Kapitel 10

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Ruelle - War of Hearts

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Resigniert seufzte Sasha. Aus einer spontanen Gefühlsregung heraus streckte er sich ein wenig und leckte Castiel über den Kopf. Verwirrt über diesen plötzlichen Ausbruch mütterlichen Instinktes, schlich er an ihm vorbei und hinterließ eine dunkelrote Blutspur auf dessen hellbraunem Fell. Innerlich fluchte er, der Blutverlust meldete sich und sein Blickfeld verschwamm immer weiter. Hämmernde Schmerzen breiteten sich von der Wunde in seiner Schulter im Rest seines Körpers aus und zwangen ihn sich wenige Meter von Castiel entfernt auf den Boden zu legen. Sein Blut durchtränkte die Erde und hinterließ eine dunkle Pfütze am Boden, erschöpft schloss Sasha die Augen. Beunruhigt bemerkte er, wie sich Castiel mit dem leisen Rascheln vom Pfoten im Gras entfernte. Kurz darauf erklang ein unwilliges Knurren und er hörte, wie sein Gefährte zu ihm zurückkehrte.

Castiel blieb neben Sasha stehen. Er hatte sich beruhigt. „Ich habe es meinem Vater erklärt. Kannst du dich verwandeln?" Es kam keine Antwort. Sasha rührte sich nicht. „Dann trage ich dich. Sagst du mir, wo ich hin soll oder muss ich den Weg selber finden?" Wieder keine Antwort. Sasha schien nur noch vor sich hin zu dämmern. Vorsichtig nahm Castiel Sasha im Nacken hoch und schleppte ihn durch den Wald. Er wusste nicht wohin und in Ermangelung anderer Möglichkeiten entschied er sich für den einzigen Unterschlupf innerhalb Sashas Gebiet, den er kannte. „Mein Vater wird dir nichts mehr tun. Ich habe das mit ihm geregelt", redete Castiel drauf los, vielleicht nur, um nicht zu schweigen, während er Sasha so schnell wie möglich ohne ihm weiter wehzutun durch den Wald trug. „Du musst dir keine Gedanken machen, aber wie ich dich kennengelernt habe, machst du das sowieso nicht." Die Sonne schien durch das Blätterdach. „Ich könnte etwas aushandeln, aber es wird dir nicht gefallen." Er hörte unter seinen eigenen Schritten das Laub rascheln. „Mir gefällt es auch nicht. Mein Vater will, dass wir uns nicht wieder sehen." Langsam kam ihm Sasha in seinem Griff schwerer vor. „Ich denke nicht, dass ich mich daran halten werde. Wir müssen uns nur schlau anstellen, dann kriegen wir das hin." Sie kamen der Reviergrenze näher. „Es ist nicht mehr weit." Noch wenige Meter weiter musste Castiel laufen, ehe er eine kleine sich in die Erde grabene Höhle erreichte. Vorsichtig legte er Sasha darin ab. „Ich komme gleich wieder. Lauf ja nicht weg." Beruhigend strich er ihm mit der Schnauze über das Fell. „Ich schätze mal, das kannst du auch gar nicht." Noch einen besorgten Blick widmete er seinem Gefährten. „Und stirb bitte nicht", murmelte er noch leise hinterher, als könne sich Sasha willentlich daran halten.
Dann verließ Castiel schnellen Schrittes die Höhle wieder. Er zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu geraten, dass würde Sasha nicht helfen. Was er jetzt brauchte war jemand, der ihn versorgte. Schnellstmöglich legte Castiel den Weg zu seinem Haus zurück, das etwas abgeschieden nahe an der Rudelgrenze lag.

Das unangenehme Gefühl von feucht kalter Erde in seinem Fell weckte Sasha. Leicht desorientiert blickte er sich um und musste einen kurzen Anschwall von Angst unterdrücken. Er befand sich in einer ihm unbekannten Umgebung, aber das war noch lange nicht sein größtes Problem. Nun da er langsam wieder zu Bewusstsein kam spürte er, dass.... er rein gar nichts fühlte. Sein Körper schien die Konsistenz von Pudding zu haben, alles war betäubt und selbst als er versucht auch nur den Schwanz zu heben, musste er nach einigen Minuten feststellen, dass er nicht einmal dies fertig brachte. Frustriert seufzte er und gab auf.

„Armselig!" Mürrisch betrachtete er den schmalen Ausgang der Höhle. Die goldenen Strahlen der Sonne, die den Boden vor ihm erwärmte zeigte ihm, wie viel Zeit bereits vergangen war seit dem Zusammenstoß mit dem Alpha. Alpha? Sasha hielt inne. Irgendwas schien er vergessen zu haben. Siedend heiß fiel es ihm wieder ein. Castiel.

Castiel, der ihn durch den Wald schleifte. Castiel, der ihm irgendwelches wirres Zeug erzählte, der ihn bis hierher geschleppt hatte und dann schließlich durch genau die Öffnung, die er gerade anstarrte nach draußen verschwunden war. Die Wirklichkeit verschwamm vor seinen Augen, der dunkle Erdboden wurde zu einem grellen Weiß und anstelle der lauwarmen Sommerluft wehte ein schneidender Wind Schneeflocken ins Nichts. Eine dunkle Silhouette erschien am Höhleneingang und bewegte sich auf ihn zu. Sasha begann zu zittern, trotz der langen Jahre, die dieses Erlebnis bereits zurücklag, erinnerten sich sein Körper und Geist noch sehr genau an das, was ihn nun erwartete. Fast zärtlich streckte sich eine Hand nach ihm aus und berührte sein Fell, strich ihm über den Kopf. Eine vertraute Bewegung und doch so gefüllt mit eiskaltem Hass. Dunkle Augen blitzten über ihm auf und ein hämisches Lachen drang an sein Ohr, als sich die Hand weiter hinab bis zu seinem Hals bewegte. Verbissen versuchte Sasha seinen Körper zum Zurückweichen zu zwingen, suchte einen Weg den Erinnerungen zu entkommen und doch spürte er deutlich, wie sich die Hand immer weiter schloss und ihm langsam aber sicher die Luft abschnürte.

Mit aller Gewalt brach der Schmerz plötzlich wie eine Welle über ihm zusammen. Die Welt in Sashas Blickfeld bekam Risse und schien zu zersplittern wie sprödes Glas. Die Erinnerung zerbarst in große Stücke und verschwand, nichts als schwindelerregender Dunkelheit zurücklassend, im Nichts. Sofort riss Sasha die Augen auf und schnappte keuchend nach Luft.

WolfssorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt