Kapitel 22

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[Saxon - Do It All For You]

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Empört verschränkte Sasha die Arme vor der Brust und stand auf. „Da will man ein Mal in seinem Leben ein bisschen Spaß haben, aber nein", er musterte Castiel von oben bis unten, „du musst schon wieder dazwischen funken..."

„Es gibt durchaus wichtigere Dinge als mal Spaß zu haben. Uns zum Beispiel", begann Castiel und redete sich erst richtig in Fahrt, „Oder dieses Gefährten-Ding. Oder..." „Schnauze. Da hat Sasha - denke ich - durchaus recht," schritt Viktor barsch ein.

Die Spannung in der Luft zwischen den beiden war förmlich greifbar und auch die anderen Gäste der Bar begannen unruhig zu werden. Quietschend kratzten Stühle über die Holzdielen, Kleidung raschelte und in den Ecken husteten verstohlen ein Paar Raucher. Sashas Nackenhaare stellten sich erneut auf, als er die verstohlenen Blicke auf sich spürte, und er verdrehte nun deutlich genervt die Augen. Hatten diese verdammten Stadtkinder noch nie einen Beziehnungsstrein erlebt? Warum zur Hölle musste alle Welt ihn immer anstarren?!

„Was mischt du dich eigentlich ein? Du hast damit doch gar nichts zu tun, du Schönling!", fauchte Castiel erbost Viktor an, welcher nur hämisch zu grinsen begann: „Wenn du dein Chérie nicht retten kannst, muss ich das eben machen und wenn es vor dir ist." Überheblich funkelte er Castiel aus seinen hellblauen Augen an, sodass dieser sich automatisch, obwohl in seiner stehenden Position durchaus größer, klein vorkam.

Unwirsch packte Sasha die Beiden an den Handgelenken und zerrte sie Richtung Ausgang. Mit einem Krachen fiel der Hocker, auf dem Viktor gesessen hatte, zu Boden, weil dieser seine Beine nicht schnell genug entwirrte und dem Stuhl somit beinahe auf die Dielen folgte. Sasha ignorierte den Lärm hinter sich. Er befand sich gerade in einer weitaus komplizierteren Position, als er die schmale Tür betrachtete, mit drei Personen gleichzeitig passten sie da auf jeden Fall nicht durch. Schon gar nicht, wenn einer der zwei sich sträubte, wie eine Katze auf dem Weg zur Dusche, und der Andere immer noch versuchte seinen Fuß unter dem Hocker hervorzuziehen.

Kurzentschlossen ließ er Castiel wieder los und stupste seinen Gefährten recht unsanft hinaus. „Raus hier!", knurrte er dabei und verzog das Gesicht, als Castiel sich weiter gegen ihn sträubte.

Castiel wollte schließlich nicht hinaus. Viel eher stand ihm der Sinn danach, sich mit diesem Viktor zu schlagen. Oder eher nur diesen Viktor zu schlagen. Ehe er sich aber weiter wehren konnte, waren sie schon umgeben von kühler Septemberluft umgeben. Castiel stellte aber mit Genugtuung fest, dass der Schönling auch noch hinten dran hing. Dann würde er ja doch noch die Gelegenheit bekommen, sich mit ihm zu schlagen. Also, ihn zu schlagen. Er wandte sich um und fand sich abrupt Auge in Auge mit dem Tiger der Situation wider. Da kam ihm das erste Mal der gedanke, dass, wenn er Viktor schlagen würde, er sicherlich auch selbst geschlagen werden würde. Und das würde vermutlich für ihn schlechter ausgehen als für Viktor. Um einiges in Anbetracht von Viktors Größe und vermeintlicher Muskelmasse. Der Gedankengang hielt ihn trotzdem nicht davon ab, es zu tun. Verwundert betrachtete er, wie seine Faust auf der hübschen Nase seines unverschämten Gegenübers landete. Irgendwo war seine Reaktion sicherlich überzogen, das wusste Castiel, aber der Alpha in ihm sah durchaus die Notwendigkeit zu dieser Handlung. In oscarreifem Sturz fiel dieser theatralisch auf den Hosenboden und blieb von Castiel gänzlich ignoriert sitzen. „Und jetzt kommst du gefälligst mit nach Hause. Ich will mit dir reden." „Nur reden?", fragte die unbedeutende viktor'sche Stimme aus dem Off, die Castiel mit einem „Das geht dich nichts an." abspeiste, bevor er Sasha mit großem, grauen Hundeblick anbettelte: „Kommst du mit mir mit?"

Einen Moment zögerte Sasha, dann musste er schließlich grinsen. „Erstaunlich,", meinte er und in seiner Stimme schwang ein leichter Anflug des altbekannten Sarkasmus mit, „du kannst doch mal den Alpha raus lassen. Ich hab mich schon gefragt, ob du nicht vielleicht von der falschen Familie erzogen worden bist." Er legte einen Arm um Castiels Schultern und zog ihn mit sich. Im Gehen winkte er dem immer noch am Boden sitzenden Viktor lässig zu. „Ich bin dann mal weg", meinte Sasha. Viktor verzog das Gesicht zu einem Lachen und formte mit den Lippen die Worte: „Ruf mich an." bevor er Castiels Rücken noch einmal die Zunge herausstreckte und, nachdem er sich aufgerappelt hatte, wieder in die Bar verschwand.

Das Adrenalin verflüchtigte sich langsam aus Castiels System und die Kälte begann, sich unter sein Shirt und in seine Haut zu graben. Er suchte Sashas Wärme und schmiegte sich näher an diesen. Er wünschte fast, er könne in Sasha hineinkriechen, um dessen Wärme zu absorbieren.

Sasha fröstelte leicht, aus irgendweinem Grund hatte er seine Jacke vergessen und Castiel trug auch nicht viel zur Aufwärmung bei. Der Körper seines Gefährten war eiskalt und Sasha war ziemlich sicher, dass mindestens einer von ihnen eine Erkältung kriegen würde, wenn sie nicht schnell ins Warme kommen würden.

Kurz ließ er seinen Gefährten los, zog die dünne Sweatjacke aus und drückte sie dem Jüngeren in die Hand. „Zieh das an", meinte er, „ich hab keine Probleme mit der Kälte, aber wir wollen doch nicht, dass du nachher als Bazillenschleuder durch die Gegend wandelst."

„Dankeschön", sagte Castiel aufrichtig gerührt. Er schlüpfte in die wunderbar warme Jacke und konnte nicht anders, als für einen kurzen Moment die Arme um seinen Gefährten zu schlingen und sich an ihn zu pressen. Der Bedürfnis, ihn zu küssen, machte sich in Castiel breit. „Ich wusste ja gar nicht, dass du so fürsorglich sein kannst", neckte Castiel ihn keck lächelnd, ließ den Kuss doch bleiben, ergriff dann, nachdem er sich von Sasha gelöst hatte, seine Hand und zog ihn weiter aus dem heruntergekommenen Viertel heraus in eine ansehnlichere Gegend, bis sie den Gebäudekomplex erreichten, in dem sich auch Rutas moderne Wohnung befand. Angenehme Wärme schlug ihnen schon im Treppenhaus entgegen. Vier Stockwerke weiter oben, schloss Castiel die Wohnungstür auf. Kaum drinnen, gab er seinem Drang nach und presste seinen Gefährten mit dem Rücken voran an die Wand. Jetzt wollte er es aber tun. Hier in der Sicherheit der Wohnung wollte Castiel Sasha küssen.



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