21

166 18 3
                                    

Stumm lief ich wieder den Weg zur Psychiatrie zurück entlang. Wieder hatte ich die Hände in meinen Taschen vergraben, sah meinen Atem in gräulichem Nebel vor meinem Gesicht. Es wird eindeutig Winter, vielleicht ist es das auch schon, ich wusste ja nicht einmal, welches Datum war. Es erschreckte mich ein wenig, wie ich so tief sinken konnte. Ich merkte garnicht, wie Kevin plötzlich wieder neben mir auftauchte. "So schlimm ist der doch garnicht. Wie heißt der gleich? Doktor.."
"Keine Ahnung, hab ich mir nicht gemerkt." Erwiderte ich trocken, sah ihn etwas aus dem Augenwinkel an. "Hm, naja, auch nicht schlimm." Sagte er schulterzuckend und heftete seinen Blick auf die Anstalt, die sich vor uns auftürmte. "Darf ich dich was fragen?" Fragte ich und kam mir dabei wahnsinnig dumm vor. "Was denn?" Er sah mich fragend an. "Hattest du eine Wahl? Ob du sterben willst oder nicht meine ich?" Er blieb stehen und sah ziemlich verwirrt aus, doch letztendlich antwortete er mit: "Ja." und lief dann weiter. "Warum hast du dich dafür entschieden?" Fragte ich und hastete ihm nach. "Es wäre irgendwie sinnlos gewesen, oder? Ich habe mich ja nicht von der Brücke gestürzt, um am Ende doch zu überleben." Ich wusste nicht, was ich mir als Antwort erhofft hatte, aber ganz sicher nicht das. Ich ließ es unkommentiert und öffnete die Tür zum Heim, war schon fast froh darüber, dass Bethy gerade nicht an der Rezeption war. Ich ging nach oben zu meinem Zimmer und blieb dann im Türrahmen stehen. Ich drehte mich zu ihm um. Er legte den Kopf schräg und sah mich verwundert an. "Ich glaub, ich brauche etwas Zeit für mich. Ich muss ein bisschen allein sein, Curry, verstehst du?" Er zog die Augenbrauen zusammen und nickte dann. "Ja, verstehe ich. Heißt also, ich soll verschwinden?" Er klang ein klein wenig verletzt, was mir im Moment ziemlich leid tat. "Hab ich so jetzt nicht gesagt, aber.. ja, ja, das heißt es." Er nickte wieder und schob mich in mein Zimmer. "Na dann." Hörte ich ihn sagen, dann deutete er mir, die Tür zu schließen. Ich ließ mir alles etwas durch den Kopf gehen und lief dabei im Zimmer auf und ab, bis mich ein klingeln des Telefons an der Wand zusammenzucken ließ. Ich nahm den Hörer ab und antwortete monoton mit: "Ja?".
"Hey, Tobi! Wie gehts dir?" Hörte ich Eriks Stimme am Ende der Leitung. "Mir? Mir geht es bestens." Das war meine Standartantwort, schon seit Jahren. "Nah, schon klar. Tati und ich hatten vor, morgen mal rum zu kommen. Passt das für dich?" Eigentlich passte es garnicht und immer, ich war mir unschlüssig, ob ich nun allein oder in Gesellschaft sein wollte. "Jap, ist okay." Antwortete ich letztendlich. Ich hörte Pan im Hintergrund etwas sagen, woraufhin Erik leise seufzte. "Ähm, ja, also bis morgen, Tobiman!" Er legte auf und ich hing den Hörer wieder hin. "Erik klang seltsam eben, nicht?" Ich zuckte erschrocken zusammen und drehte mich zum Bett um. "Warum bist du hier drin?!" Er zuckte mit den Schultern. "Was weiß ich? Ich hab mir auch nicht ausgesucht, hier aufzutauchen, das war einfach so. Wer weiß, wieso. Also sehen wir morgen Pan und Erik? Coole Sache. Was machen wir mit ihnen?" Ich schüttelte den Kopf. "Du meinst, was ich mit ihnen mache. Dich.gibt.es.nicht.!" Er lachte auf. "Was lachst du so?!" Er schüttelte ebenfalls den Kopf. "Es ist süß, wie du mich die ganze Zeit verleugnest. Als hättest du mittlerweile einen anderen, mit dem ich dich nicht erwischen soll." Ich sah ihn entgeistert an. "Du warst die erste und einzige Person in meinem Leben, die mich vermutlich geliebt hat. Die Betonung liegt auf warst." Er seufzte schulterzuckend. "Naja, wie du meinst. Ich glaube das nicht, aber was solls, ich bin ja nicht real."
"Du verwirrst mich komplett. So sehr ich dich auch liebe, es wäre einfacher, wenn du einfach tot und nicht mehr da wärst. Klingt vielleicht absurd, aber ich hoffe mal, du weißt, was ich damit meine. Wie auch immer, ich geh jetzt duschen." Ich bewegte mich auf den Kleiderschrank zu, öffnete die Tür auf der Seite, in der meine Sachen lagen und zog etwas zum anziehen heraus, dann begab ich mich damit ins Bad und ließ ihn sitzen. Ich stieg rasch unter die Dusche, ließ mit geschlossenen Augen das Wasser über meinen Körper laufen und begann, eine Melodie zu summen. "Hey, das klingt ziemlich original!" Beinahe wäre ich ausgerutscht und hingefallen. Der Duschvorhang war undurchsichtig, trotzdem zog ich mich zusammen und setzte mich vorsichtig zusammengekauert auf den Boden der Dusche. "Verschwinde aus dem Badezimmer, du Creep!" Fauchte ich und wischte mir Wasser aus dem Gesicht. "Ich kann nicht verschwinden" sagte er unschuldig. "Ich kann nicht abhauen, verstehst du das nicht?"
"Ja meinetwegen, aber du musst ja nicht in jeder Minute bei mir sein, oder?! Das ist verdammt gruselig. Also bitte, geh nach draußen oder dreh dich wenigstens um!" Er seufzte und lachte dabei etwas. "Okay okay, meine Augen sind geschlossen und ich steh mit dem Gesicht zur Wand. Zufrieden?" Ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht. "Das ist doch verrückt, ey.." Ich schaltete das Wasser aus, stand vorsichtig wieder auf und griff durch den Vorhang nach einem Handtuch, welches ich mir umband. Dann stieg ich aus der Dusche. Er hatte nicht gelogen, er sah ich tatsächlich nicht. Ich zog mir schnell meine Sachen an und warf das Handtuch in den Wäscheschlucker an der Wand. "Okay, dreh dich wieder um, das ist auch gruselig." Er tat wie ich sagte und sah mich an, ein leichtes Lächeln auf den Lippen und musterte mich ein wenig. "Was schaust du so?" fragte ich und folgte ein wenig seinem Blick, der letztendlich auf meinem Gesicht hielt. "Hab ich dir schonmal gesagt, dass du wunderschön bist?" sagte er und lächelte noch breiter. Ich lachte auf, wollte es verleugnen oder irgendetwas anderes dagegen sagen, doch das einzige, was ich konnte war lächeln. Ich fühlte mich gut, glücklich, beschwingt durch diesen Satz, diese paar Worte. Sie polten mich komplett um. Und eben dafür, dass er sowas konnte liebte ich ihn so sehr. Diesen Charakterzug von ihm, der vor zwei Jahren mit dem Rest seiner Persönlichkeit flöten gegangen war, hatte ich immer schon bewundert und respektiert. Einige Momente lang sah ich ihn nur an, musterte jede einzelne Facette, jeden noch so kleinen Gesichtszug. "Ich liebe dich, Creep." sagte ich grinsend und öffnete dann die Badezimmertür, ohne dabei den Blick von ihm abweichen zu lassen. Als ich mich zur Tür drehte zuckte ich zusammen. "Was tun Sie hier?!" fuhr ich Mary-Beth an, die mich verwirrt musterte. "I-ich wollte Sie wegen dem Essen fragen, Sie wissen schon, und weil Sie nicht auf das klopfen regiert haben musste ich reinkommen und- wohin haben Sie da eigentlich gerade geschaut? Ist da etwas an der Wand?" Ich sah kurz wieder Kevin an, der entrüstet die Hände in die Hüften stemmte und sich lautstark darüber beschwerte. "Halt die Klappe" zischte ich ihn leise an, woraufhin Bethy mich wieder seltsam anblickte. "Nein, nein, schon gut, alles bestens. Ich wäre gerne allein, wenns genehm ist." Sie nickte und entschuldigte sich aufrichtig, bevor sie schnell wieder verschwand. "Bald halten mich noch alle für verrückt" sagte ich und lachte bei dem Gedanken daran. Verrückt. Ja, vermutlich war ich einfach nur verrückt.

Save me | Fortsetzung von "Stay. | a #currbi fanfiction"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt