kalter Kakao

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Ich blickte auf die Gräber derer, die die Anwesenheit von Nicholas nicht überstanden hatten und fragte mich warum er sich überhaupt Mühe mit mir gab. War er nicht derjenige der sich immer dann zurück zog wenn es emotional intim wurde? Was sollte dieses Date schon mit sich führen? Intimität war sicherlich kein absurder Gedanke. Standard für ein Date. Zumindest kannte ich diese Äußerungen von meinen Freundinnen.

Seufzend, führt ich die Tasse an meine Lippen und nahm ein Schluck Kakao. Auf der einen Seite ertrug ich diesen Ort kaum und doch schien er mir gerade in diesem Moment gut zu tun. Ich hatte das Gefühl, dass ich genau hier die Möglichkeit hatte mit Gleichgesinnten zu kommunizieren auch wenn sie stumm blieben und mir keine meiner quälenden Fragen beantworten konnten. Jede einzelne hatte Nicholas auf eine Art und Weise kennengelernt wie nur sie ihn kannte. Keine hatte sicherlich dasselbe durchgemacht wie die andere. Oder waren wir uns doch vielleicht ähnlicher als ich es ahnte?

„Was machst du hier?" hörte ich eine Stimme hinter mir.
„Ich begutachte meine Zukunft, die wohl auf mich wartet wenn ich es nicht schaffe abzuhauen." Murmelte ich und zog den Mantel zu. Es war wieder eiskalt, dieser Winter war härter als jeder den ich bereits erleben durfte. Hier schien alles viel intensiver und grausamer sein.
„Du haust aber ab also was machst du hier?" ließ der ungebetene Gast nicht locker und stellte sich neben mich. Ich roch Alkohol und Zigarettenrauch. „Eines verstehe ich nicht du scheinst mich wirklich nicht ausstehen zu können und doch hilfst du mir!" flüsterte ich und führte wieder die Tasse erneut an meine Lippen. Die Hitze des Getränks war vergangen und übrig blieb eine süße, kalte Flüssigkeit.
„Oh, Emily du kannst dir gar nicht vorstellen wie gerne ich deinen Körper genau hier unter die trostlose Erde bringen will!" sagte Ivan als würde er alleine durch den Gedanken daran glücklich sein. Mit einem leisen Knacken in meinem Nacken drehte ich den Kopf zu meiner rechten und sah den Russen erschreckt an. Kein Lachen nicht mal ein Zucken seiner Mundwinkel war zu erkennen.
„Du meinst das ernst..." stellte ich mit einer aufkommenden Nüchternheit fest. Erst jetzt wandte auch er sein Gesicht zu mir und fixierte mich mit seinen glasigen Augen.
„Jedes Wort ... jede Silbe...!" hauchte er und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen.
„Nur leider würde mich der Hausherr lynchen, sobald ich dir auch nur eine Haarspitze krümme." Diese Aussage ließ mich aufatmen, er hatte Recht. Nicholas würde ihn sicherlich bestrafen. Diese Sicherheit tat gut.
Kurz darauf beobachtete ich jedoch seine rechte Hand die auf mich zukam, ich konnte nicht zurückweichen so schnell ging das. Er schnappte sich meinen Arm und zog mich zu sich. Ich ließ meine Tasse fallen und blickte in das kalte Gesicht des Mannes, der mir als Einziger die Wahrheit offenbarte. Seine Gedanken, seine Wünsche. Selbst wenn diese nur verstörend auf mich wirkten. Ich roch seinen Atem. Der Geschmack von Alkohol und Zigaretten legte sich auf meine Zunge. Mit der anderen Hand, mit der er zuvor noch den Glühstengel gehalten hatte, umfasste er einer meiner Haarsträhnen und legte den Daumen auf meine Spitzen. Mein Blick glitt zu meinen Haaren, die er in meinen Blickwinkel zog und fixierte dabei weiter mein Gesicht. Er knickte sie um. Mir war klar was er mir damit symbolisieren wollte. Mit einem unguten Gefühl sah ich wieder in sein Gesicht, sein markantes, bleiches Gesicht.
„Ups." Hauchte er und ein selbstgefälliges Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Das macht dir Spaß, mich zu verunsichern!" murmelte ich und griff nach seiner Hand, die meine Haare weiterhin festhielten.
„Mir ist nicht viel mehr Spaß geblieben als das hier." Grinste er. Ich zog meine Strähne durch seine Finger und wollte mich aus dieser Situation befreien. Doch das ließ er nicht zu. Er hielt mich weiterhin fest und legte dabei das Grinsen nicht ab.
„Weißt du Emily ich bin schon ziemlich lange hier..." Er hielt inne. „Du willst doch immer die Wahrheit, hier hast du meine!"
„Kannst du mir die Wahrheit nicht mit ein wenig mehr Abstand offenbaren?" meinte ich und drückte mich gegen die Brust des Größeren ab.
„Ich bin der Meinung, dass genau das hier perfekt ist... soll doch sonst keiner mitbekommen was ich dir jetzt erzählen werde!" Er kam mir mit seinem Kopf noch etwas näher.
„Ok." Willigte ich ein und versuchte den Größeren nicht zu verärgern.
„Ich bin seit einer gefühlten Ewigkeit hier und genieße es... aber ganz ehrlich ich habe sämtliche Weiber gevögelt... irgendwann wird es langweilig und immer wenn ein neues Opfer von Mister Norton ihren unfreiwilligen Weg hierher fand habe ich mich gefreut... das hieß für mich endlich Frischfleisch!" Damit hatte ich nicht gerechnet, das Gesagte überforderte mich und genau das schien Ivan zu merken. „Vor dir gab es eine ziemlich lange Durststrecke..."
„Ich dachte du und Chloe!" unterbrach ich ihn und versuchte nicht verunsichert zu wirken.
„Sie ist gut aber auf Dauer... weißt du ich bin nicht geeigent für eine feste Beziehung... ich brauche Abwechslung. An dem Tag, an dem du dann hierher kamst musste ich mich mit dem Gedanken erst einmal anfreunden...  du entsprichst nicht ganz dem Frauenbild, das ich gut finde... aber nach und nach habe mich an die Fantasie gewöhnt."
„Ok Ivan was genau willst du mir sagen?!" knurrte ich nun und merkte wie mir die Lust verging dieses Spielchen weiter zu spielen.
„Ganz einfach Emily... übermorgen bist du weg und damit ich dir helfe will ich was von dir... ich werde übermorgen Abend zu dir kommen, sagen wir drei Stunde vor Abfahrt und dann kannst du mir beweisen wie wichtig dir die Flucht wirklich ist!" Das Grinsen war verschwunden was blieb war ein ernster Blick, der mich durchbohrte. Das war kein Scherz, das war sein vollster Ernst. Ich holte aus und gab ihm eine Ohrfeige. Ohne das ich reagieren konnte, holte auch er aus und traf meine linke Wange mit seiner Hand. Ich drehte automatisch meinen Kopf zur Seite und spürte das Pochen.
„Gewalt find ich gut Emily, sehr sogar nur lass dir nur eins gesagt sein, ich bin derjenige der prügelt!" erst jetzt ließ er mich los, ich ging sofort einige Schritte zurück und sah ihn an. Er sollte keine Schwäche sehen und doch kämpfte ich mit größter Mühe gegen die Tränen.
"Kein Wort Emily... kein Wort!" mahnte er mich und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Kein Buchstabe schaffte es über meine Lippen. Ivan ließ mich glücklicherweise alleine vor den Gräbern stehen und verschwand mit einem zufriedenen Pfeifen. Ich starrte ihm mit verschwommener Sicht nach und ballte die Fäuste.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt