Melissa = Ivan?

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Müde richtete ich meinen schmerzenden Körper auf. Nachdem Isabella mich verarztet hatte wurde ich in ein kahles Zimmer gebracht, das ich als mein Reich betrachten durfte. Hier war nichts zu finden außer einem Bett, einem Holzschrank und einem Schreibtisch mit einem Stuhl. Das Fester über meinem Bett war mit dicken Stäben aus Eisen vergittert. Der zuvor freundliche Eindruck durch die Einrichtung war genau ab hier verschwunden. Man erkannte nun sehr wohl wo man sich befand und das war in einer Anstalt. Grübelnd lag ich auf dem Bett und starrte an die weiße Decke. Unbewusst wartete ich sicherlich darauf, das etwas passierte. 

„Bist du wach?" hörte ich eine grantige Stimme von draußen an mich herantreten. Kurz darauf ging eine kleine Luke an der Türe und ein genervtes Augenpaar blickte mich an. Ich nickte und stand auf.

„Nimm die Sachen, die auf dem Schreibtisch liegen und komme zur Türe!" Wie befohlen befolgte ich die Anweisungen fürs erste und stand wenig später in einer Gemeinschaftsdusche für Frauen. Die mich weckende war wohl schon länger hier, was Anderes konnte mir ihr unausgeglichenes Gemüt nicht erklären. Sie war korpulent und wirkte als würde sie mich sofort in Grund und Boden hauen, wenn ich mich ihren Worten widersetzen würde.

„Zieh dich aus und geh duschen!" wies sie mich weiterhin an und verließ den Duschraum. Der Ort erinnerte mich an die Duschen eines Schwimmbades und so schafften es der kahle, geflieste Raum Erinnerungen hoch zu würgen.

„Nein Emily... nein!" ermahnte ich mein Innerstes und zog mich aus. Die verdreckten, kaputten Sachen warf ich in einen Korb und duschte dann das getrocknete Blut und den Dreck von mir ab. Das Gefühl vollends verloren zu sein war mit keinem Wasser der Welt abzuspülen. Wie sollte mich irgendjemand finden? Ich glaubte Marcus Worten, wenn er sagte er würde schon dafür sorgen, dass mich niemand fand nicht mal Nicholas. Das Wasser spülte die Rückstände der vergangenen Nacht von mir herab und ließ für einen Moment die Idee in mir aufflackern mich einfach zu ertränken. Doch die Idee wurde das Erscheinen der Aufseherin verdrängt. 

„Fertig?" Ich drehte mich zu der Dusche und nickte.

„Dann zieh dich um!" Ob Nettigkeit mehr kostete als Unfreundlichkeit?

Fertig angezogen gingen wir zum Speisesaal so wie die dralle Frau mit dem Namen Melissa mir erklärte. Noch immer hatte ich keine Menschenseele gesichtet. Gab es überhaupt Patienten in diesem Haus? Die Frage wurde nur wenige Sekunden später beantwortet. Melissa entließ mich in einen riesigen mit Tischen und Stühlen gefüllten Raum. Hier aßen die Patienten unter den Augen der Pfleger und unterhielten sich nicht. Meine Aufpasserin brachte mich zu einem Tisch an dem ich alleine sitzen sollte. Die Blicke der anderen durchbohrten meinen Körper und ich fühlte mich wie nackt. Das lag vielleicht auch an den grauen Klamotten, die ich trug. Die anderen hier sahen ganz normal aus. Eine Tatsache war jedoch prägnant nur junge Frauen.

„Ich bring dir was zu essen." Erklärte die kurzhaarige und entfernte sich von mir. Ich hatte mir vorgenommen nicht aufzusehen und doch ließ ich ungewollt meinen Blick schweifen. Bleiche Gesicht, die wie unter Drogen einfach nur vor sich hinstarrten. Leben suchte man vergebens. Ich fing den Blick einer Blondine auf, die mich bewusst wahrnahm und fixierte. Sofort unterbrach ich den Blickkontakt und widmete mich meinen Fingern. Warum wollte Marcus mich hier haben? Was passierte mit den Anwesenden hier?

„Dein Essen!" Melissa stellte mir ein Tablett vor die Nase mit Graubrot etwas Käse und Wurst, dazu eine Tasse Tee. Ich schluckte schwer als meine Gedanken zu Nicholas schweiften. Wäre ich nicht abgehauen dann würde ich nun bei ihm sitzen und mich nur wieder über seine Art aufregen. Doch jetzt fehlte mir sein gewohnt charmantes Lächeln, seine Stimme. Ich schluckt wieder und wusste ich würde keinen Bissen runterbekommen. 

„Ich habe keinen Hunger..." murmelte ich.

„Du bleibst so lange hier sitzen bis du aufgegessen hast!" knurrte die Frau, die sich vor mich hingesetzt hatte. „Immer das gleiche mit euch verwöhnten Weibern!" Sie war das passende Gegenstück von Ivan. Bei dem Gedanken musste ich lächeln.

„Was gibt es zu lachen?" keifte sie mich sofort an.

„Das könnte lange dauern!" setzte ich sie in Kenntnis und lehnte mich mit verschränkten Armen zurück.

„Ich habe Zeit kleines!" nun lehnte auch sie sich zurück. Eine ganze Weile verharrten wir in unseren gewählten Positionen und starrten uns an. Jetzt wo ich den Vergleich zu Ivan gezogen hatte, hatte sie ihre Wirkung auf mich verloren. Er konnte mir nichts uns die grimmig aussehende Frau erst recht nicht! Die Anzahl der Anwesenden verringerte sich von Zeit zu Zeit bis nur wir und drei weitere Mädchen hier saßen, die ebenfalls Probleme mit dem Essen hatten. Ich schätzte die Gründe waren dabei andere. Bei ihnen spielte sicherlich eine Krankheit die entscheidende Rolle für den Verzicht. Mit den zwei kranken Mädchen saß auch die Blondine noch in diesem Saal. Warum sie nicht aß wusste ich nicht. Mein Blick glitt zur Uhr mittlerweile waren 1 ½ Stunden vergangen und tatsächlich bekam ich Appetit. Ich löste meine abwehrende Haltung und lehnte mich zu dem Essen, doch bevor ich das Brot packen konnte zog Melissa das Tablett zu sich. 

„Schade, die Essenszeit ist um!" ich sah verwundert auf und schenkte ihr gegen meinen Willen einen verunsicherten Blick. Sie hob eine Augenbraue und grinste breit. „Gewonnen!" Alleine dieses Wort brachte mich zur Weißglut noch war gar nichts entschieden. Ich sprang auf und hechtete mit den Armen voraus auf das Tablett zu, damit hatte sie nicht gerichtet. Ich packte mir das Brot, richtete mich auf dem Tisch auf und setzte mich in Bewegung. Ich lief vor ihr weg und sie hastete mir hinterher. Während sie mit ihrer Körpermaße meine Wenigkeit nicht eingeholt bekam stopfte ich mir das Brot in den Mund und sprang auf den nächsten Tisch. Ich hörte Klatschen von den wenigen Anwesenden und sah mich kurz um, zu lang wie es schien. Ich spürte einen Schlag in die Kniekehle und sackte auf dem Möbelstück zusammen. Melissa ergriff meine Haare und zerrte mich runter. 

„Fick dich, das Brot ist weg!" grinste ich nur und öffnete den Mund. 

„Das werden wir sehen!" Sie nahm mich zwischen ihre Beine packte mein Unterkiefer so, dass ich meinen Mund nicht schließen konnte. Dann steckte sie mir ihren Finger soweit in den Hals, dass ich mich übergeben musste. Ungewollt kam das Brot wieder zum Vorschein. 

„Nicht mit mir!" zischte sie und schubste mich zur Seite. Ich sah nicht auf, sondern wischte mir den Mund ab. Ok, die hatte was drauf und die Ähnlichkeit zwischen ihr und Ivan wurde immer deutlicher. Er hätte mich wahrscheinlich mit einem Schlag in die Magengrube zum kotzen gebracht. Damit war Melissa die Nettere von beiden. „So muss das nicht laufen!" fing meine Aufsichtsperson an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hastig atmend sah ich auf und kniff dabei ein Auge zu. „Wenn du dich an meine Worte hältst wird es dir hier an nichts fehlen!" Diese Worte wirkten wir ein Friedensangebot. Ich nickte. „Na komm!" sie reichte mir die Hand und ich nahm diese entgegen. Sie half mir zwar auf aber das Essen war dennoch vorbei. Gemeinsam gingen wir wieder in mein Zimmer, indem sie mich mit der Einsamkeit hinter einer schweren Stahltür einsperrte.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt