„Wo bin ich?" fragte ich mich selbst als mein Bewusstsein wieder Aktivitäten zeigte. Blitzschnell setzte ich mich auf und hielt mir den Kopf. Eine Beule hatte sich auf meiner Stirn gebildet und schmerzte. Ich sah unwillkürlich vor mir auf den Boden und erblickte das zerrissene Foto von Nicholas. Mit zittrigen Händen nahm ich beide Hälften und fügte es zusammen. Ich schluckte schwer und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Marcus hatte mich verarscht und nun hatte ich nichts mehr. Das Bild in meiner Hand vibrierte durch mein unkontrolliertes Zittern. Ich legte den Kopf in den Nacken und schluckte wieder, dabei presste ich meine Augen zusammen und atmete tief ein und wieder aus. Es brachte mir nichts jetzt zu heulen. Im Prinzip brachte mir doch rein gar nichts mehr irgendetwas.
„Wie lange?" fragte ich mich schließlich und ließ die Bilder von der Situation vor meinem Schlaf aufkommen. Ich stand auf und steckte die beiden Hälften in meine Hosentasche, dann nahm ich sofort wieder Platz auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Mein Kreislauf war noch nicht soweit um mich hier rauszubringen. Ich ließ meinen Blick auf die Standuhr fallen und dann zum Fenster. Es war stockdunkel, ich musste einige Stunden hier gelegen haben. Mit rasenden Kopfschmerzen schnappte ich mir einige Kekse und steckte mir diese in den Mund. Ich brauchte Zucker und während mein Körper schon wusste was er mit den Süßigkeiten anstellen musste und ich nichts Anderes machen konnte als warten, versuchte ich mich an die Worte zu erinnern, die Marcus zuletzt von sich gelassen hat. Ich sah zum Telefon und das Gefühl der Hilflosigkeit keimte wieder in mir auf. Ich schlug mit der Faust auf den Tisch und spürte neben der Hilflosigkeit Wut und Hass. Ich stand auf und fegte den Schreibtisch mit einer kräftigen Bewegung leer, dabei fielen sämtliche Akten und Schreibmaterialien auf den Boden. Der Aufschlag des Bilderrahmen war zwischen all dem zu vernehmen. Ich sah auf den Haufen vor mir herab und atmete hastig ein und aus.
„Dieses miese Schwein, er hatte von Anfang an nicht vorgehabt mir zu helfen!" knurrte ich vor mir her und fing den Namen Samantha auf. Langsam ging ich zu der Akte, die zwischen all dem anderen Zeug lag und ging vor ihr auf die Knie. Mit nervösen Fingern nahm ich sie an mich und schlug sie auf. Mein Bauchgefühl war nicht gut, das war schon in dem Moment nicht gut als ich Marcus mit der Akte in der Hand erwischt hatte.
„Schwere Depressionen, Rückfall, Antidepressiver schlagen nicht an. Selbstzerstörungstrieb..." all diese Worte stimmten nicht und doch standen sie datiert auf die letzten Tage. Ich ließ mich auf den Hintern fallen und die Akte glitt mir aus den Händen. „Er wird aufräumen..." murmelte ich. Mit solchen Aktenvermerken war er in der Lage Samantha für immer einzusperren. Sie konnte sich gar nicht dagegen wehren. Ich musste sie warnen! Ich musste dafür sorgen, dass sie sich mit der Flucht beeilte und Thomas sie bereits vor dem Treffen der reichen Säcke hier rausholte. Mein Kreislauf reichte aus um mich auf die Beine zu bekommen und mich aus dem Raum zu bringen, der zur meiner Verwunderung nicht abgeschlossen war. Hier auf den Gang war es totenstill, auch die weiteren Gänge waren wie leergefegt. Ich ging an geschlossenen Türen vorbei und niemand begegnete mir als wäre ich ganz alleine in dieser Psychiatrie. Ich erreichte den Flur, der zu den Gemeinschaftsduschen führte und hörte nun aufgebrachte Stimmen. Pfleger brüllten herum und eine Menschenmenge eröffnete sich mir. Patienten wurden zur Seite gedrängt oder komplett abgeführt. Warum hielten sich hier so viele Menschen auf? Ich ging näher heran und das schlechte Bauchgefühl kam wieder auf. Diesmal mit einer Übelkeit, die kaum auszuhalten war. Je näher ich kam desto höher schlug mein Herz. Ich schritt zwischen den brüllenden Pflegern und aufgebrauchten Patientinnen hindurch bis ich ungehindert in die riesige Gemeinschaftsdusche trat und sah warum alle so verrückt waren. Ich hielt mir den Mund um einen Schrei zu unterbinden, noch bevor ich etwas machen konnte spürte ich Hände, die mich griffen und wegzogen. Gegen meinen Willen konnte ich nicht wegsehen, es ging nicht. Ich fixierte den blutverschmierten, regungslosen Körper, der auf der anderen Seite der Dusche an der kalten Fliesenwand lehnte. Dann wurde es dunkel, jemand hielt mir die Hand vor die Augen und zog mich weg von dem Ort des Grauens.
„Bleib ganz ruhig." Hörte ich jemanden sagen und konnte die Stimme Thomas zuordnen, der mich mit sich zog. Als die kalte Luft der Außenwelt meinen Körper empfing ging ich einige Schritte und fiel dann auf die Knie. Die Übelkeit hatte gesiegt und ich entleerte meinen Magen vor den Augen von Thomas. Ich vergrub meine Finger in dem kalten Schnee und ließ alles raus. Dann atmete ich hastig ein und aus und ballte meine Hände zu Fäusten.
„Heute wird aufgeräumt...!" keuchte ich und wischte mir den Mund mit dem Handrücken ab. „Heute wird aufgeräumt!" wiederholte ich und stand auf. Ich drehte mich zu Thomas, der sich eine Zigarette angezündet hatte und versuchte so klar zu kommen. Mit zittrigen Finger hielt er den Glimmstängel in der Hand und sah mich nicht an.
„Das war Marcus!" murmelte ich und ging auf Thomas zu, der mich fragend aufsah.
„Er hat mich mit einem Mittel betäubt und mir gesagt, dass er heute aufräumen wird. Bestimmt hat Marie euch verpetzt!"
„Was redest du da?" fragte Thomas, ging einen Schritt vor und packte meine Schultern. Er schüttelte mich leicht und sah mich panisch an.
„Glaubst du Sam hatte das wirklich gemacht? Glaubst du sie hätte sich zwei Tage vor der Flucht umgebracht?!" schrie ich nun und packte seine Ellen. Tränen rannen nun über meine Wangen und meine Stimme wurde dünn.
„Ich bringe ihn um..." kam es nüchtern über die Lippen des völlige verstörten Pflegers.
„Nein das wirst du nicht du wirst nichts Unüberlegtes machen!" mahnte ich ihn, doch die Idee war aufgekeimt und hatte sich manifestiert. Ich erkannte für Thomas gab es keine andere Möglichkeit. Er schubste mich zu Boden, ich landete mit der Hand in meinem Erbrochenem. Dann lief er zum Haus zurück und verschwand im Inneren. Ich rappelte mich auf, trat beim Laufen auf die glühende Zigarette und folgte ihm. Er würde Marcus suchen und sicherlich in seinem Privatzimmer finden, nur wusste ich gar nicht wo dieses war. Rein instinktiv lief ich durch die Gänge an Pflegern vorbei, die mich nicht wahrnahmen. Der Trubel bot die perfekte Ablenkung. Zu viele Menschen, zu viele verstörte Menschen, die jegliche Aufmerksamkeit brauchten um nicht in Panik auszubrechen. Ahnungslos lief ich durch die Räumlichkeiten und wusste jede Minute, die ich mit der Suche vergeudete brachte Thomas näher einen riesigen Fehler zu begehen.Außer Atem blieb ich stehen und stemmte mich gegen meine Knie. Wie genau sollte ich die beiden finden. Dann hörte ich sie, die Stimme des Pflegers. Ich folgte den Geräuschen bis vor eine massive Holztüre, die ich öffnete. Ich erblickte Thomas, der voller Wut vor Marcus stand.
„Hör auf!" mein Erscheinen hatte Marcus wohl abgelenkt. Thomas ergriff seine Kehle und drängte ihn gegen eine Kommode, die in diesem riesigen Schlafzimmer stand. Ich hörte Knochen, die knackten als der Körper gegen das Holz stieß.
„Ich bringe dich um, das hätte ich schon viel früher machen müssen." Schrie der Jüngere und drückte weiter zu. Marcus hatte seine Handgelenke gegriffen und versuchte sich aus der Situation zu befreien doch ohne Erfolg.
"Vielleicht hättest du das!" grinste der Herr des Hauses. Ich wusste nicht was ich tun sollte, den Tod hatte er sicherlich verdient aber Thomas wäre dann ein Mörder, der es bereuen könnte. Wie gelähmt sah ich zu wie Marcus eine Hand von Thomas Würgegriff löste und hinter sich packte.
„Thomas er hat eine Waffe!" schrie ich los, nur zu spät. Ein ohrenbetäubendes Geräusch entwich der Schusswaffe. Ich stürzte auf die beiden zu, während Marcus nach Luft rang versuchte ich Thomas, der in sich zusammensackte aufzufangen und fiel mit ihm zu Boden. Er landete auf mir und ich stieß mit einem Keuchen auf den Boden auf. Ein Piepen betäubten meine Ohren. Mit zusammengekniffenen Augen lag ich auf dem Grund und spürte den schweren, sich nicht bewegenden Körper auf mir. Kurz darauf spürte ich noch etwas anders und hatte Angst meine Augen je wieder zu öffnen. Ich wollte nicht wissen was die Flüssigkeit war, die sich unter meinen Händen ausbreitete. Wie lange würde ich so liegen bleiben können? Das Gewicht auf meiner Brust löste sich plötzlich auf, reflexartig öffnete ich meine Augen. Marcus hatte Thomas mit seinem Fuß von mir geschubst.„Warum?" fragte ich kaum mit Stimme und diesmal war die Frage nur rein rhetorisch ich wusste die Antwort. Das erste Mal hatte ich Antworten, die mir nicht gefielen.
„Es erfreut mich keineswegs, dass es so kommen musste. Ich hatte gehofft, wir würden noch ein wenig mehr Zeit haben aber manchmal kommt es anders als man es denkt. Emily, es tut mir leid aber wir werden schon heute Nacht beginnen!" Ich verstand vieles aber keines seiner Worte, die sich durch das Piepen bis zu meinem Gehirn vorgearbeitet hatten. Ich wollte mich wehren, als ich sah wie er seinen Arm nach hinten schnellen ließ doch bevor ich auch nur den Ansatz zur Gegenwehr ausführen konnte spürte ich den Zusammenprall mit seiner Faust und meinem Kopf.
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Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)
Mystery / Thriller"Hättest du mich gesucht?" "Überall!" "Was wenn du mich schließlich gefunden hättest?" "Dann hätte ich dich zurückgeholt..." Nun lächelte er. "Zurück hierher?" "Zurück hierher...!" "Warum?" "Eines sollte dir gesagt sein... ich werde...