In einer halben Stunde am Zaun

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Nachdenklich saß ich auf einer Bank und starrte in das lodernde Feuer eines Grilles. Neben mir saß Leah, die zur Musik aus dem Radio summte. Einige Pfleger und Schreibtischhengste hatten sich hier versammelt um in wenigen Stunden das neue Jahr zu begrüßen. An sich war das eine nette Geste des betreibenden Doktors und wenn ich genauer darüber nachdachte gefiel es auch mir. Wenn ich die Tatsache, das weder meine Familie noch Nicholas hier war außer Betracht ließ. Meine neuen Freundinnen waren wie ich auch eingeladen, das erhellte meine Stimmung noch ein wenig mehr. Selbst einige wenige Patienten, die als ungefährlich eingestuft waren durften ein Teil dieser Party sein. Wir saßen in einem beheizten Pavillon mit aufgestellten Biergarnituren. Draußen brutzelten die Würstchen und Steaks und im Inneren gab es Bier für die Arbeitnehmer und Beilagen zum Grillfleisch. Marcus stand bei Melissa, die ihm irgendetwas aufregendes erzählte. Die Dreiertruppe wurde von Marie komplettiert, die wie ein Schoßhündchen mit roten Haar neben dem Hausherrn stand. Plötzlich schnappte sich Marcus eine Gabel und stieß gegen das Glas in seiner Hand. Ich Zucker zusammen, obwohl ich ihn beobachtet hatte.

Sie war aus Edelstahl, soviel Vertrauen hatte er an uns, dass wir uns nicht damit umbrachten. Ich zog unweigerlich eine Augenbraue hoch und dachte über meine ironischen Worte nach.
„Was denkst du?" fragte Leah und stellte ihr Summen ein.

Ich sah sie ertappt an.

„Ah gar nichts." Grinste ich nur und sah zu wie Marcus, Melissa zu sich zog und einen Arm um ihre Schulter legte.
„Liebe Gäste, ich begrüße euch zu der diesjährigen Silvesterfeier und freue mich, mit all den Anwesenden das neue Jahr zu beginnen. Eine weitere Tatsache, macht diesen Abend jedoch besonders. Melissa hat heute ihren Jahrestag und beehrt uns mit ihrer Arbeit bereits seit 10 Jahren." Marie gab Marcus einen ausladenden Blumenstrauß und eine Karte. Daraufhin drehte sich der gut aussehende Mann zu Melissa, die nur vor Verwunderung blinzelte. Der burschikose Rollmops fühlte sich offensichtlich geschmeichelt.
„Hätte ich das vorher gewusst hätte ich noch was gemalt..." murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich schätze sie nicht als jemand ein der was von Kunst versteht." Meinte Leah und führte das Glas mit dem Sekt an ihre Lippen.
„Sicherlich hast du Recht... sie mag aber Comics" murmelte ich weiter.
„Wenn du das zu Kunst zählst dann schenk ihr ein Kunstwerk." Entgegnete Leah und folgte dem weiteren Treiben nur wenige Meter von uns entfernt.
Marcus überreicht ihr die Geschenke und bedankte sich erneut.
„So mögen noch weitere Jahre von guter Zusammenarbeit geprägt sein." Als Melissa das Wort ergriff, wandte ich mich gedanklich ab.
Das neue Jahr stand kurz bevor und so wirklich real war es für mich nicht. Ich war bereits lange bei Marcus und noch viel länger bei Nicholas gewesen. Wie würde es sein endlich wieder im eigenen Bett zu schlafen? Ich griff nach meinem Glas Sekt und führte es in Gedanken an die Lippen. Erst eine Welle aus Klatschen weckte mich wieder auf. Ich stimmte nicht mit ein, sondern sah auf den Alkohol in meiner Hand.
„Das sind also die Privilegien, die wir haben?" forschte ich nach und wusste nicht, ob ich darauf nicht vielleicht auch verzichten konnte, dabei glitt mein Blick zu den Hungernden, die die Wartezeit zwischen den Essen mit Alkohol überbrückten.
„Wir nehmen was wir kriegen können." Lächelte Leah und schlug mir auf den Rücken. „Komm wir holen uns schon mal ein Würstchen." Gemeinsam erhoben wir uns und schnappten uns jeweils ein Teller. Während wir die Beilagen auf das Geschirr hievten tauchte Sam zwischen uns auf und warf ihre Arme um unsere Schultern.
„War das nicht eine überwältigende Ansprache?!" meinte Sam sarkastisch und ließ sich leicht hängen. Sowohl Leah als auch ich sackten leicht zusammen.
„Ein Traum!" stimmte ich ihr zu.
Sam richtete sich wieder auf: "In einer halben Stunde am Zaun!" Dann ließ sie uns los und verschwand wieder. Ich sah verwirrt zu der Schwarzhaarigen neben mir, die unbeirrt weiter ihren Teller füllte.
„Ist der Zaun nicht etwas groß?" fragte ich nach und folgte der Älteren zum Grill.
„Ich kenne die Stelle, die sie meint." Erklärte Leah und ließ sich ein Stück Fleisch geben. Ich nahm mir zwei Würstchen und folgte wieder der Führenden. Irgendwie kam ich mir nun wie der Schoßhund vor. Wir kamen an Marcus, Marie und Melissa vorbei. Ich blieb stehen und streckte meiner Pflegerin die Hand hin.
„Alles Gute... leider kam das alles sehr überraschend für mich und ich habe es nicht mehr in die Stadt geschafft. Aber du sollst ja nicht leer ausgehen, morgen werde ich mich benehmen wie ein Vorzeigepatient. Ich werde mich weder umbringen noch sonst irgendwie Chaos verbreiten." Grinste ich. Die dickliche Frau nahm meine Hand und drückte fester zu. Ich versuchte mein Gesicht nicht zu verziehen und ließ meine Schmerzen in meinem Zwinkern fließen.
„Den Gefallen kann ich dir nicht tun." Entgegnete ich und sie ließ los.
„Dann werde ich mich mal überraschen lassen ob du deinem Geschenk auch wirklich nachkommst!" sagte sie schließlich und schlug mir auf den Hintern. Ich setzte mich daraufhin wieder in Bewegung und war irritiert über diese Geste.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt