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Pans Gesichtszüge gefroren, sie stand starr da und sagte kein Wort. Sie atmete tief, setzte sich langsam und wie geschockt auf den Stuhl und starrte ins Leere. "Warum inoperabel?" Fragte ich aus reiner Neugier und weil es Tati vielleicht half. "Er ist sehr klein und sehr ungünstig gewachsen, man sieht ihn kaum und es ist unmöglich an ihn ranzukommen ohne nicht Ihrem Gehirn zu schaden." Ich nickte verständnisvoll. "Verstehe... Wie lange hab ich dann noch..?" Er überlegte kurz. "Vermutlich nur einen Monat, wenn überhaupt. Tut mir leid" Die Worte hingen schwer in der Luft, er lächelte mitleidig und verließ das Zimmer. "Jetzt kann ich gehen." Ich drehte den Kopf etwas nach rechts, von Pan weg und sah Kevin aus dem Augenwinkel an. "Dann geh." Flüsterte ich, meine Stimme klang brüchig und verlor sich mit den Worten. "Dann werde ich das tun. Bis bald, Schatz." Ich wandte meinen Blick wieder an die Wand gegenüber meines Bettes. Jetzt war er nicht mehr hier, jetzt hatte ich erreicht, was ich seit drei Wochen erreichen wollte. Und irgendwie bereute ich es. Aber gleichzeitig auch nicht, immerhin wusste ich jetzt, was ich hatte. Trotzdem, es ist seltsam und ziemlich deprimierend, plötzlich gesagt zu bekommen, dass man weniger als einen Monat zu leben hat. Im Endeffekt war es immer mein Wunsch, endlich mein beschissenes Leben hinter mir zu lassen, was durch die Sache mit Steve, Curry's Depressionen und Tod und durch die Tatsache, dass ich jetzt seit eineinhalb Jahren wieder allein dastand verstärkt wurde. Aber nicht so. Ich wollte niemals an irgendeiner dämlichen Krankheit sterben. Warum auch immer ich Selbstmord vorgezogen hätte. "Pan?" Sie zuckte zusammen und sah von ihren Knien auf. "Hm?" Machte sie und auch ihre Stimme klang etwas zittrig. "Du darfst ruhig weinen. Friss das nicht in dich rein, bitte." Ich sah sie aus dem Augenwinkel an, sah, wie sie die Lippen aufeinander presste und einige Tränen ihre Wangen hinab liefen. "D-du... Du wirst sterben... Das ähm... so hab ich mir die Weihnachtszeit definitiv nicht vorgestellt..." Es war schon Weihnachten? Ich sagte ja, mir fehlt eindeutig das Zeitgefühl. "Tut mir leid, dass ich es euch verderbe." Sie schüttelte hastig den Kopf und nahm meine Hand, woraufhin ich erstmals wieder von der Wand abließ und sie ansah. "Du kannst dafür nichts. Du verdirbst uns das nicht, keine Sorge. Du erlebst es ja ohnehin noch mit, ist schließlich und zwei Tagen" In zwei Tagen schon? Oh Gott. "Dann mach ich ja das schönste Geschenk, hm?" Sie seufzte. "Hör auf, Tobi, du kannst nichts dafür, es ist alles okay. Wir sollten die letzten Tage genießen, meinst du nicht auch?" Ich nickte. Ja, es war tatsächlich eine gute Idee. Ich sollte mein Leben besinnlich beenden, aber vorallem sollte ich nicht weiter darüber nachdenken. "Ich glaube, ich sollte mal mit meinem Psychiater telefonieren.." Meinte ich und blickte zum Telefon auf dem Nachttisch mit Rädern. "Ohh,  ähm, klar, warte" Pan wischte sich das Gesicht mit den Ärmeln trocken und stand dann auf, um mir den Hörer zu reichen. "Nummer?" Ich musste kurz nachdenken, konnte sie dann aber ansagen. Ich hörte eine Weile lang dem Ton zu, sie verließ den Raum und irgendwann ging endlich jemand ran. "Doktor Mike Dorissen, was kann ich für Sie tun?" Eigentlich wollte ich normal anfangen zu reden und direkt zum Grund meines Anrufer kommen, doch etwas anderes interessierte mich jetzt viel mehr und brannte mir auf der Zunge. "Sie... Sie heißen Dorissen?!"
"Ohh, Herr Fulk, schön, Sie zu hören"
"Ja ja, schon gut. Verzeihen Sie mir die Frage, aber Sie haben nicht zufällig einen Bruder?"
Er schwieg kurz. "Habe ich, ja. Wieso?"
"Wie heißt er?"
"Warum interessiert Sie das?"
"Antworten Sie mir bitte einfach."
Er seufzte. "Er lebt vermutlich nicht mehr, ich habe ewig nichts von ihm gehört, nichts mehr seit-"
"Seit fast zwei Jahren?"
Er machte einige stammelnde Geräusche. "J-ja, woher-"
"Sie waren der Bruder meines Freundes."
Wieder schweigen. "Der Kevin, von dem Sie die ganze Zeit reden, ist... war also mein Bruder..?" Er klang jetzt garnicht mehr so selbstsicher und absolut nicht mehr wie mein Psychiater.
"Ich fürchte schon, ja.."
Er atmete tief durch. "Naja, immerhin weiß ich jetzt, was aus ihm geworden ist... Wow, ich hätte nicht gedacht, dass mein Tag noch schlimmer werden kann.."
"Noch schlimmer?"
"Ähm.. naja, wenn Sie es wirklich wissen wollen.. Ich habe mich von meiner Verlobten getrennt, weil ich.. jemand anderen zu lieben glaube und habe ein schlechtes Gewissen, jetzt erfahre ich dass mein kleiner Bruder seit fast zwei Jahren tot ist.."
Ich fühlte mich etwas, als wäre ich nun der Psychiater von uns beiden. "Das tut mir sehr leid, Doc, wi-"
"Wissen Sie was? Ich bin ja im Prinzip Ihr Schwager. Nennen Sie mich ruhig beim Vornamen."
"Ähm, gut, wenn Sie meinen. Tut mir leid, dass Sie das erst jetzt und per Telefon erfahren, Mike. Jetzt will ich Sie schon garnicht mit dem Grund meines Anrufes belasten.."
"Ach was. Ich bin Psychotherapeut, ich kann sowas ab. Was ist also los?"
"Na gut. Ich habe Ihren Rat befolgt und mich untersuchen lassen."
"Und?"
"Und.. und ich habe einen Hirntumor. Ich werde vermutlich nicht einmal mehr einen Monat leben.."
Er schluckte. "Ähm... wow... Es ist gerade noch schlimmer geworden.. Das tut mir leid, Tobias... heißt wohl, Sie kommen garnicht mehr hierher, oder?"
"Ich werde über Weihnachten bleiben und Silvester auch, falls ich es so lange schaffe. Danach werde ich sehen, wie es mir geht.."
"Hm, verstehe... Sie sind im Krankenhaus nehme ich an?"
"Natürlich."
"Okay. Gut.. Wie lange bleiben Sie?"
"Bis man mich entlässt, also vielleicht noch drei Stunden oder so. Wieso wollen Sie das wissen?"
"Interesse.  Ich habe noch was zu erledigen, könnten Sie mich entschuldigen?"
"Natürlich, klar. Also, vielleicht hören wir uns ja nochmal, bevor ich auch das Zeitliche segne. Bis dahin"
"Ähm, ja. Bis dahin."
Er legte auf, ich schob den Hörer so gut es ging auf den Nachttisch zurück und Pan kam wieder herein. "Und?"
"Er klang ein bisschen komisch. Aber das auch erst, nachdem ich ihn als Kevins Bruder enttarnt habe und ihm damit gesagt habe, dass sein kleiner Bruder tot ist, dazu hat er sich heute von seiner Freundin getrennt weil er wen anders liebt und dass ich sterben werde hat ihm wohl vollkommen den Rest gegeben. Er hat mich ausgequetscht und gefragt, wie lange ich noch hier bin."
"Ey, weißt du nicht, was das bedeutet?"
"Dass er vollkommen fertig ist?"
"Dass er her kommt, Mensch!"
"Meinst du echt?"
"Ähm, natürlich! Warten wir ab, ich sag dir, ich habe Recht!"
Und wir warteten. Ich bekam noch einige Medikamente gegen die Kopfschmerzen und andere Symptome, dann bekam ich die Entlassungspapiere zum unterschreiben. Als ich neben Pan her durchs Wartezimmer und auf den Ausgang zu ging hielt ich immer Ausschau nach ihm, denn dass er kommen würde klang garnicht mal so verwerflich. "Fulk, Tobias Fulk! Was? Was soll das heißen, er wurde entlassen?! Wann? Gerade e- Gut, danke" Fing ich aus Richtung des Empfangstresens auf. Ich tippte Pan an und blieb stehen, blickte in Richtung der Halle, in der Mike wild herum blickte und kurz brauchte, ehe er mich sah. Er kam auf uns zu, erleichtert aufatmend, und kam dann vor uns zum stehen. Er reichte Pan die Hand und stellte sich kurz überflüssiger Weise vor, dann wandte er sich an mich. "Wie geht es di- Ihnen?"
Ich lachte kurz auf. "Den Umständen entsprechend gut, denke ich" Er nickte und blickte kurz etwas auf den Boden. "Ähm, ich hab Ihre Sachen aus der Anstalt geholt, die sind hier," Er deutete auf den Koffer, den er herum zog. "naja, ich dachte, Sie brauchen die hier dringender und deshalb hab ich mir die Freiheit genommen, ich hoffe, das war okay" Ich nickte und lächelte beinahe etwas. "Zu freundlich von Ihnen, danke. Haben.. Haben Sie seine Sachen auch mitgenommen?"
"Versteht sich doch von selbst, ja. War etwas seltsam, tatsächlich.."
"Kann ich mir vorstellen. Eine Frage; Wie lange haben Sie ihn nicht gesehen?"
Er musste kurz überlegen. "Eine ganze Weile... Eigentlich seit ich umgezogen bin, um zu studieren. Das ist sieben Jahre her. Verdammt, so lange schon.." Er rieb sich über die Stirn. "Sie scheinen sich wohl verändert zu haben in der Zeit."
"Wie kommen Sie darauf?"
"Meine Halluzination von ihm hat Sie anscheinend nicht erkannt. Oder absichtlich nichts gesagt, das weiß ich nicht. Generell hat er nie erwähnt, dass er einen Bruder hat.."
"Hm. Seltsam. Wir hatten eigentlich immer eine gute Beziehung zu einander... Wer weiß."
"Ich unterbreche eure Gespräche über Curry nur ungern, Jungs, aber wir sollten mal los, Erik wartet schon" Meldete sich Pan zu Wort.
"Curry?" Er blickte etwas überrascht drein. "Sie wussten nicht, dass er YouTuber war?" Er schüttelte nur den Kopf. "Hm, komisch, dass er das nie erwähnt hat. Ähm, egal, können wir los?" Drängelte Pan etwas. "Ja, natürlich " antwortete ich und wollte wieder losgehen. "K-kann ich mitkommen?" Fragte Mike vorsichtig und schien wieder wesentlich unsicherer zu sein, als ich ihn eigentlich kannte. Pan lächelte und nickte. "Klar, Dorissens sind bei uns immer willkommen. Kommt ihr jetzt?" Und damit verließen wir das Krankenhaus und setzten uns ins Auto, um zu Pan und Erik nach Hause zu fahren.

Save me | Fortsetzung von "Stay. | a #currbi fanfiction"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt