Kapitel 16

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Billy Joel - My Life

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Ruta holte tief Luft, doch bevor sie auch nur einen Satz über die Lippen bekam, lehnte sich Sasha zu Castiel hinüber. Er streckte die Hand aus, um das Gesicht seines Gefährten ein Stück zu sich zu drehen und legte ihm den anderen Arm um die Schultern. Sanft strichen seine Lippen über Castiels Wange und er konnte den Anderen den Atem anhalten spüren. Seine Hand wanderte weiter in die weichen kurzen Haare und vergrub sich darin. Mit halb geschlossenen Augen betrachtete er Castiel. „Hab dich!", triumphierend grinste Sasha und lehnte sich abrupt wieder zurück. Über seine Finger krabbelte eine kleine Spinne, die er mit einer wegwerfenden Handbewegung entfernte. Dann schaute er zu Ruta und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Kommt jetzt diese typische Moralpredigt, die man normalerweise von seiner Mutter gehalten bekommt, wenn man sich nicht benimmt?", fragte er in sarkastischem Tonfall.

Castiel stupste Sasha anklagend in die Seite. Einerseits, weil dieser eine unangebrachte Handlung im Beisein seiner Schwester begangen hatte, andererseits, weil dieser einen unangebrachten Kommentar hatte verlauten lassen, wie so ziemlich alles, was er Ruta gegenüber vom Stapel gelassen hatte. Castiel hatte sich das erste Treffen wie die Beziehung zwischen seinem Gefährten und seiner Schwester definitiv anders vorgestellt. Nun konnte er nur abwarten, in welche Richtung sich das Gespräch bewegen würde.

Ruta stemmte die Hände in die schmalen Hüften und setzte erneut zu ihrem Vortrag an. „Zuerst einmal", streng blickte sie Castiel an, „bin ich maßlos enttäuscht!" Betreten betrachtete der Angesprochene seine Füße. „Wie kommst du bloß darauf, mir so schamlos ins Gesicht zu lügen? Du hattest Angst, hast dir Sorgen gemacht, bla, bla, bla.
Aber ist dir dabei vielleicht mal der Gedanke gekommen, dass ich damit eventuell gar kein Problem habe? Seh ich aus wie unser alter Herr, dass ich 'nen Stock im Arsch hab, der mich daran hindert mal auf die Gefühle Anderer zu achten? Obwohl ich schon zu geben muss, dass du mit dem hier", sie musterte Sasha von oben bis unten und schnalzte mit der Zunge, „wohl mehr beim Aussehen als beim Charakter Glück gehabt hast." Ruta trat an Castiel heran und legte ihm die Hände auf die Schultern. Dabei war ihr nur zu bewusst, dass der kritische Blick der dunkelgrünen Augen seines Gefährten sie keinen einzigen Moment unbeobachtet ließ. „Was ich damit sagen will ist: Es ist mir egal. Es interessiert mich nicht, ob du eine Gefährtin oder doch einen Gefährten hast, so lange du dich damit wohl fühlst. Und ich bitte dich, wen interessiert heutzutage noch dieses ganze altmodisch traditionelle Gehabe? Ob man jetzt mit einem Werwolf vom anderen Geschlecht zusammen ist oder peng. Es ist nicht wichtig." Sie grinste und wedelte lässig mit einer Hand. „Wie auch immer, dein Freund kann bleiben. Aber nur unter der Bedingung, dass wir ihm mal was Ordentliches zum Anziehen kaufen. Das geht ja gar nicht."

Einen Moment beherrschte Stille den Raum und nur der Lärm der Straße, der von draußen herein drang, war zu hören. „Bitte was?!", vollkommene Entrüstung sprach aus Sashas Stimme, „wo genau liegt denn das Problem bei meinen Klamotten? Also ich mag sie so wie sie sind und, dass ihr zwei bloß nicht auf die Idee kommt, mir Schuhe zu kaufen. Die Dinger sind unbequem, vollkommen unnütz und außerdem extrem lästig, weil man sich in denen nach der Verwandlung immer verheddert!" Ungläubig suchte er Castiels Blick.

Dieser saß wie in Schockstarre auf dem Sofa. Er konnte fast nicht glauben, was er von seiner Schwester gehört hatte. Er brauchte einen Moment, bis zu ihm durchsickerte, dass seine Schwester und sein Gefährte ganz normal neben ihm saßen uns sich kabbelten, dass Sasha und er hier würden bleiben können. Erleichertung machte sich in ihm breit. Eine Träne rollte ihm über die Wange. „Entschuldigung, entschuldigung", entschuldigte er sich immer wieder. Er wollte das ja selbst nicht, doch konnte er sich nicht vom Schniefen abhalten. Um sich zu verstecken, schlang er seine Arme um Sasha und versteckte seine Gesicht in dessen grünen T-Shirt, nicht ohne sich auch weiterhin für seine Gefühlsduseligkeit zu entschuldigen.

Sasha klopfte seinem Gefährten einige Male vorsichtig auf den Rücken, während er Ruta mit einer unmissverständlichen Kopfbewegung klar machte, den Raum zu verlassen. Diese verdreht entnervt die Augen, verzog sich aber dann doch lieber in die Küche. Bestimmt packte Sasha Castiel schließlich an den Schultern und schob ihn von wich weg. „Genug mit der Heulerei, reiß dich mal zusammen", er rümpfte die Nase, „und du brauchst definitiv mal eine ordentliche Dusche."

„Und du brauchst Schuhe, wenn du hier bleiben willst", Castiel grinste Sasha schräg mit noch immer veheulten Augen an. „Entschuldigung, ich war nur so... erleichtert. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, hätte Ruta gesagt, dass du nicht bleiben darfst." Damit heftete er seinen Blick wieder auf das Sofa und knetete unruhig seine Hände.

Sasha seufzte bei dem Kommentar zu den Schuhen entnervt, warum genau war er noch mal hier? „Dann hätte ich sie mir geschnappt, sie gefesselt und geknebelt und wir hätten sie in irgendeinen Raum eingesperrt", er zwinkerte Castiel zu und lächelte grausam, „ich wollte schon immer mal wissen, wie lange es unsereins ohne Nahrung aushält." Mit schräg gelegtem Kopf wartete er auf die Reaktion seines Gefährten, welcher haltlos anfing zu kichern. „Ich wäre eher gespannt, wie lang ihr Verwinden unentdeckt geblieben wäre."
Dann wurde er wieder ernster und grinste Sasha bloß noch verschmitzt an. „Ich schätze, ich tue dir dann mal den Gefallen und gehe duschen. Sei so lieb und nimm Ruta bitte in der Zwischenzeit nicht auseinander." Damit erhob er sich vom Sofa.

„Ich, sie auseinander nehmen? Niemals. Wie kommst du nur auf solche Ideen?", lachte Sasha. Doch dann verengten sich seine Augen für einen Moment und er musterte Castiel von oben bis unten. „Mit dir hab ich übrigens auch noch ein Hühnchen zu rupfen, also freu dich bloß nicht zu früh."

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