Die notwendige Aussprache

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Die Fahrt über ratterte mein Gehirn. Ich war dankbar als Nicholas mir ein Glas Champagner reichte. Der Alkohol würde meine Gedanken ertränken. Mein ganzer Körper wollte nur noch eines, dass mich seine Hände überall berührten. Ich hielt das Glas an meine Lippen und hielt inne.

„Ich werde schlafen richtig?" fragte ich obwohl die Antwort bekannt war.
„Es ist wichtig, dass du nicht weißt wo sich unser Zuhause befindet." Sagte er dennoch auch wenn das Schweigen genug Antwort gewesen wäre.
„Unser Zuhause?" wiederholte ich leise kaum hörbar, doch er hatte es gehört. Er lehnte sich zu mir rüber und legte seine linke Hand unter mein Kinn.
„Ganz genau unser Zuhause..." er lächelte friedlich und gab mir das Gefühl, dass es ok war. Das, dass was geschehen war hinter uns lag und uns zusammengebracht hatte. Als müsste ich dafür dankbar sein. Ich nahm einen beherzten Schluck und merkte sofort das Zeug in dem Alkohol. Mir wurde schummrig und als ich wieder zu mir kam fuhren wir gerade unter dem Torbogen her auf unser Anwesen. Ich hörte wie das Tor hinter uns geschlossen wurde und die Leichtigkeit vom Abend verschwand langsam. Ich rieb mir die Augen und richtete mich auf. Ich war auf Nicholas Schoss eingeschlafen und er hatte mich nicht umgelegt.
„Da wären wir wieder." Sagte er und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Auch wenn die Wehmut in mir aufstieg blieb dieses andere Gefühl, das ich bisher so stark ausgeprägt nicht kannte. Verlangen nach dem Mann, der mir tief in die Augen sah und offen zeigte, dass auch er den Willen nicht verdrängen konnte.

Der Wagen parkte vor dem Herrenhaus und wir stiegen aus. Er nahm für das letzte Mal an diesem Abend meine Hand und ging mit mir ins Innere. Stumm machten wir uns auf den Weg zu meinem Zimmer. Vor der Türe blieb er stehen und drehte sich zu mir. Mir wurde warm und die Überforderung überkam mich.

Was würde jetzt passieren? Was musste ich tun? Ihn auf einen Kaffee einladen war dumm, ich hatte gar keinen Kaffee. Brauchte ich denn Kaffee wenn es sich bei der Frage gar nicht um Kaffee handelte?
„Willst du noch mit reinkommen?" räusperte ich mich und sah kurz weg.
„Emily ich würde dich am liebsten packen und mit zu mir in mein Bett zerren... dort würde ich dich entführen... erneut nur diesmal würdest du freiwillig mitkommen..." sagte er leise, die Unterdrückung seiner Erregung war nicht ganz gelungen. Diese Worte bereiteten mir eine Gänsehaut. Seine Stimme rau und tief, sie gab mir einen Vorgeschmack von dem was mich erwarten würde.
„Warum machst du es dann nicht einfach?" murmelte ich und sah ihn wieder an. Er beugte sich vor und presste seine Lippen auf meine Stirn, dabei packte er meine Arme und zog mich ein wenig zu sich. Alleine dieser Kuss war schwer zu ertragen sowohl für ihn als auch für mich. Erst als er seinen Mund von meiner Haut löste, trafen sich unsere Blicke.
„Weil das nicht zu einem ersten Date gehört..." lächelte er provokant und ließ mich los. „Gute Nacht und vielen Dank für diesen fantastischen Abend." Er ging rückwärts und fixierte mich dabei weiterhin lächelnd, dann drehte er sich um und ging.
„Wie viele Dates sind dafür nötig?" rief ich ihm hinterher und wirkte sicherlich wie eine unreife Jugendliche.
„Mindestens drei." Hörte ich ihn noch sagen bevor er um die Ecke verschwand. Ich lehnte mich gegen die Wand neben meiner Türe und versuchte wieder zu atmen. Ich legte den Kopf in den Nacken und konnte kaum glauben was er mit mir anstellte. Er rief etwas in mir hervor, dass ich bisher nicht kannte. Eines stand fest, ich mochte das Gefühl.

Noch eine schlaflose Nacht peinigte meinen Geist. Wie sollte ich mit klaren Kopf abhauen wenn ich kein Auge zu bekam? Als die Sonne aufging saß ich bereits angezogen auf meinem Bett und wechselte von Ivan zu Nicholas. Gestern war die letzte Chance gewesen, mit dem Hausherren Erfahrung zu sammeln. Heute war die letzte Chance mit Ivan keine Erfahrung zu machen. Es musste ein Plan her aber wenn ich den Russen abservierte würde er mir nicht helfen. Nur wer wäre dann für mich da? Ich seufzte auch auf das Problem wusste ich die bittere Lösung. Ich brauchte Valentin auch wenn ich es nicht gerne zugab, ohne ihn hatte ich keine Chance. Zumindest war er die bessere Alternative.

Ich stand auf und begab mich in den Essenssaal. Dort gab es wieder Allerlei Leckereien doch Nicolas fehlte. Als Chloe den Kaffee brachte biss ich die Zähne zusammen und fragte:" Weißt du wo Mister Norton ist?" ich versuchte die Frage so beiläufig wie möglich zu stellen. Ein böser Blick traf mich geradewegs, als sie mich ansah. „Er ist unterwegs!" zischte sie und ließ die Kanne lauter als notwendig auf den Tisch knallen. Dann stöckelte sie davon. „Ok danke..." murmelte ich und lehnte mich zurück. Auch wenn die verschiedenen Törtchen und Waffeln gut aussahen hatte ich keinen Appetit und schob den Teller weg.
„Alles ok mit dem Essen?" fragte Valentin der am anderen Ende des Tisches auftauchte. Ich sah ihn ertappt an und schüttelte den Kopf.
„Alles super."
„Warum isst du dann nicht?" Mein Hirn fand meinen Verstand nicht wieder und ich stand auf.
„Ganz ehrlich Valentin was geht es dich an? Geh irgendetwas putzen!" sagte ich abfällig und behandelte ihn wie ein Bediensteter. Für mich war er schließlich nicht mehr.
„Emily!" rief er mir nach als ich mich zur Tür begab.
„Was ist los?" fragte er ahnungslos. Die Türklinke umfassend blieb ich stehen.
„Was soll los sein? Ist doch alles toll! Oder fällt dir irgendetwas ein was du mir vielleicht erklären willst?!" meinte ich provokant. „Ok...!"
Ich war dem Blondschopf doch gefolgt, schließlich war er mein Ticket in die Freiheit. Er hatte eine Chance verdient endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Die Wahrheit hatte ich bereits durch Kelly erfahren, ich war gespannt was er mir nun auftischen würde. Gemeinsam saßen wir vor dem Pferdestall auf einer Bank und sahen in den schneegeschwängerten Himmel.
„Ich bin dir wirklich eine Erklärung schuldig... das ist mir klar aber." Ich unterbrach ihn sofort.
„Kein aber, es reicht mir schon das Nicholas kein Sterbenswörtchen über den wahren Grund meines Aufenthalts verliert!" Valentin zog die Luft scharf ein und setzte wieder an.
„Ich bin kein Angestellter ich gehörte zur Familie... ich bin der Bruder von Nicholas." Dieses Geständnis ließ mir die Kinnlade runterknallen.
„Bruder?" Gut, dass er mit Nicholas verwandt war, wusste ich bereits aber Bruder?
„Ich habe es für mich behalten, damit du dich in meiner Gegenwart wohlfühlst und nicht glaubst du könntest mir nicht vertrauen, weil ich mit ihm unter einer Decke stecke."
„Oh Valentin... genau das denke ich auch ohne dieses Geständnis!" sagte ich aufgebracht und sprang auf. "Ich habe dir vertraut... wer weiß was du alle weiter erzählt hast?!"
Jetzt stand auch Valentin auf. "Nichts Emily! Nicht ein Wort! Meinst du ich würde dir die Flucht ermöglichen wollen geschweige denn können, wenn ich hinter deinem Rücken mit meinem Bruder darüber reden würde?!" Leider machten seine Worte Sinn und ich fuhr eine Stufe runter.
„Ich hatte gehofft, dass du keineswegs die Richtige bist und das Thema mit dir schnell vorbei sei!" fuhr er fort und ich hob eine Augenbraue.
„Das wäre für mich aber ziemlich schlecht gewesen!" fing ich an und dachte an Ivan und seine Schauergeschichten.
„Du hättest mich verscharrt mit all den anderen!" fügte ich hinzu.
„Verscharrt? Ich habe dir doch erzählt was passiert ist... wir hätte dich zwar nicht gehen lassen aber dir wäre hier nichts geschehen! Das mit den anderen waren Unfälle... grausame Unfälle..."
„Ganz egal was habt ihr mit mir vor? Wenn du wirklich willst, dass wir uns wieder verstehen sagst du mir was die mit mir vorhaben!" Jetzt war die Gelegenheit gekommen, ganz ohne Nicholas an die Informationen zu kommen, die ich brauchte. „Ok... Mister Lane war nicht umsonst hier... er untersucht die Mädchen auf ihre körperliche Gesundheit."
„Weiter..." Die Ungeduld herrschte über mich.
Valentin zog die Luft scharf ein.
„Er will die perfekte Frau haben... die ihm Kinder schenkt!"
„Soll ich hier von der verkackten Bank fallen?" knurrte ich. Das passte nicht zu der Aktion von gestern. Mit meiner linken Hand glitt ich zu meinem Kopf und massierte meine Schläfe.
„Ok, sagen wir du erzählst die Wahrheit..." den Sarkasmus konnte ich nicht unterbinden.
„Ist das nicht absurd?"
„Ist die ganze Sache an sich nicht schon absurd genug...?!"
Da musste ich ihm beipflichten, das war sie.
„Valentin ich will heute Abend fliehen das bist du mir schuldig... du musst mir helfen!" sagte ich nun offen und drehte mein Gesicht zu dem blonden Jungen der verständnisvoll nickte.
„Das habe ich dir versprochen und das werde ich auch halten!" das Lächeln, ließ mich den Worten leichter Glauben schenken.
„Wie ist der Plan?"

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt