JINSEO'S POINT OF VIEW.
»Nur mal so nebenbei, Jungs, es ist komisch, wenn ihr mich so anstarrt«, merke ich beiläufig an, als alle versammelt am Küchentisch sitzen und mich mit ihren Blicken fokussieren, während ich mich auf das Umrühren meiner Tasse Tee konzentriere und dabei gegen ihren großen Kühlschrank lehne, da es für mich keinen freien Platz mehr gibt, »aber ich weiß, dass ich euch 'ne Erklärung schulde und ihr nur noch darauf wartet.«
Junmyeon nickt, was ich im Augenwinkel gerade so erkennen kann. Sein Gesichtsausdruck ist angespannt. »Lass dir Zeit. Es ist sicherlich nicht einfach mit der Wahrheit ans Tageslicht zu treten, huh?«, fragt er mich und ich nicke bejahend.
Ich hole tief Luft und lege mir gedanklich die Punkte zurecht, die ich ihnen nun offenbaren werde.
»Mein Vater ist Chefarzt«, beginne ich und lenke meinen Blick wieder auf meinen Earl Grey Tee, »und er möchte, dass das älteste Kind, das keine Enttäuschung für ihn darstellt, seinen Posten übernimmt. Wahrscheinlich wisst ihr schon, dass ich einen großen Bruder habe – Park Seongmin – und es war von Anfang an geplant, dass er Medizin studieren und Chefarzt wird, damit das Krankenhaus weiterhin unter der Leitung meiner Familie ist.«
Die erste Information lasse ich sacken.
»Der Mann, der dich heute ungeplant abgeholt hat, war also dein großer Bruder?«
Mein Blick legt sich auf Jongdae und ich nicke erneut. »Ja, es war eine Überraschung ihn nach fünf Jahren wiederzusehen. Er konnte nicht mit den Gedanken, eines Tages in die Fußstapfen meines Vaters treten zu müssen, umgehen und der Druck, der auf ihn aufgebaut wurde, war ihm zu viel geworden. Er verließ das Land und fing ein Leben in Norwegen an. Kasper hatte ihn damals zu seiner Flucht verholfen«, erkläre ich schließlich und senke meinen Blick wieder.
Um ehrlich zu sein hasse ich es über meine Familiengeschichte zu reden, aber ich bin es ihnen schuldig.
»Mein Vater ist ein strikter Mann und wenn ihm etwas nicht passt, dann erhebt er die Hand. Ich weiß nicht, wie oft Seongmin Oppa von Vater geschlagen wurde. Ungefähr bei neunundachtzig Ohrfeigen habe ich aufgehört mitzuzählen«, seufze ich schließlich und fahre mit der Spitze meines Zeigefingers über den Tassenrand. »Nachdem Seongmin für unseren Vater eine Schande für die Familie geworden war, gab es eine Planänderung. Seit meinem 15. Lebensjahr werde ich darauf trainiert die Beste zu sein. Ich weiß nicht, ob ihr die Geschichte schon gehört habt, dass ich damals einen Liebesbrief bekommen habe, den ich damals nie beantwortet habe, obwohl ich es gerne getan hätte.«
»Wie kommst du jetzt auf den Liebesbrief?«, fragt Baekhyun irritiert und ich grinse leicht schief, doch es sieht einfach freudlos aus. Kyungsoo verdreht bei seiner Frage die Augen und zischt: »Der Grund, wieso sie nie antworten konnte, war ihr Vater! Dumme Frage.«
»Vater hat meine Schulunterlagen kontrolliert, damit ich mich ja von gar nichts ablenken lasse. Bevor ich den Liebesbrief überhaupt lesen konnte, mussten fast zweieinhalb Wochen vergehen. Iseul hatte ihn für die Wochen bei sich aufbewahrt und als ich einmal zum Lernen bei ihr war, gab sie ihn mir, damit ich ihn lesen konnte. Den Brief hatte ich heimlich mitgenommen und versteckt. Für die Antwort hätte ich lange gebraucht, um etwas formulieren zu können, und die Zeit dafür, um es heimlich zu machen, hatte ich nicht. Ich musste lernen, lernen und nochmals lernen. Nach der Schule gab es Sprachunterricht und das hat noch nicht mal gereicht. Ich musste zu einem Extraunterricht, damit ich lerne, mich bewusst wie eine Lady zu verhalten, aber glaubt mir, ich hatte mehr Spaß dabei, als Yixuan mir Wushu beigebracht hat.«
»Lernst du deswegen so viel?«, fragt mich Minseok mit einem mitleidigen Blick. »Weil du für deinen Vater die Beste sein musst? Übrigens, wäre es dann nicht vorteilhafter, in Ruhe und nicht bei laut aufgedrehter Musik zu lernen?«
»Sicherlich habt ihr mitbekommen, dass ich bis in den Morgen lerne. Die laute Musik ist nur ein Mittel zum Zweck. Sie hält mich wach. Würde ich mein Leben anders, eventuell gesunder führen, dann könnte ich all das, was ich lernen muss, nicht lernen, einfach, weil es mich nicht interessiert. Mein Traum ist es noch nie gewesen Chefärztin zu werden«, erkläre ich und nehme vorsichtig einen Schluck von meinem Tee. Ich lasse den Geschmack auf meiner Zunge zergehen und schließe für einen Moment meine Augen. »Mein Traum ist es ein eigenes Café zu eröffnen. Ich liebe es Kuchen, Muffins und Kekse zu backen, aber ich liebe noch mehr die zufriedenen Gesichter von Menschen zu sehen, wenn ihnen mein Selbstgebackenes schmeckt. Leider werde ich mir meinen Traum nie erfüllen können. Ja, ich könnte wie Seongmin handeln, aber ich möchte Sanha verschonen.«
»Das kannst du nicht auf dir sitzen lassen«, mischt sich nun Sehun in das Gespräch mit ein. »Du bist nicht seine Marionette, Park Jinseo. Du musst mit deinem Leben glücklich sein und nicht dein Vater! Er kann doch nicht deine ganze Zukunftsplanung bestimmen!«
»Genau, das ist unfair«, stimmt Yixing ihm zu und ich lächle schief. Daran kann ich leider nichts ändern. »Jeder Mensch sollte die Chance haben sich seinen persönlichen Traum zu erfüllen!«
»Der Meinung sind wir alle, aber«, beginnt Baekhyun und lässt den Blick einige Sekunden offen hängen, »wieso musstest du gerade aus deinem Apartment flüchten? War der Mann, den ich gesehen habe, vielleicht dein Vater?«
»Ja, das war er mit Sicherheit«, beantworte ich seine Frage und schüttle leicht den Kopf. »Seongmin hat mich provoziert, damit ich unserem Vater widerspreche. Das ist wahrscheinlich der größte Fehler, den ich in meinem Leben jemals begangen habe.«
»Du kannst hier bleiben. Keiner hat etwas dagegen, wenn du hier bist«, offenbart mir Jongin lächelnd und die anderen Jungs nicken bestätigend. »Übrigens wollte dich Baekhyun Hyung mit einem Baseballschläger umbringen, weil die Musik jede Nacht zu laut war.«
»Ich habe gesagt, dass ich ihre Anlage zerstören und sie nicht umbringen wollte! Halt doch mal die Fresse!«, mault Baekhyun sofort los und schmollt schließlich vor sich hin. »Ich könnte Jinseo niemals etwas antun.«
Ein schlechtes Gewissen breitet sich in mir aus und ich beiße mir leicht auf die Unterlippe. »Irgendjemand hätte mir ruhig direkt ins Gesicht sagen können, dass es jede Nacht zu laut war. Natürlich hätte ich Rücksicht auf euch genommen und Kopfhörer in die Ohren gesteckt«, sage ich leise mit einem bedauernden Unterton, woraufhin mich alle mustern.
»So schlimm war es nicht«, grinst Jongdae mich schief an und ich lasse meinen Mundwinkel für den Bruchteil einer Sekunde nach oben zucken. »Ich denke, dass wir dich anders sonst nicht kennengelernt hätten. Außerdem finde ich es lustig, dass wir dich so kennengelernt haben und nicht anders, ansonsten wüsste ich nicht, wie du sonst bist.«
»Langweilig«, antworte ich mit einem schiefen Grinsen. »Ich bin durch und durch langweilig.«
»Nein, ich empfinde dich nicht für langweilig«, widerspricht mir Chanyeol und ich lache leicht auf. »Junmyeon Hyung, Baekhyun Hyung, Yixing Hyung und ich haben dich in deiner Universität gesehen. An dem Tag, an dem Mihawk mit Fried Chicken und einem Schokoladenmilchshake zu euch gekommen ist.«
»Echt? Wow. Mihawk denkt immer an meinen heißgeliebten Schokoladenmilchshake«, grinse ich schief und schüttle leicht den Kopf. »Sicherlich ist ein jeder von euch darüber überrascht, dass ich eure Choreografen kenne. Wie ich Mihawk kennengelernt habe, weiß ich selbst noch nicht einmal. Der's einfach in meinem Leben.«
Die Jungs lachen leicht auf und ich fühle mich um einiges erleichterter.
»Sicherlich habt ihr eure eigenen Probleme, aber danke«, bedanke ich mich schließlich und verbeuge mich vor ihnen, um meiner Dankbarkeit mehr Ausdruck zu verleihen. »Danke, dass ihr mir in Ruhe zugehört habt.«
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EXO's Annoying Neighbour
FanfictionEndlich hat die Medizinstudentin Jin ein Apartment zu einem annehmbaren Preis für sich alleine. Das einzige Problem: Ihr Schlafzimmerfenster, das sich genau gegenüber dem Wohnzimmerfenster der Band EXO mit nur einem halben Meter Abstand befindet.