Nicholas gibt es nicht mehr

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Es würde nun nur noch wenige Tage dauern bis ich die Stimmen meiner Familie hören würde. Die Aufregung darüber wuchs stetig an und ließ es kaum zu, dass ich ruhig blieb. Ich hatte mein Zimmer bezogen und bereits zwei Nächte dort verbracht. Marcus ließ mich zur meiner Überraschung in Ruhe und schaute nur sehr selten vorbei. Wenn er dann mal da war konnte ich die Fürsorge seiner Schäfchen gegenüber erkennen und musste an meinem anfänglichen Eindruck zweifeln. War er vielleicht nicht ganz so beschissen wie ich es zuerst gedacht hatte? Ich saß auf dem Sofa und lauschte dem Radio, als die Ruhe seinem Ende nahekam. Nachdem ich sämtliche Nachrichten über die aktuellen Ereignisse auf diesem Planeten gehört hatte sehnte ich mich in die Zeit zurück, die mich mit Ahnungslosigkeit in Watte gepackt hatte und mir die Grausamkeiten dieser Erde ersparte. Der Leiter dieser Anstalt schloss die Türe auf und trat ein. Die anderen drei waren irgendwo im Haus unterwegs nur ich musste hierbleiben.

„Emily wie geht es dir heute?" fragte er mich und stellte seinen Koffer auf den Tisch vor dem Sofa. 

„Besser die Wunde scheint endlich abzuheilen!" verkündete ich und warf die vorher angewinkelten Beine über die Kante der Sitzfläche, damit ich ihn bei seiner Tat beobachten konnte.

„Ich werde mir das jetzt mal ansehen." Er kramte eine Schere hervor und kam auf mich zu. Ich legte mich auf den Bauch und vergrub mein Gesicht in meinen Armen. Die Berührungen von Marcus sah ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Ich wusste, dass er seine Augen sicherlich nicht nur auf meine Wunde richten würde. Als er den Verband aufschnitt war das kalte Eisen der Schere war an meiner Haut zu spüren und bereitet mir eine Gänsehaut. Ich legte den Kopf schief als ich merkte, dass er wirklich nur seine Arbeit tat und keine Anstalten unternahm mir unangebracht nahe zu kommen. 

„Wie gefällt es dir hier in deinem neuen Umfeld?"

"Was genau meinst du? Im Gegensatz zu Nicholas Herrenhaus oder im Gegensatz zu meiner Zelle von vor einigen Tage?" wollte ich wissen und wusste, die Frage provozierte ihn.

"Ich meinte die Zelle!"  blieb er unerwartete ruhig und versorgte dabei meine Wunde

„Es ist nett..." gestand ich leise und sah zu ihm rüber, wie er konzentriert seine Arbeit verrichtete. In diesem Moment kam er mir harmlos vor, wie ein normaler Mann, der einfach nur Gutes tat. Doch das war nur ein Trugbild!

„Ich schätze die drei haben dich bereits aufgenommen und freuen sich über deine Anwesenheit." Fuhr er fort und trug eine Tinktur auf, die unangenehm brannte. Ich kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht.

„Shit." Brummte ich vor mir her.

„In der Tat der Heilungsprozess kommt langsam auf Touren!" bestätigte er meine Aussage und verband mich neu. Ich drehte mich um, dabei fing er meinen Blick auf.

„Nur noch wenige Tage, dann ist es soweit... aber Emily ich kann dafür natürlich etwas fordern, das ist dir klar!" Ich schluckte bei dem Beginn seiner Ansage. War ja klar, dass auch er nichts ohne Gegenleistung machte.

„Was?" fragte ich mit trockener Kehle und fürchtete die Antwort.

„Du wirst kein Wort mehr über Nicholas verlieren!" Ich weitete meine Augen und versuchte zu verarbeiten was er mir da sagte.

„Marie hat mir gesagt, dass du ihnen von Nicholas erzählst und ihn ständig erwähnst. Diesen Mann gibt es für dich nicht mehr." Marcus hockte vor mir und sah mich auf eine Art und Weise an, die ich kaum in Worte fassen konnte. Er wirkte nicht sauer oder ernst eher als würde er das mit Recht von mir fordern können.

„Also... ich!"

„Emily das musst du mir versprechen kein Wort mehr! Wir werden deine Erlebnisse gemeinsam bewältigen aber du wirst ihn ohne meine Aufforderung nicht mehr erwähnen." Ich vernahm diesen Unterton, der ganz klar aufzeigte, dass es nur eine Frage der Zeit war bis er die Geduld verlieren würde.

„Natürlich!" flüsterte ich und wusste für mich, diese Forderung war nicht zu befriedigen. Es wunderte mich ein wenig, dass er tatsächlich so eine Banalität von mir verlangte. Er konnte Nicholas nicht dulden nicht mal, wenn er nur wörtlich erwähnt wurde?

„Hast du noch irgendetwas hier was dich an ihn erinnert?" Ich stockte, wusste er von dem Bild? Unmöglich! Ich schüttelte den Kopf und zwang mir ein Lächeln auf.

Er starrte mich regelrecht an, sicherlich wollte er prüfen ob ich meine Aussage nicht doch noch revidieren wollte. Als er mein Lädchen erwiderte entspannten sich meine Gesichtszüge und das Lächeln wurde lockerer.

„Dann ist ja gut." Meinte Marcus und verstaute die Schere. Er schloss den Koffer und stand auf.

„Das ist alles?" fragte ich vorsichtig.

„Vorerst Emily, vorerst!" 

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt