XIV.

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JINSEO'S POINT OF VIEW.

Die Nacht über habe ich kein Auge zubekommen, allerdings habe ich es auch nicht geschafft mich aufs Lernen zu konzentrieren, wie ich es sonst immer mache. Nein, stattdessen habe ich mit Sanha die Nacht in meinem Bett verbracht, während er sich an mich gekuschelt und geschlafen hat und ich die Nacht über die Decke angestarrt habe, weil mir zu viele Gedanken durch den Kopf gegangen sind.

Mein kleiner Bruder ist schon seit eineinhalb Stunden in der Schule, nachdem ich ihm aus den Bett geschliffen habe. Schließlich weiß ich, was für Konsequenzen auf ihn warten, würde er das erste Mal die Schule schwänzen. Und ich kann nicht zulassen, dass er sich extra gegen Vater auflehnt.

Kopfschüttelnd erhebe ich mich von meinem Esstisch und stelle meine leere Tasse, in der bis vor einigen Minuten noch Tee war, in die kleine Küche, um daraufhin zur meiner Apartmenttür zu gehen. Auch wenn ich es nicht ganz wahrgenommen habe, so kann ich trotzdem sagen, dass es an meiner Tür geklingelt hat.

Vorsichtig öffne ich die Tür und spähe nach draußen, um nur mit Erleichterung festzustellen, dass es einfach nur Taehyeon ist. Mein Freund. Ein kleines Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit und ich öffne die Tür ein Stück breiter, damit er eintreten kann.

Eine Atmosphäre, die ich nicht deuten kann, liegt in der Luft und lässt mich ein bisschen unbehaglich fühlen, doch ich versuche das Gefühl abzuschütteln. »Habe ich meinen USB-Stick vergessen, als ich das letzte Mal bei dir war?«, fragt mich Taehyeon direkt, ohne mich anständig zu begrüßen.

Verdutzt schaue ich ihn an und nicke. »Ja, ich habe ihn in meinem Schlafzimmer«, sage ich und drehe mich um, damit ich ihn holen gehen kann.

Taehyeon kommt mir direkt hinterher und ich überreiche ihm seinen USB-Stick, nachdem ich nach diesem gegriffen habe. »Ich muss mit dir reden, Jinseo-ah«, sagt er in einem ernsten Ton und langsam kann ich sagen, welche Richtung das Gespräch annimmt.

»Über was möchtest du mit mir reden?«

»Du hast Baekhyeon und Yixuan in deinem Bett pennen lassen?«, fragt er mich leise und mein Gesicht wird von der einen Sekunde auf die andere komplett blank. »Möchtest du mich eigentlich verarschen?! Ich bin dein Freund und du lässt Jungs in deinem Bett pennen?! Was bist du für eine Schlampe?! Ich dachte, dass dir an der Liebe noch etwas liegt und dich von den anderen Studentinnen, die mir unter die Augen getreten waren, unterscheidest!«

Mein Herz stolpert bei den Worten, die seinen Mund verlassen. Mir klappt die Kinnlade herunter und mein Kopf ist wie leergefegt. Dennoch schaffe ich es meinen Mund zu öffnen. »Du nennst mich eine Schlampe, obwohl du weißt, dass ich Baekhyeon und Yixuan schon Jahre kenne und ich in ihnen nie mehr als Freunde von mir sehe?«, frage ich ihn leise und kann nicht verhindern, dass die Gefühlslosigkeit die Überhand gewinnt.

Ich hasse mich manchmal dafür, dass ich die Gefühle einfach so leichtfertig unterdrücke, ohne dass ich das Ziehen in meinem Herzen noch wirklich wahrnehme. Über die Jahre hat sich das einfach so für mich entwickelt. Bei meinen Geschwistern bricht der Damm am schnellsten, bei meinen Freunden allerdings nie.

»Wie soll ich dir das glauben, wenn du mir noch nicht mal davon erzählst?!«, brüllt er mich an und ich schaue ihn unbeeindruckt an. »Ich bin es leid mit dir in einer Beziehung zu sein! Du lässt mich noch nicht mal ran!«

»Denkst du allen ernstes immer nur an Sex?!«, bricht es laut aus mir heraus, während mein Herz vor Wut anfängt wie wild gegen meine Rippen zu hämmern. »Sex, Sex und verdammt nochmal Sex! Du denkst nur an Sex und dass ich noch nicht bereit bin – aber, nein! Du hängst mir eine Affäre mit meinen Freunden an und nimmst das als Vorwand, um mit mir Schluss machen zu können?! Gut, damit du es nicht über diesen Weg machst, gehe ich den direkten Weg und sage es dir ins Gesicht: Es ist aus!«

»Du willst einfach so mit mir Schluss machen?!«, fragt er mich knurrend und ich recke mein Kinn in die Höhe, um ihm zu verdeutlichen, dass ich nicht nachgebe. »Du weißt schon, mit wem du hier Schluss machst, oder?«

»Und du weißt, wer gerade vor dir steht und wen du angebrüllt hast?«, frage ich ihn in einem drohenden Ton und zeige mit meinem Fingern auf ihn. »Ich habe schon gewusst, dass du ungeduldig bist, aber dass du dich auch noch als so erbärmlich und widerwärtig herausstellst? Damit hätte ich niemals gerechnet. Jetzt bewege deine Visage aus meinem Apartment, du hast hier nichts mehr zu suchen.«

»Das wird ein Nachspiel haben«, knurrt er mich an und ich atme entnervt ein, ehe ich ihm schon meinen schönen Mittelfinger ins Gesicht halte. »Du bist eine kleine unausstehliche Schlampe, Park Jinseo. Es wundert mich, dass Sanha noch zu dir hinaufschaut.«

Die Wut, die bis eben noch in mir gelodert hat, verblasst abrupt und ich sehe komplett blank. Ich presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und eine Kurzschlussreaktion später landet meine flache Hand auf seine Wange. »Verpiss dich verdammt nochmal oder ich ruiniere dein Leben, bevor du deinen Abschluss in Psychologie machen kannst!«, fauche ich ihn an und unterdrücke den Drang ihn erwürgen zu wollen.

Ein Wort über meine Geschwister und man hat mich zum größten Feind, den es geben kann. Taehyeon schaut mich nochmal mit seinem kalten Blick an und rauscht dann ab, während ich einfach an Ort und Stelle stehen bleibe. Mein verhasster Blick gilt dem Boden.

»Jinseo?«, ertönt eine Stimme, die ich unter tausend anderen Stimmen wiedererkennen würde. Ryu. »Was ist passiert? Wieso ist Taehyeon mich ignorierend an mir vorbeigelaufen? Habt ihr euch gestritten?«

»Nein«, antworte ich monoton und schaue ihn an. »Ich lasse mich nicht als eine Schlampe betiteln, nur weil ich mich nicht ihm hingegeben habe, aber Yixuan und Baekhyeon hier übernachten ließ.«

Ryu stellt sich vor mich hin und mustert mich mit seinem besorgten Gesichtsausdruck, der mehr als nur typisch für ihn ist. »Du musst deine Gefühle nicht unterdrücken. Lass sie raus. Taehyeon ist es nicht wert, er ist sowieso ein Idiot gewesen«, versucht er mich auf irgendeiner Weise zu beruhigen, doch stattdessen wende ich mein Gesicht ab.

»Ich werde heute nicht zur Universität kommen«, sage ich und nehme das Seufzen meines besten Freundes klar. »Und nein, ich werde nicht zur Universität gehen, weil Min Taehyeon dort ist. Ich werde nicht hingehen, weil ich eine offene Tür für Sanha haben möchte, wenn er von der Schule kommt.«

Mein bester Freund drückt mein Kinn sanft in seine Richtung, sodass ich gezwungen bin ihn anzusehen. Und dann macht er etwas, was ich im Moment am meisten brauche.

Er umarmt mich.

Fest.

Um mir zu zeigen, dass ich nicht alleine bin.

Dass ich ihn habe.

Und ich bin froh, dass er gerade da ist.

EXO's Annoying NeighbourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt