Das Siegel

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Nur langsam öffnete ich eines meiner Augen um es an die nach der Dunkelheit folgende Helligkeit zu gewöhnen. Reflexhafter sah ich in die Ecke, in der Leah nach wie vorlag. Das beruhigte mich ein wenig. Dann vernahm ich den Geruch von Feuer und  ein Knistern. Dort musste Feuer im Kamin lodern. Ich sah zu der Quelle der im Zimmer herrschenden Wärme und erblickte den blonden Mann, der in einem neuen Anzug gekleidet in die Flammen starrte. Ich lag in Marcus Bett und konnte mich kaum bewegen. Dieser Zustand war mir nun mehr als bekannt.
Marie erschien am Rande meines Sichtfeldes und stellte sich neben mich ans Bett.
„Was hast du vor?" fragte ich und konnte kaum sprechen. Mein Hals, meine Zunge und meine Lippen waren zu trocken. Ich öffnete mein zweites Auge und erblickte eine Kamera, die er an einem schwarzen Schultergurt trug.
„Ich verstehe dich schlecht Emily. Sprich doch etwas deutlicher." Forderte mich der Irre grinsend auf.
„Ich habe Durst..." sagte ich und hoffte er würde darauf reagieren. Nicht er sondern Marie tat es und kam zur meiner Überraschung zu mir. Doch bevor sie die Flasche vom Nachtisch nehmen konnte mischte sich Marcus ein.
„Du hast schon genug geholfen." Meinte er ernst und schob sie zur Seite. Der Psychologe nahm die Flasche Wasser von dem Nachtisch zu meiner linken. Marie hatte sich etwas entfernt und beäugte des Geschehene konzentriert. Marcus nahm neben mir auf der Bettkante Platz und drehte sich mit der Flasche Wasser zu mir. Ich versuchte meine Hand danach auszustrecken ohne Erfolg, sie war noch zu schwach. Er glitt mit einer Hand unter meinen Kopf und hob ihn leicht an, mit der anderen hielt er mir die Flasche samt Strohhalm vor das Gesicht.
So war es mir möglich zu trinken.
„Das es so laufen musste, tut mir leid. Aber du bist nicht ganz unschuldig!" Fing er an als ich hastig das Wasser in mich aufnahm, dabei verschluckte ich mich vor Gier und hustete. Er nahm das Trinken weg und legte den Kopf schief.
„Du siehst richtig hübsch aus! Marie du hast wirklich fabelhafte Arbeit geleistet. Dafür hast du eine Belohnung verdient!" meinte er leise und stellte die Flasche wieder weg. Ich musste einen kurzen Blick zu Marie riskieren und erkannte ihre Freude. Warum wachte sie nicht auf?
Langsam erhob er sich und legte dabei den Schultergurt um seinen Hals und hielt die Kamera vor sein Gesicht. Ein kurzer Blitz und das Bild war geschossen.
„Was wird das hier?" keuchte ich.
„Ein paar Erinnerungsfotos. Ich habe auch ein paar von deiner blonden Freundin!" Er drehte die Kamera mit dem Display zu mir und offenbarte mir die Leiche.
„Schade, dass Fiona so naiv war und glaubte ich würde das mit ihr und Thomas nicht herausbekommen!"
„Fiona...?" wiederholte ich und verstand seine Aussage nicht.
„Ah stimmt, du kennst sie ja nur unter dem Namen Samantha oder wie du sie genannt hast Sam." Ich blinzelte und versuchte die Verwirrung bei Seite zu schieben. Marcus machte keine Anstalten mir eine Erklärung zu liefern.
„Ich muss sagen, es gefällt mir nicht, wie du in den Seilen hängst!" sagte er und beäugte dabei das geschossene Bild.
Er sah auf und holt eine kleine Fernbedienung aus seiner Hosentasche. Als er diese betätigte fuhr die Matratze etwas hoch und richtete mich auf. Meine Schultern schmerzten, mein ganzer Rücken knackte als ich in die aufrechte Position gezwungen wurde. Marie kam hastig zu mir rüber und richtete meine Haare. Sie legte diese über meine Schulter und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Viel besser." Freute sich der Mann, der wieder ein Bild von mir machte.
„Wie lange soll das hier noch dauern?" fragte ich kraftlos und fixierte sein Gesicht anstatt die Kamera. Marcus beäugte das Display und legte sein Werkzeug dann weg. Ganz in Ruhe holte er sich den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand und zog ihn zu mir ans Bett. Genüsslich ließ er sich nieder. Mit überschlagenden Beinen sah er mich an. Wieder drückte er auf die Fernbedienung in seiner Hand und meine Aufmerksamkeit wurde von einem  flimmernden Bildschirm, an der Wand mir gegenüber, angezogen. Doch ich kämpfte gegen den Drang an. Ich wusste was er vor hatte und diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben.
„Du hast ihn bereits gesehen aber dabei konnte ich deine Reaktion gar nicht aufnehmen. Dein frühes Erwachen hat mir einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Das muss ich zugeben. Ich musste ein wenig umdisponieren." Ich bekam im Augenwinkel mit wie er sich die Kamera schnappt und ein Bild schoss. Er wirkte keineswegs erfreut als er begriff, dass ich nicht so reagiert, wie er es geplant hatte.
Er schnipste und Marie war sofort zur Stelle. Sie griff nach meinem Gesicht und richtete es zum Fernseher. Ich schloss die Augen.
„Tu dir selber den Gefallen und sieh hin..." knurrte sie und mir war bewusst, die Methode, mit der sie mich zwingen würde wäre nicht angenehm.
Ich öffnete meine Augen und blickte zu dem Bildschirm vor mir an der Wand. Ab diesem Moment an konnte ich mich nicht mehr von dem Gesicht im Fernsehern lösen. Das spürte auch die Rothaarige und ließ von mir ab, damit Marcus ein Bild schießen konnte. Was spielte das noch für eine Rolle? All meine Hoffnungen und Kraftreserven lösten sich auf. Er hatte keine Ahnung, dass ich hier war. Ich schluckte schmerzlich und musste mich zusammenreißen um nicht in Tränen auszubrechen. Ich hatte den falschen Weg gewählt, anstatt an seine Stärke zu glauben hatte ich mich auf mich verlassen. Auf mich und meinen Instinkt. Dabei hätten mich meine letzten Entscheidungen bereits lehren müssen, dass ich nicht gut darin war die richtigen zu treffen.
„Warum...?" hauchte ich nur und konnte nicht wegsehen. Ich wollte, dass er mich rettete, dass er mich mit sich nahm und endlich rausholte aus diesem Albtraum. Er war doch der Held in der Geschichte oder war er das nie gewesen?
„Es wird an der Zeit, dass du verstehst warum dir das alles hier widerfahren ist! Meinst du nicht auch?"
Ich zuckte mit den Achseln. Ich wusste nicht mehr ob ich es wissen wollte und ob es noch eine Rolle spielen würde. Ich war nicht mal mehr gespannt darauf, was für kranke Gedanken dieser Psychopath mir nun offenbaren würde. Mein Blick glitt wiederwillig zu Marcus, der von meiner Reaktion nicht begeistert zu sein schien. Er ließ die Kamera sinken und legte sie zur Seite.
„Nun, im Prinzip ging es hier gar nicht um dich Emily. Du bist nur aus dummen Geschehnissen und unglücklichen Aneinanderreihungen von Situation hier reingerutscht. Es geht und ging schon immer ganz alleine um Nicholas!" fing er an während sich sein Körper anspannte. „Als ich deine Genesungsfortschritte kontrollieren kann und um dich zu untersuchen hatte ich bereits das Gefühl, dass du ihm sehr wichtig bist und genau das bestätigte sich kurze Zeit später. Du musst wissen, Nicholas ist nicht gerade die Art von Mensch, die viel redet." Damit hatte er nicht unrecht. „Aber seine Art und Weise wie er sich dir gegenüber verhielt und dass er dich auf der Gala vorgestellt hatte war Beweis genug. Du hast ihm etwas bedeutet!" Seine Worte trafen mich tief, sodass ich die Tränen kaum zurückhalten konnte. Jedes seiner Worte schmerzte wie ein Messerstich direkt ins Herz. Eine Träne bannte sich den Weg über meine Wange. Ich wollte keine Schwäche zeigen, doch war ich auch nicht mehr in der Lage stark zu sein.
„Warum das alles?" hauchte ich und bewegte meine Hand langsam zu meinem Gesicht. Ich wischte mir die Träne weg und sah mein Gegenüber weiterhin nüchtern an.
„Du verstehst es nicht oder? Ich nehme ihm das, was ihm so viel bedeutet, weil er mir etwas genommen hat was mir viel bedeutete!" schrie er nun und sprang dabei auf. Der Stuhl fiel durch die ruckartige Bewegung nach hinten und landete mit einem lauten Aufprall auf dem Boden. Direkt schoss mir das Bild seiner Schwester durch den Kopf. Ich wollte gar nicht aktiv über sein Gerede nachdenken aber das passierte komplett unkontrolliert. An meinem Blick schien er zu sehen, dass ich begriffen hatte.
„Genau meine Schwester Leila! Er hat sie mir genommen und ich habe lange warten müssen bis ich etwas fand, was ich ihm nehmen konnte woran er leiden würde!" Ich atmete tief ein und dachte nun doch über das Gesagt nach. War Leila vielleicht Kathleen gewesen? Dafür sprach viel und das ganze ergab Sinn. Sie war die Einzige, die nach Valentins Aussage überhaupt Bedeutung für ihn hatte. Vielleicht hatte er sie kennengelernt und mit sich genommen. Ein Hoffnungsschimmer entfachte sich in mir. Ich musste Marcus klarmachen, dass ich mit ihr nicht zu vergleichen war.
„Du hast dich in etwas verrannt." Begann nun ich und versuchte meine lasche Körperhaltung zu stabilisieren. Ich hatte so gut wie keine Kraft und schaffte es nur mit Mühe.
„Ich bin ihm nicht wichtig gewesen, sonst hätte er mich gesucht und gefunden! So wie er mir einst gedroht hat!" ich hielte inne und ließ meine Emotionen abflachen. „Doch das hat er nicht!" beendete ich meine Antwort und alleine bei der Aussprache dieser bitteren Worte wurde die Realität noch ein Stück klarer.
„Nein Emily, du irrst dich. Er hat dich gesucht und er tut es noch. Er hat mich oft angerufen und mich gefragt ob ich etwas gehört habe, ob vom Krankenhaus oder sonst wo. Ich habe nie irgendwo angerufen. Ich habe ihn belogen und behauptet, dass du nirgends aufgefunden wurdest alles nur für diesen einen Augenblick indem ich ihm die schmerzen zufüge, die ich einst spüren musste!"
„Das ist nicht zu vergleichen." Schrie ich los.
„Du hast deine Schwester verloren, das ist ein Schmerz den mein Verlust keineswegs gleichkommt!"
„Da hast du nicht unrecht aber alleine die Tatsache, dass er verzweifelt wirkte. Der große Nicholas Norton war ratlos. Du magst mein Verhalten nicht nachvollziehen können aber es tat mir gut! Es war wie Balsam für meine Seele."
Er wandte mir den Rücken zu und ging zu Marie. Er flüsterte ihr etwas in Ohr und sie verschwand aus dem Raum. Danach widmete er sich wieder meiner Person. „Als ich dich das erste Mal sah, wusste ich einfach, du bist was Besonderes... Nicholas hatte immer ein gutes Händchen für die jungen Frauen... aber nie war mein Interesse größer und seines auch nicht!"
„Er wird dich umbringen!" wurde ich nun leiser.
„Er wird nicht wissen, dass ich es war der dich festhält und nicht freigegeben hat. Ich muss zugeben, dass ich von meinem ursprünglichen Plan abgewichen bin. Ich hatte vor, dich zu ermorden und ihm ein Video unterzujubeln, das deinen Tod zeigt." Bei den Worten verhärteten sich meine Muskeln ungewollt. Die Panik vor diesem kranken Mann erwachte wie aus dem Nichts.
„Beruhig dich, es war mein anfänglicher Plan aber ich habe bemerkt, was für ein Mensch du bist und dass du mir guttust. Mehr als die anderen vor dir. Dein Tod wäre mittlerweile selbst für mich nicht zu verkraften." Marcus kam einen Schritt auf mich zu und nahm wieder auf der Bettkante zu meiner linken Platz. „Es ist doch pure Ironie. Das obwohl es hier nie wirklich um dich ging, du es dennoch auf eine kuriose Art und Weise geschafft hast die Hauptrolle einzunehmen." Er strich mir über die Lippen und lächelte beinahe verzaubert. Ich sah in seine Augen und erkannte den Wahnsinn.
„Marcus! Bitte hör auf und lass mich gehen!" warf ich ruhig ein. „Bitte, wenn das stimmen sollte, was du mir gerade gesagt hast musst du mich gehen lassen!" Der Ältere nahm den Finger von meinen Lippen und erhob sich langsam. Mit ruhigen Bewegungen ging er zu einem Schrank.
„Das kann ich nicht... ich kann verstehen warum Nicholas dich besitzen wollte. Auch ich will dich nicht gehen lassen! Wir werden ihm einen kleinen Film drehen, der ihm zeigt, dass du nun mir gehörst!"
„Was?" Wann würde dieser kranke Mist endlich aufhören? Ich sah wieder zum Bildschirm und blickte direkt in Nicholas Augen, als würde er in die Kamera sehen.
„Nicholas!" schrie ich so laut ich konnte.
„Nicholas ich bin hier!" schrie ich aus voller Brust und erblickte keine Regung. Er hörte mich nicht.
„Nicholas...!" rief ich leiser, verstummte schließlich und ließ mich hängen.
Marcus kam mit einem glühenden Stück Metall zu mir herüber und sah mich düster an. Nicht einmal das Aufgehen der Türe lenkte mich von dem ab was sich vor meinen Augen abspielte.
„Du wirst in vergessen glaube mir. Dafür werde ich sorgen. Es gibt genügend Mittel um dich alles vergessen zu lassen." Ich versuchte vor ihm weg zu robben. Doch bevor ich auf der anderen Seite aus dem Bett fiel, zog er mich an meinem rechten Knöchel wieder zu sich. Ich versuchte mich an der Bettkante festzuhalten ohne Erfolg.
„Leah!" schrie ich aus Verzweiflung. Das lockte ein breites Grinsen auf seine Lippen.
„Was hast du verdammt nochmal vor?" fragte ich panisch und merkte, es war kaum etwas übrig was ich ihm entgegen zu setzen hatte.
„Marie zeig es ihr!" die Rothaarige folgte der Anweisung und zog ihr Kleid an der linken Schulter runter. Ich erblickte eine Art Siegel.
„Was ist das?" hauchte ich.
„Mein Siegel. Ich werde dich brandmarken, damit jeder weiß wer du bist und wem du gehörst!"
„Das ist zu krank Marcus, begreifst du das nicht!"
Ich wollte weder die Schmerzen noch das Resultat.
„Wir sind das Produkt unserer Mitmenschen... sie haben mich dazu gemacht was ich heute bin... sie haben dich gemacht zudem was du heute bist und sie werden damit niemals aufhören!" nach seinen Worten versuchte ich einen letzten Versuch dieser Situation zu entfliehen. Ich trat mit aller Kraft zu um den Mann zu treffen, der ganz offiziell durchgeknallt war. Was hatte ich an mir, dass die Männer glaubten mir meine Freiheit rauben zu können? Ab welchen Zeitpunkt war ich eine Ware geworden, ein Tier, dass man brandmarkte und dadurch besitzen konnte.

Meine Gegenwehr war erfolgreich. Ihm fiel das Eisen aus der Hand und ich robbte über das Bett. Dabei fiel ich nach hinten raus und landete auf dem Boden. Ich kroch zu Leah und fing an sie zu rütteln.
Ein unsanfter Griff in mein Haar sorgte dafür, dass ich von meiner schlafenden Mitstreiterin abließ. Marcus zog mich unsanft mit sich, drückte mich mit dem Gesicht auf den Boden und stemmte sein Knie in meinen Rücken.
„Los gib mir das Siegel!" brüllte er Marie an, die wie eine Marionette sofort reagierte.
Marcus musste nicht mehr machen als warten, warten bis ich mich nicht mehr wehren konnte. Als ich aufgab spürte ich einen brennenden Schmerz und roch verkohltes Fleisch. Ich schrie auf und presste die Tränen aus meinen Augen.
„Während ich dich zu meinem Eigentum mache ist Nicholas dabei teuren Champus zu trinken und sich über belanglose Sachen zu unterhalten. Während sein Schatz hier unten zu meinem wird, ahnt er von nichts." Ich konnte seine Freude vernehmen und krallte meine Finger in den Teppich.
„Nicholas!" schrie ich aus voller Brust.
Marcus lachte auf. „Du wirst ihn noch vergessen, das verspreche ich dir!"
Erst jetzt erhob er sich von mir. Ich legte eine Hand auf die schmerzende Stelle, rollte mich dabei auf den Rücken und atmete tief ein und wieder aus.
Marcus hingegen platzierte eine Kamera direkt aufs Bett gerichtet. Marie hockte neben mir und sah mich eingehend an. Ihr Blick war anders. Der Hass war verschwunden zurückblieb eine Verwirrung. Etwas in ihr schien mit diesem Akt der Machtdemonstration nicht einverstanden gewesen zu sein.
„Verstehst du es jetzt...?" fragte ich leise. Diese Frage schien sie wieder in die Realität zu holen.
„Fick dich!" zischte sie und erhob sich. Ich stieß einfach nicht auf ihren Verstand. Dieser war durch Emotionen benebelt. Ich musste es irgendwie schaffen sie wachzurütteln.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt