Kapitel 4

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Saltatio Mortis - Mein Weg

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Vollkommen erledigt ließ Sasha sich auf den mit Moos gepolsterten Boden seiner Hütte fallen. Die ganze Nacht war er auf den Beinen gewesen, hatte die Wälder durchkämmt, auf der Suche nach irgendetwas Essbaren. Hatte seinem Körper keinerlei Ruhe gegönnt, in der Hoffnung wenigstens ein Wildschwein oder eine der wilden Ziegen, die auf den Anhöhen lebten, zu erwischen. Doch die einzigen Lebewesen, die ihm begegnet waren, waren Eulen und Eichhörnchen gewesen. Er verzog das Gesicht. Unwirsch schnappte er sich eine der Himbeeren, die er schließlich gesammelt hatte und warf sie sich in den Mund. Verärgert wanderten seine Gedanken zu dem Wolf, der am Tage zuvor so leichtsinnig sein Gebiet betreten hatte und nicht nur seine Jagd gestört hatte, sondern auch noch ohne ein Wort wieder davongelaufen war. Er griff nach einer weiteren Beere und drehte sie zwischen den langen Fingern. Mehr verletzt als wütend dachte er an den geschockten Gesichtsausdruck des Anderen. Freute man sich nicht normalerweise, wenn man auf seinen Gefährten traf? Machte es einen nicht stärker, weil man wusste, dass man jemanden hatte, der einem den Rücken frei hielt? Heftig schüttelte er den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben und zerdrückte die Beere in der Hand. Während ihm der rote Saft über die Finger lief fasste er einen Entschluss, er würde seinen Gefährten finden, ob dieser nun wollte oder nicht und nichts auf der Welt würde sie dann trennen können. Mit einem wölfischen Grinsen erhob er sich vom Boden und verließ die Hütte.

In Menschengestalt joggte er zwischen den Bäumen hindurch und kümmerte sich nicht im Geringsten darum, dass er die Tiere aufschreckte und den gesamten Wald in Aufruhr versetzte. Sein Atem ging schwer, als er schließlich am Fuße des riesigen Felsens angelangte, den er als sein Ziel ausgewählt hatte. In seinem Wolfskörper wäre es ihm unmöglich gewesen die schroffen Steinwände zu erklimmen, er hätte schon nach wenigen Metern wieder umdrehen müssen. Doch er hatte gelernt seine unterschiedlichen Gestalten bis an ihre äußersten Grenzen zu nutzen. Es war für ihn ein Leichtes, die richtigen Lücken zu finden und sich mit Händen und Füßen daran entlang zu hangeln. Seine Konzentration ließ jedoch zu wünschen übrig, so dass er mehrmals abrutschte und sich die Handflächen an den scharfen Kanten aufriss und auch seine nackten Füße bekamen einige Schnitte ab. Unter lautem Fluchen, weil er bereits zum dritten Mal einen falschen Schritt getan hatte und nun wie eine lose Fahne im Wind, an einem Arm am Gestein hing. Ein kurzer Moment der Panik und schon hatte er sich wieder gefangen. Oben angekommen fand er sich auf einer sonnenbeschienenen Plattform wieder, die einen großartigen Blick über das ganze Gebiet bot. Er streckte einige Male die verkrampften Muskeln, bevor er wieder die Gestalt des Wolfes annahm und sich zu einer schokoladenbraunen Kugel zusammen rollte. Sobald jemand in sein Territorium eindringen würde, würde er es merken. Gähnend legte er den Kopf auf seinen Schwanz und schlief ein, während die letzten Strahlen der Sonne ihm sanft das Fell wärmten.

Ein vertrauter Geruch stieg Sasha in die Nase und weckte ihn aus dem erholsamen Schlaf. Er stand auf und lockerte mit den trägen Bewegungen des Halbschlafs Arme und Beine. Neugierig kroch er auf dem Bauch zum Rand des Plateaus und schaute hinab. Zwischen den Büschen stand ein schlanker, junger Mann mit verwuschelten nussbraunen Haaren, er blickte unruhig umher als würde er etwas suchen. Ein leises Lächeln umspielte Sashas Lippen während er sich vorsichtig zurückzog und sich in einen Menschen verwandelte. Immer noch grinsend schnappte er sich eine der Hosen, die er für den Notfall unter einem Stein drapiert hatte. Ein letztes Mal blickte er hinunter um den Teich nicht zu verfehlen, nahm dann einige Meter Anlauf und sprang hinab.

Mit einem lauten Klatschen landete er im Wasser und bespritze alles, was sich im Umfeld befand.

Hastig sprang Castiel bei Seite, konnte aber trotzdem nicht verhindern von ein paar Tropfen getroffen zu werden. Doch richtig böse sein konnte er dem Springer nicht, denn er wusste, dass er der war, nach dem er gesucht hatte, und sein Instinkt sagte ihm, dass er seinem Gefährten nicht böse sein sollte. Also blieb er nur am Rand des Tümpels stehen und wartet bis der Fremde in der Verfassung wäre mit ihm zu sprechen.

Lachend tauchte Sasha wieder auf und warf seine langen Haare in den Nacken, mehr Wasser spritzte. Bestens gelaunt packte er den Jüngeren am Kragen, warf ihn sich über die Schulter und ließ ihn sofort wieder fallen, so dass er mit dem Rücken auf den Boden krachte. Er packte den Anderen an den Handgelenken und nagelte ihn so fest. „Soo, du Frischling", knurrte er triumphierend, „jetzt werden wir zwei uns mal ernsthaft unterhalten!"

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