43 - Was wäre wenn... (Variante 1)

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"Tobi, ist gut jetzt, beruhig dich.."
"Beruhigen?! Ich soll mich beruhigen?!"
"Schatz -"
"Ne! Lass mich mich aufregen!"
Er seufzte. "Na schön. Dann reg dich mal auf, aber beeil dich etwas. Es wäre ganz schön, wenn ich dann weiterfahren könnte."
"Das ist grad sehr unsensibel."
"Das tut mir leid. Bist du fertig?"
Ich verschränkte die Arme, schwieg nun und knirschte dafür aber mit den Zähnen.
"Ich werte das als ja." Er ließ den Motor wieder an und fuhr auf die Straße zurück, wir waren auf dem Weg nach Kleve zurück. Ja, Kleve. Zu Kevins Wohnung. Tatsächlich. Auch, wenn die Wohnung seit mehr als zwei Jahren unberührt war. Die ganze restliche Fahrt verlief in einer unangenehmen und etwas angespannten Stille, die keiner von uns brechen wollte. Nicht, weil wir sie genossen, sondern weil wir beide nicht wussten, was wir zueinander sagen sollten. Wir stritten uns schon seit zwei Tagen andauernd. Das hat damit angefangen, dass er erst dreist gegen eine Rückkehr nach Kleve war, ich aber meinte, dass ich bei Pan und Erik mit einem Rollstuhl nicht weit kam. Gestern ging es auch um irgendwas, ich kann nichtmal genau sagen um was, irgendwie um alles und nichts. Daraufhin hat Erik gemeint, wir würden schon streiten wie ein altes Ehepaar. Und heute regte er sich auf weil ich mich aufregte darüber, dass ich verflucht nochmal querschnittsgelähmt bin. Ich meine, hallo? Das ich da auch nach einer Woche außerhalb des Krankenhauses nicht ruhig bin ist doch wohl klar, oder nicht?! Naja, zumindest waren wir jetzt so gut wie wieder zu Hause. Und wir hatten immernoch nicht miteinander geredet. Wir haben uns nie in unserer Beziehung gestritten, warum dann jetzt? Jetzt, knapp nach der Verlobung und kurz vor Valentinstag? Warum muss die Scheiße immer so kompliziert sein? Jetzt standen wir vorm Haus, auf einem Parkplatz, wer hätte es gedacht. "Sag mal, Curry?"
"Hm?" Brummte er und ließ die Hände langsam vom Lenkrad.
"Liebst du mich noch?"
Er sah mich an, als hätte ich eben Mike beleidigt. "Was ist das denn für eine Frage?!" Er antwortete mit einer Gegenfrage. War das jetzt gut oder schlecht? Eigentlich doch schlecht, nicht? "Ich will ne klare Antwort."
Er atmete entgeistert aus. "Willst du mich verarschen? Natürlich! Ich liebe niemanden mehr als dich! Was soll die Frage denn?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah auf meine Knie, wobei mir wieder bewusst wurde, dass ich die Dinger nicht mehr bewegen konnte. "Keine Ahnung. Ich wollte nur mal fragen." Er legte seine rechte auf meine linke Hand, die ich auf meinem Oberschenkel hatte. Er sah mich eindringlich, fast schon besorgt an. "Ich weiß, dass dich das fertig macht, glaub mir, mich lässt das auch nicht ganz kalt. Aber wir kriegen das hin. Zusammen. Wir sind schließlich verheiratet." Das hatte ich beinahe vergessen. Wir hatten ja tatsächlich schon geheiratet. Nicht spektakulär, ohne Party und alles, einfach nur ein Abstecher zum Standesamt, das wars. Aber der Gedanke zählt ja, außerdem, woher hätten wir denn Zeit, Organisation und Freunde für eine Fete nehmen sollen? Wir wollten ja auch gar keine. Von daher war es schon gut so. "Ich weiß schon... wollen wir? Wir müssen zusehen, wie wir mich überall hinbekommen" seufzte ich und schnallte mich ab, nachdem er gedrückt lächelte und ausstieg, um meinen Rollstuhl aus dem Kofferraum zu holen. Zum Glück war ich nicht sonderlich schwer, sodass es für Kevin nicht allzu kompliziert war, mich hinein zu setzen. Und damit begann der Spaß erst. Jetzt hieß es: Über die kleine Türschwelle, zum Fahrstuhl, den man nicht Fahrstuhl nennen konnte, es war eher ein Personenaufzug für Magermodels, sprich ich hatte Mühe, hinein zu kommen. Dann also das richtige Stockwerk erwischen, nach hinfahren und auf Curry warten, der mit den Taschen die Treppen hinauf stieg und oben dann die Tür aufschließen sollte. Etwas nervös sah er mich an, bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte und drei Mal drehte, ehe die Tür auf sprang. Drinnen roch es total muffig, es wurde ja auch ewig nicht gelüftet, alles war von einer fetten (ich sag absichtlich nicht dick, weil sie nunmal wirklich fett war) Staubschicht überzogen. Nachdem er alle Fenster geöffnet hatte und nun wieder bei mir im Flur stand fiel Curry erst die zweite Problematik ein: Wir mussten die ganze Bude hier behindertengerecht machen. Ich fühlte mich durch diesen Gedanken, ich bin behindert schon so klein und wehrlos und scheiße, dass ich nicht wissen wollte wie es dann wohl sein wird, wenn ich meinen Schwerbehindertenausweis in der Hand halten würde. Alter Finne, das ist irgendwie verdammt kompliziert.
"Naja, sieh es mal so,", sagte er, "jetzt haben wir die nächsten Tage immerhin was zu tun und sitzen nicht nur so rum." Als er das so sagte, vonwegen rumsitzen, da kam mir eine Idee. Mir kam ein spontaner Gedanke, den ich recht gut fand eigentlich. "Ey, Curry?" Er nickte mir fragend zu. "Lass uns streamen. In nächster Zeit mal. Lass uns unsere Rechner hochfahren und unseren Zuschauern nach zweieinhalb Jahren auch mal ein Lebenszeichen von dir geben. Dass ich lebe wissen die, ich war mal kurz bei Pan und Erik dabei vor ner Weile. Aber du", ich tippte ihm auf die Brust. "Von dir wissen die garnichts. Was meinst du? Wollen wir das wagen? Es wieder versuchen?" Es dauerte ein wenig, bis seine skeptische Miene zu einem seichten Lächeln aufblühte. "Ja, lass es uns versuchen."

Save me | Fortsetzung von "Stay. | a #currbi fanfiction"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt