnert werden, dass trotz dieser neuen Errungenschaft die unsichtbaren Fesseln weiterhin meine Bestimmung waren.
"Wir werden einen schönen Tag verbringen." versprach mir Mister Norton und wurde schneller. Er ritt vor und ich blieb mit Sky stehen. Ich klopfte dem Hengst auf den Rücken und für einen Moment hatte ich den Drang abzuhauen. Doch als mein Führer seinen Kopf zu mir drehte und mich mit diesen eisblauen Augen ansah, war der Wunsch verschwunden. Ob aus Angst, dass es keinen Sinn machen würde oder aus einem anderen Grund der mir nicht gefiel, mochte ich nicht beurteilen.
"Kommst du?" Ich nickte und animierte meinen Gaul sich zu bewegen.
Eine Stunde ritten wir gemeinsam durch die Wälder, überall hing der Schnee auf den Ästen und vergrub die sonst so bunte Natur unter einem weißen Schleier, der wie unzählige kleine Kristalle glitzerte. Es war wirklich ein Winterwunderland.
"Ich schätze Sie wollen herausfinden ob ich diesen Ausflug als Flucht missbrauche oder?" fing ich schließlich an und blickte nach vorne.
"Muss ich mir darüber Gedanken machen? Ich hatte das Gefühl wir könnten von vorne anfangen." antwortet der Ältere.
Ich sagte dazu nichts, ich wollte diese Stille mit keinen dummen, unbedachten Worten zerstören.
"Weißt du Emily..." fing er zögerlich an und blieb mit seinem Pferd stehen. Die Tatsache, das ich es möchte wie er meinen Namen betonte gefiel mir kein bisschen.
"Ich weiß unser Start war holprig und ich verüble dir keiner deiner Aktionen oder Worte aber ich bin der Meinung, dass wir einen Schritt weitergehen sollten." Ich war ebenfalls stehen geblieben und sah nun zur Seite. Mister Norton sah mich nicht an, er starrte in die Ferne. Ich musterte sein Seitenprofil und musste leider feststellen, dass dieser Mann mit dieser verschneiten Kulisse und dem schwarzen Hengst wie ein Prinz aussah. Ich kniff die Augen kurz zusammen und versuchte mich auf das Gesprochene zu konzentrieren.
"Was genaue meinen Sie damit?" Mister Norton stieg ab und nahm die Zügel in die Hand.
"Folge mir!" Er ging auf meine Frage gar nicht ein sondern ging wieder vorweg. Ich stieg ebenfalls ab und nahm Sky mit mir. Dieser Hengst war wirklich fantastisch. Wir stiegen einen Hügel empor und landeten auf einer kleinen Lichtung inmitten von Bäumen. Hier lagen Felle in einem offenen Zelt, davor ein Feuer. Ich staunte nicht schlecht. Mister Norton nahm mir Sky ab und band ihn, wie er es mit seinen Hengst getan hatte, an einen Baum. Ich erblickte allerlei Köstlichkeiten. Ein Picknick inmitten der verschneiten Bäume. Ich war überwältigt von dieser Schönheit. Mein Begleiter reichte mir seine Hand. Ich nahm die Geste an und er brachte mich zu dem Feuer und den Delikatessen.Er drehte sich zu mir um und nahm meine andere Hand ebenfalls in seine. Ich sah zu seinem Gesicht empor und spürte so etwas wie Aufregung.
"Emily. Mein Name ist Nicholas Norton. Ich möchte, dass du mich nicht mehr mit Sie ansprichst." stellte er sich vor und gab mir einen Kuss auf den rechten Handrücken. Nicholas? Ich hatte die ganze Zeit über wirklich keine Ahnung gehabt wie er hieß. Das hatte mich auch nie wirklich gestört. Diese Anonymität brachte eine Art Abstand, die es nun nicht mehr gab.
"Emily." sagte ich leise und lächelte.
"Gut Emily, essen wir doch etwas oder was meinst du?" sagte er und erwiderte mein Lächeln.
"Sehr gerne Nicholas." sagte ich und verbeugte mich leicht. Gemeinsam gingen wir zum warmen Feuer und setzen uns. Er reichte mir wie angekündigt eine Tasse Glühwein und einen Teller. Ich bediente mich an den Gaumenschmaus und fand, dass das einer der besten "Dates" war die ich je hatte. Bei dem Gedanken schlug ich mir selber gegen die Seite. Date? Was war nur mit mir los.Nachdem wir gegessen und zwei Tassen Glühwein getrunken hatten saßen wir einfach nur da und lauschten dem Knistern des Feuers. Ich fühlte mich wohl, daran war der Alkohol nicht ganz unbeteiligt gewesen.
"Machst du das hier mit jeder deiner Errungenschaften." fragte ich und starrte in die modernen Flammen.
"Nein, mit niemanden zuvor, habe ich so ein Picknick zelebriert." antwortet er und setzte die Tasse an seine Lippen. Er schien nachdenklich.
"Für einen Moment glaubte ich, dass du mich gar nicht hier haben willst." spielte ich auf den Vortag und seine Worte an.
"Weißt du Emily... manchmal will man etwas so sehr und im nächsten Moment ist man sich nicht mehr sicher." Er nahm einen Schluck und drehte sein makelloses Gesicht zu mir.
"Ich habe keine Ahnung wer du bist... ich kenne dich nicht... nur deine Fassade ist mir bekannt mehr nicht." gestand ich dem Mann, der den Kopf leicht schief legte.
"Was willst du wissen?"
"Lieblingsfarbe?"
"Rot!"
"Lieblingsessen?"
"Ganz langweilig, Burger!"
"Burger?" fragte ich nach und hatte mich sicherlich verhört. Doch ein Nicken zeigte, ich hatte richtig gehört.
"Fettige, altmodische Burger kein Schnick Schnack einfach Fleisch, wenn es sein muss Salat und Gurken." Ich musste bei der Vorstellung, wie er ein Burger aß schmunzeln.
"Ok Lieblingsgetränk?"
"Bier!"
"Bier?" das passte so gar nicht zu dem Mann neben mir. Ich hatte ihn bisher immer nur mit Wein oder einem anderen teuren Tropfen gesehen.
"Bier während ich einen fettigen Burger esse." sagte er nüchtern und ich lachte auf. Das Bild war herrlich.
"Hast du geglaubt ich sei nicht normal? Hast du geglaubt ich sei kein Mensch?" Ich nickte und ließ das Lachen verstummen.
"Irgendwie schön... und weißt du was noch schöner wäre?" murmelte ich und verlor mich beinahe in seinen Augen.
"Nein was denn?"
"Wenn der Eindruck so bleiben würde..." beendete ich meinen Satz und schluckte.
"Ich weiß Emily aber ich bin nun mal so wie ich bin und du hast das Recht mich genauso kennenzulernen mit meinen Ecken und Kanten." Das was er sagte machte ihn menschlich und für mich greifbar. Die Kühle, die ihn umgab war verschwunden, sie wich einem warmen Wesen im Inneren dieser perfekten Hülle aus Kälte und Anmut.
"Du manipulierst mich." sagte ich und hob einen Finger. "Darauf falle ich aber nicht herein." sagte ich und bewegte den Zeigefinger als Verstärkung meiner Worte nach links und rechts. Nun lachte mein Gegenüber auf.
"Du bist unverbesserlich." Er ließ sich nach hinten fallen und stützte sich mit seinen Ellbogen ab. Er ließ seinen Blick zum Feuer gleiten und schien entspannt. Ich hingegen konnte mein Gesicht einfach nicht abwenden. Je mehr ich ihn mir ansah, desto perfekter wirkte er. Ich musste ihn hassen und doch war kein Hass zu finden.
"Was denkst du?" fragte Nicholas als er meinen Blick einfing.
"Warum du es nötig hast einen Menschen wie mich zu entführen... glaubst du nicht, dass ich auch ohne einen brutalen Unfall mit dir gekommen wäre?" Ich sollte den Mund halten aber das konnte ich nicht, der Alkohol sprach aus mir.
"Glaubst du das wirklich?" Ich überlegte und nickte schließlich.
"Wie kannst du glauben, dass du das getan hättest? Bist du wirklich der Meinung, dass ich dich einfach hätte fragen können. Frei nach dem Motto: Hast du Lust für immer in meiner Villa zu leben eingesperrt wie ein wildes Tier?" Warum wurde er nun so gemein, seine Nettigkeit war verflogen und er wirkte aufgebracht. Warum gefielen ihm meine Worte nicht?
"Ich also... ich meine ich weiß nicht..." stammelte ich vor mir her und konnte seinen plötzlichen Sinneswandel nicht nachvollziehen.
"Das ist naives Gerede ich hatte mehr von dir erwartet." Nicholas stand auf und nahm seine Jacke, die er anzog.
"Wir sollten zurück es wird dunkel und es beginnt zu schneien!" wies er mich an und löschte das Feuer mit einem Eimer Wasser. Dunkler Qualm stieg auf ich saß da und hatte das Gefühl ich war im falschen Film. Ich richtete mich auf und zog ebenfalls meine Jacke an. Ich sagte nichts zu seiner Art und folgte ihm zu den Pferden. Ich wurde wütend, wütend über sein Benehmen. Es kam mir so vor als würde er die Wand wieder aufbauen, die er nur wenige Momente zuvor von sich aus, eingerissen hatte.Eine ganze Weile ritt ich stumm hinter ihm her, es schneite immer mehr und die Dunkelheit begrüßte uns schon bald zwischen den Bäumen.
"Sag mal was ist eigentlich dein Problem?" fragte ich ihn, als ich mich endlich entschied nicht mehr den Mund zu halten. Doch die Reaktion blieb aus.
"Warum sollte ich nicht mit dir gehen wenn du mich auf eine normale Art und Weise gebeten hättest!" Er blieb stehen und drehte sein Gaul zu mir um. Er kam die wenigen Meter zu mir geritten und stand nun genau neben mir, er sah mich direkt an. Das Mondlicht, dass sich mühevoll durch die schneegefüllten Wolken drängten zeigte mir sein Gesicht.
"Weil ich ein Monster bin... das hast du doch mittlerweile begriffen!"
"Ein Monster das perfekter nicht sein könnte!" meinte ich nüchtern. "Du siehst aus wie ein verschissener Prinz Charming." fuhr ich unbeirrt fort.
"Oberflächlichkeiten, Emily, halten einen nicht..."
"Grausamkeiten auch nicht." fiel ich ihm ins Wort. Ich wurde einfach kein bisschen schlau aus ihm. Wollte er mich nun bei sich haben oder nicht? Wollte er, dass ich ihn kennenlernte oder nicht?
"Wir sollten weiter."
"Warte!" sagte ich schnell und griff nach seinen Zügeln. Er sah von meiner Hand zu meinem Gesicht.
"Das vorhin hat mir gezeigt, dass du ein netter Kerl bist warum willst du das jetzt wieder zerstören?" Er riss mir die Zügel aus der Hand.
"Weil das nicht die Wahrheit ist!"
Er lenkte sein Pferde wieder nach vorne.
"Das widerspricht sich aber... du sagtest ich bin es wert dein wahres Ich kennenzulernen. Dein wahres Ich, das Bier und Burger mag."
"Vielleicht war das ein Fehler!" Er wurde schneller. Ich folgte ihm.
„Ein Fehler? Du hast mich hierher gebracht um einen Fehler zu begehen? Nein, du wolltest mir die Chance geben dich kennenzulernen! Das war der Plan!"
"Emily es reicht!" knurrte er nun.
Doch bevor er etwas weiteres sagen konnte hörten wir in der Ferne einen Wolf aufheulen, dieses Heulen erschreckt Nicholas Gaul, der mit einem Satz die Vorderbeine in die Höre riss und seinen Reiter abwarf. Ich sah wie Nicholas vor mir vom Pferd fiel und auf den Boden landete. Er keuchte auf, als sein Körper den Grund erreichte. Ich reagierte und ritt zu ihm herüber. Er bewegte sich nicht.
"Nicholas?" rief ich aufgebracht und stieg blitzschnell von meinem Pferd. Er keuchte und sah mich mit geweiteten Augen an.
"Ich kann mich nicht bewegen..." flüsterte er. Ich kniete mich vor ihn und hob seinen Kopf leicht hoch. Er schrie auf. Erst jetzt sah ich, dass er mit seinem Rücken auf einer Wurzel gelandet war. Ich ging die Situation durch und erkannte, dass war meine Chance. Er war hilflos! Ich konnte abhauen, mir Sky schnappen und davonreiten. So weit weg, dass er mich nie wieder fand. Er war ein kranker Mann, der mich auch weiterhin fertigmachen würden. Ich legte seinen Kopf wieder in den Schnee und stand auf. Er sah zu mir empor. Ich erkannte Panik in seinem Blick
"Emily..." flehte er regelrecht. Er erkannte meine Gedanken, er wusste dass ich die Flucht in Erwägung zog.
"Bitte!" Ich ging rückwärts mein Blick auf ihm ruhend. Dann wandte ich mich von meinem Entführer ab und stieg auf Sky.
"Karma...Mister Norton, Karma!" dann ritt ich los und ließ den verletzten Mann dort liegen, inmitten der verschneiten Umgebung. Vielleicht würde er hier draußen sterben, das glaubte ich aber eher weniger sie würden ihn schon bald suchen und dann würden sie sich um ihn kümmern und ich?Ich wäre schon weit über alle Berge.
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Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)
Mystery / Thriller"Hättest du mich gesucht?" "Überall!" "Was wenn du mich schließlich gefunden hättest?" "Dann hätte ich dich zurückgeholt..." Nun lächelte er. "Zurück hierher?" "Zurück hierher...!" "Warum?" "Eines sollte dir gesagt sein... ich werde...