Die Musik wurde lauter, das Gelächter nerviger. Ich näherte mich dem Schauplatz und hätte am liebsten mein Handy genommen um Nicholas zu schreiben, dass er rauskam um mich langsam und vorsichtig in das Innere zu geleiten. Es gab kein Handy und es gab in diesem Moment kein Nicholas. Nur mich und meine Unsicherheit. Das Gefühl, das ich vor dem Spiegel hatte hielt nicht mehr an und Zweifel, ob ich gut genug war, machten sich breit. „Was spielt das für eine Rolle?" murmelte ich und hob mein Kinn ein wenig höher. Das hier war doch nur eine Szene in dem Leben voller Absurditäten, sollten die doch denken was sie wollten. Die Tatsache, dass mein Herz dennoch beinahe stehen blieb, konnte ich nicht vertuschen.
„Bereit für den Zirkus?" hörte ich eine mir leider bekannte Stimme. Der russische Akzent war nicht zu überhören.
„Was machst du hier, hat man dich aus deinem Stall gelassen?" fragte ich genervt und hatte nicht vor mich umzudrehen. Dieses Vorhaben gefiel dem Russen nach seiner Reaktion zu Folge kein bisschen. Er ergriff meine Schulter und drehte mich gewohnt unsanft zu sich.
„Noch hast du eine große Klappe aber du weißt was auf dem Spiel steht!"
„Ohha... wo hast du denn die Klamotten her?" fragte ich wirklich überrascht und hatte nicht damit gerechnet einen gepflegten Mann zu erblicken, der einen Anzug trug und wie eine zivilisierte Person wirkte. Ich war schon vor meiner Gefangenschaft beeindruckt, was ein Anzug aus einem Mann machen konnte.
„Tja ich dachte mir, heute ist ein guter Anlass um mal die schicken Klamotten aus dem Schrank zu kramen." Das Grinsen folgte zugleich. Ich zog meine Schulter zurück und wich einen Schritt von ihm weg. „Ich muss zugeben für eine nervige Göre steht dir das Kleid sehr gut... Du wirkst erwachsen, das macht es mir später einfacher dir Qualen zu bereiten!" das Grinsen wurde breiter. Ich tobte im Inneren, alleine durch seine Aussage produzierte er Bilder in meinem Kopf, die mir keineswegs gefielen. Er verringerte den von mir zuvor aufgebauten Abstand und drängte mich an die Wand. Uns trennten zwar nur wenige Meter von dem Ball, doch die reichten aus, sodass niemand mitbekam wie Ivan mich bedrängte. Er strich mir über meine linke Wange und legte den Kopf leicht schief.
„Du weißt ja wie es in der Bibel geschrieben steht -wenn dich einer auf die linke backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin-!"
„So jemand wie du kennt die Bibel?" zischte ich und drehte mein Gesicht weg. Er packte mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen, seine grünen Augen verfinsterten sich.
„Pass auf Emily, pass einfach auf. Das was du sagst macht die Sache für dich nicht besser!" Ich roch seinen Atem, der mal nicht nach Bier stank. Den Geruch von Zigaretten war allerdings wie zuvor gut zu entnehmen.
„Kaugummi?" fragte ich provokant und grinste. Der Druck auf meinen Unterkiefer wurde stärker. „Am liebsten würde ich dich sofort..."
„Kann ich dir irgendwie helfen?" fragte Valentin, der neben uns erschien an den groben Gorilla gerichtet. Ivan ließ sofort von mir ab und wich zurück. Er warf mir noch einen düsteren Blick zu bevor er fürs erste von der Bildfläche verschwand.
„Alles gut?" fragte der Blondschopf und kam auf mich zu, im Schlepptau Kelly. Auch er hatte sich in einen edlen Anzug gesteckt und wirkte erwachsender als sonst. Heute war der Abend, an dem man die Menschen, die hier lebten, mal ganz anders erlebte.
„Er ist halt ein Psycho..." murmelte ich rieb mir das Kinn.
„Wollen wir gemeinsam reingehen?" fragte Kelly und strahlte über beide Ohren. Sie trat heute wohl als Begleitung von Valentin auf, was mich sehr freute. Wortlos nickte ich und war erleichtert, dass ich nicht alleine in die Höhle des Löwen musste. Kelly hackte sich bei dem Hausherrn ein, dann hielt er mir den anderen Arm hin. Ich tat es der Schwarzhaarigen gleich und gemeinsam machten wir uns auf den Weg.
Als sich die schwere Doppeltüre auf ging, eröffnete sich mir ein prunkvoller Saal voller gutaussehender Menschen, die mehr Geld als Verstand besaßen. Die Frauen trugen prachtvolle Roben und die Männer Anzüge, Sakkos und Fracks. Die Dekoration, die Speisen, die Musik. Alles fügte sich zu einem perfekten Gesamtbild zusammen, das mich beeindruckte. Ich musste kurz stehen bleiben um diesen Anblick auf mich wirken zu lassen. Bestimmt tanzten, redeten und aßen hier um die 200 Leute. Valentin merkte wohl meine Begeisterung und sah zu mir.
„Gefällt es dir... ist es nicht schön die Showbühne mit einer riesigen Feier zu verlassen? So gehört es sich doch für den Star." Ich musste bei den Worten schmunzeln und wandte mein Gesicht zu ihm.
„Danke." Flüsterte ich und bekam die Annahme mit einem Lächeln zurück.
„Jetzt wollen wir dich mal zu Nicholas bringen." Bei dem Namen stockte mir der Atem. Sofort und ohne Vorwarnung fingen meine Handflächen an zu schwitzen. Die Aufregung vor der letzten Begegnung war kaum auszuhalten. Ich wollte ihn gar nicht sehen, ich wollte mich nicht ein letztes Mal in seinen Augen verlieren. Die Krankheit des Stockholm Syndroms zeigte starke Symptome, die es mir nicht einfacher machen würden, das Anwesen zu verlassen. Unbeirrt setzte sich Valentin in Bewegung und ich folgte ihm samt Kelly. Diese freute sich sichtlich über ihre Teilnahme an dieser Feier. Warum konnte ich nicht so sein wie sie? So glücklich mit allem? Ich spürte wie meine Beine wacklig wurden als Valentin die Sichtung seines Bruders verkündete. Ich sah zu Boden und merkte dabei, dass sich kaum jemand für mich interessierte. Diese Tatsache ließ mich den Kopf heben, niemand nahm mich war. Marcus Worte waren falsch.
Was auch immer der Grund meines Kopfhebens war, als ich Nicholas erblickte, so wie er vor dem pompösen Kamin stand, vergaß ich alles um mich herum. Er hielt ein Glas Wein in der Hand und unterhielt sich mit einer Gruppe junger Frau. Ohne Zweifel, wollte jede Frau in diesem Raum mit ihm reden. Sie waren so alt wie ich und vermeintlich perfekt. Vielleicht Töchter von irgendeinem reichen Mann, der das Geld gerne mit dem Geld anderer vermehren wollte. Er lächelte gewohnt charmant und hörte den Damen höflich zu. Sein Blick glitt von der Runde in die Weite des Saales und fing meinen Blick auf. Ich erkannte es, für einen Moment, für eine Sekunde hatte ich es gesehen. Sprachlosigkeit. Ich löste mich von Valentin und blieb stehen während der Blondschopf samt Begleitung weiterging. Er wusste wohl, dass er mich besser alleine ließ. Nicholas stellte das Glas auf den Kaminsims und kam auf mich zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er sah überwältigend aus. Ich kannte ihn in seinen Anzügen aber jetzt wirkte er so viel unwiderstehlicher. Das Hemd, die Weste, seine ganze Erscheinung sorgte für ein Prickeln in meinem gesamten Körper. Jeden Schritt, den er auf mich zu kam sorgte dafür, dass sich immer mehr Anwesende zu mir umdrehten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, des Blickkontaktes stand er letztlich vor mir und gab mir ohne Worte einen Kuss. Sanft, wie ein echter Gentleman. Ich erwiderte die Geste und schloss für den Kuss die Augen. Alles um uns herum war still, nichts interessierte mich, weder das Gerede noch die Musik. Ich genoss die Zärtlichkeit, die er mir schenkte und wie er mich berührte. Sachte hatte er eine Hand um meine Taille gelegt und hielt mich fest. Würde er doch nur niemals damit aufhören.
Langsam löste er seine Lippen von meinen und ich öffnete meine Augen wieder. Nicholas gab dann das zu, was ich zuvor erkannt hatte.
„Mir fehlen die Worte... ich war mir sicher, dass das Kleid dir schmeicheln würde, dass es dir aber so gut steht und mich sprachlos machen würde, war mir nicht bewusst." Mir wurde heiß und meine Wangen rot.
„Danke." Kam es krächzend aus mir heraus.
„Möchtest du uns deine neue Gefährtin nicht vorstellen?" hörte ich Marcus sagen, der mit einem Glas Champagner und der Blondine von vorhin neben uns aufgetaucht war. Nicholas nickte und drehte sich von mir zur der Menge.
„Darf ich vorstellen! Das ist Emily Norton, sie ist die neue Frau an meiner Seite." Ich stockte. Hatte er mich mit seinem Nachnamen vorgestellt? Warum? Warum log er? Hatte er vor mich zu heiraten? Tausend neue Fragen! Ich versuchte mich auf die Gäste zu konzentrieren. Wohin ich auch sah, Lächeln und Klatschen. Bitter war die Erkenntnis, dass Marcus doch die Wahrheit gesprochen hatte, wenn Blicke hätten töten können wäre ich auf der Stelle umgekippt. Doch auch das war mir egal, als ich die Hand des Mannes spürte, der mir Sicherheit schenkte. Er hatte meine Hand genommen und zog mich etwas zu sich. Er hatte mich dieser Meute als Miss Norton vorgestellt und es fühlte sich zugegeben gut an. Doch das durfte es nicht!
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Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)
Mystery / Thriller"Hättest du mich gesucht?" "Überall!" "Was wenn du mich schließlich gefunden hättest?" "Dann hätte ich dich zurückgeholt..." Nun lächelte er. "Zurück hierher?" "Zurück hierher...!" "Warum?" "Eines sollte dir gesagt sein... ich werde...