XVII.

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D.O'S POINT OF VIEW.

»Ich verlange nicht viel, aber eine Nacht ohne laute Musik wäre doch mal drin, oder?«, fragt Jongin neben mir und scheint langsam endgültig seine Nerven zu verlieren. Dabei ist Jinseo ein recht liebes Mädchen, das ich manchmal einfach nicht verstehen kann. »Wo ist Baekhyun mit seinem Baseballschläger, wenn man ihn braucht?«

»Du weißt schon, dass er nicht im Besitz eines Baseballschlägers ist?«, frage ich und er schaut mich genervt von der Seite an. Ich ziehe nur meine Augenbraue in die Höhe und er wendet seinen Blick sofort wieder ab. »Und selbst wenn, er hätte sowieso nichts mit dem Baseballschläger getan.«

»Aber du oder was?«, fragt mich Jongin und schaut mich wieder an. Diesmal relativ hoffnungsvoll. Er hat doch den letzten Knall nicht mehr gehört. »Es tut mir leid! Wir haben vier Uhr morgens und ich habe bisher kein Auge zugetan!«

»Denkst du, dass es bei mir gerade anders ist?«, fahre ich ihn schlecht gelaunt an und werfe meinen Kopf in den Nacken. »Wieso hängen die Anderen noch in ihren Zimmern? Würden sie normalerweise nicht schon aus ihren Ecken gekrochen kommen sein?«

»Heute scheinbar nicht«, murmelt Jongin und seufzt schwer, ehe er sich zum Fenster begibt, um zu schauen, was Jinseo um diese Zeituhr macht. »Ernsthaft? Sie ist nirgendwo zu sehen!«

Mit gerunzelter Stirn folge ich ihm zum Fenster und schaue nach. Tatsächlich ist sie nirgendwo zu sehen und wahrscheinlich habe ich gerade die bescheuerteste Idee, die ich bekommen konnte. Und obwohl ich weiß, dass meine Idee wirklich dämlich ist, öffne ich trotzdem das Fenster und greife nach dem nächsten Gegenstand, das lang genug ist.

In meinem jetzigen Fall eine Stehlampe.

»Uhm, Hyung? Ich möchte dich ungern bei deinem Vorhaben stören«, murmelt Jongin neben mir, doch ich achte nicht viel darauf, was er sagt, »aber was zur Hölle hast du vor?«

Einen Moment schaue ich ihn an. »Ich habe keine Ahnung«, antworte ich, ziehe den Stecker aus der Steckdose und halte die Lampe schließlich aus dem Fenster. Was ich damit erreichen möchte? Ich möchte ihr Fenster schließen.

Und ja, es ist mir klar, dass es mit einer Stehlampe wohl kaum klappen wird. Dennoch versuche ich mein Glück und ignoriere Jongins Blick, der mich sowieso so ansieht, als wäre ich allen ernstes bereit für die Psychiatrie.

»Was versuchst du da?«, lässt mich eine Stimme zusammenzucken, mit der ich überhaupt nicht gerechnet habe, und lasse damit die Lampe aus meinem Griff rutschen. Ich hätte verdammt Glück, wäre sie entweder bei uns ins Wohnzimmer oder bei Jinseo ins Schlafzimmer gerutscht, aber leider Gottes habe ich kein Glück. Die Lampe fällt die Hauswand herunter und kommt auf dem Boden auf. Man kann nur noch hören, wie die Glühbirnen zerbrechen. »R.I.P Lampe. Also... was hattest du da gerade eben versucht?«

»Woher kommst du auf einmal?!«, fahre ich sie an und Jinseo zuckt erschrocken zusammen. »Gerade eben warst du nirgendwo zu sehen und auf einmal bist du da?!«

»Ich war vielleicht nirgendwo zu sehen, aber ich war immer noch in meinem Schlafzimmer«, antwortet sie und ich sehe sie sprachlos an. »Es ist genau das Gleiche wie mit Sehun gewesen. Er dachte auch, dass ich nicht in meinem Schlafzimmer wäre, als er einfach durch mein Fenster gestiegen ist.«

»Wieso bist du überhaupt noch wach?«, jammere ich und merke, dass ich langsam verzweifle, obwohl es überhaupt nicht zu mir passt. »Menschen schlafen um diese Zeit!«

»Ich schlafe um diese Zeit so gut wie nie«, murmelt sie leise und wendet den Blick ab, wobei ich dann plötzlich einen roten Tropfen aus ihrer Nase laufen sehe. Wie hypnotisiert starre ich die rote, dickflüssige Subtanz an. »Was schaust du mich so an? Das ist gruselig, alter!«

»Es liegt wahrscheinlich daran, dass deine Nase einfach so Blut verliert«, mischt sich nun auch Jongin ein und ihr fällt der irritierte Ausdruck aus dem Gesicht. Sofort huscht ihre Hand in die Höhe und tastet sich vorsichtig an ihre Nase heran. Sie erfühlt das Blut und starrt schließlich auf ihre Fingerspitzen. »Uhm, Jinseo-ah? Alles in Ordnung bei dir?«

Doch sie antwortet nicht. Stattdessen schließt sie sofort das Fenster und zieht die Vorhänge zu, während wir verdutzt zurückgelassen werden. Jongin und ich schauen uns gegenseitig an und nicken uns zu, ehe wir uns auf den Weg zu den Schlafzimmern unserer Bandkollegen machen.

Ohne dass wir uns abgesprochen haben, klopfen wir an allen Türen. Es wird sowieso niemand von uns gestört, da ich weiß, dass alle sicherlich wach sind. Und nacheinander kommen unsere Bandkollegen aus ihren Schlafzimmern gekrochen.

In aller Stille versammeln sich alle im Wohnzimmer und gähnen nacheinander, scheinen allerdings wirklich nicht am Schlafen gewesen zu sein. Gut für uns.

»Wieso holt ihr uns aus unseren Betten?«, fragt Junmyeon müde und reibt sich über die Augen. »Ist irgendetwas passiert?«

»Zunächst einmal, tut mir leid, ich habe die Stehlampe aus dem Fenster fallen lassen«, beginne ich und lache leicht auf, als ich Jongin sehe, wie er sein Lachen unterdrücken möchte. »Kommen wir zum wesentlichen Punkt, weswegen wir euch aus euren Löchern geholt haben. Was ist eigentlich mit Jinseo los?«

»Wieso?«, fragt Baekhyun mit zusammengezogenen Augenbrauen und verschränkt die Arme vor der Brust, ehe er sich mehr in das Sofa hinein kuschelt, auf dem er gerade sitzt. »Was soll denn mit Jinseo los sein?«

»Es ist nicht normal, dass ein Mensch um diese Uhrzeit so gut wie nie schläft! Sie ist müde und erschöpft, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Ich weiß, dass ich nicht in der Position stehe, um darüber urteilen zu können, aber langsam mache ich mir auch meine Gedanken darüber«, rattere ich herunter und denke darüber nach, was ich vielleicht übersehen habe. »Sie hat eben einfach so mir nichts dir nichts Nasenbluten bekommen! Was ist das? Ich habe nicht viel Ahnung, aber ich kann definitiv sagen, dass sie absolut ungesund lebt.«

»Das ist uns selbst bewusst«, murmelt Chanyeol und seufzt, sinkt dann auf seinem Platz zusammen. »Ich denke, dass wir schon ein bisschen mehr wissen, als wir eigentlich sollten. Zumindest Suho Hyung, Baekhyun Hyung, Lay Hyung und ich.«

»Was?«, fragt Minseok nach und runzelt die Stirn leicht. »Worüber redest du? Was wisst ihr, was wir nicht wissen?«

»Ganz einfach«, erhebt Junmyeon seine Stimme und erhebt sich von seinem Platz, um zum Fenster zu gehen, »Park Jinseo ist die Tochter des Chefarztes Park Seunghyun und wird, wenn wir es richtig vermuten, von ihm unter Druck gesetzt. Chanyeol hat schon gesehen, wie Jinseo geschlagen wird, und ich habe es auch schon mal gesehen.«

»Genau«, stimmt Baekhyun zu und legt seinen Kopf in den Nacken. »Bisher haben wir Jinseo die meiste Zeit nur lernen, lernen und nochmals lernen gesehen. Was schließen wir daraus? Dass sie lernen muss, um ihren Vater zufrieden zu stellen. Er stellt hohe Ansprüche und es sieht so aus, als würde Jinseo versuchen, den Anforderungen ihres Vaters gerecht zu werden, doch es ist nicht einfach.«

»Jinseo steht also unter ständigen Druck und lernt fast pausenlos«, fasse ich zusammen und Chanyeol nickt zur Bestätigung. »Dann wundert mich das Nasenbluten nicht. Menschen neigen dazu Nasenbluten zu bekommen, wenn sie zu oft zu lange unter Druck lernen.«

»Es ist nicht das Einzige, was wir über Jinseo herausfinden konnten«, steigt Yixing mit ein und nun liegen alle Blicke auf ihn. »Jinseos großer Bruder, Park Seongmin, hat damals das Land verlassen und es scheint nicht positiv ausgefallen zu sein. Jinseo ist gerade in dem Alter, in dem ihr Bruder damals war, als er sein Elternhaus ohne ein Wort verließ.«

»Und nach dem Gespräch mit Kasper, das Jinseo mit ihm gestern geführt hat, zu urteilen, hat er ihrem großen Bruder scheinbar dazu verholfen abhauen zu können«, überlegt Junmyeon und Yixing nickt. »Jedoch können wir daran nichts ändern. Baekhyun hat recht damit, als er uns sagte, dass wir dagegen nichts unternehmen können. Jinseo oder ihr kleiner Bruder Sanha müssen bei der Polizei aussagen, aber uns sind die Hände absolut gebunden.«

Unbehagliches Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Es ist ein Schockmoment zu erfahren, dass das liebliche Mädchen geohrfeigt und unter Druck gesetzt wird, sodass sie sich selbst zerstört.

Aber Junmyeon und Baekhyun liegen mit ihren Aussagen richtig. Dagegen können wir nichts unternehmen. Nur die Betroffenen selbst können etwas verändern.

Und mit einem Mal ist die Musik aus.

EXO's Annoying NeighbourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt