XVIII.

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JINSEO'S POINT OF VIEW.

»Noona!«, ertönt hinter mir die jammernde Stimme meines Bruders und ich drehe mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu ihm um. Eigentlich wollte ich, nachdem ich meine Vorlesungen besucht habe, nach Hause und mich schlafen legen, aber ich glaube, dass ich mir das jetzt abschminken kann.

Besorgt mustere ich das Gesicht meines Bruders und es ist das erste Mal, dass ich ihn so verzweifelt sehe. Langsam drehe ich meinen Oberkörper ganz in seine Richtung und höre, wie er schnieft. Schließlich stolpert er auf mich zu und fällt mir in die Arme, die ich für ihn offen gehalten habe.

Sofort drücke ich ihn an mich und streiche ihm behutsam über den Kopf. »Was ist passiert, Kleiner?«, frage ich leise in die Stille. Auf dem Flur ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen und ich bin froh, dass im Moment niemand hier ist.

Nicht, dass irgendeiner denkt, dass ich auf jüngere Jungs stehe. Menschen verurteilen doch gerne, ohne auch nur über irgendetwas Bescheid zu wissen.

»Lass uns reingehen«, murmelt er leise und drückt sich sanft von mir weg. Ich nicke leicht und drehe mich wieder zu meiner Tür um, damit ich sie wie vorher geplant aufschließen und mein Apartment betreten kann. Sanha folgt mir hinein und schließt die Tür hinter sich, zieht sich die Schuhe aus und verschwindet ohne ein weiteres Wort in mein Schlafzimmer. »Kommst du, Noona?«

Irritiert schüttle ich den Kopf und schlüpfe aus meinen Schuhen. »Einen Moment noch, ich ziehe mir bequemere Kleidung an«, sage ich ihm Bescheid und verschwinde in mein Ankleidezimmer. Schnell tausche ich meine schwarze Skinny-Jeans gegen Baseballshorts, die eigentlich für Jungs gedacht sind, und schmeiße meine Bluse in die nächste Ecke, um mir dann ein gestreiftes T-Shirt anzuziehen.

Schließlich bewege ich mich in mein Schlafzimmer und sehe, dass Sanha auf meiner Fensterbank sitzt und geistesabwesend nach draußen starrt. Irgendetwas muss passiert sein und wenn er nicht bald mit der Sprache herausrückt, dann werde ich sicherlich nachdrücken, egal wo der Schuh gerade genau drückt.

»Vater hat mir gesagt, dass ich dich für die nächste Zeit nicht sehen darf«, murmelt er leise, nachdem er meine Präsens wahrgenommen hat. Sofort ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. »Weder Mutter noch ich verstehen, wieso er mir das verbieten möchte. Schließlich bin ich in seinen Augen nicht das Ungeziefer, das er in Daejung Hyung und Baekhyeon Hyung sieht.«

»Das lasse ich nicht zu«, flüstere ich leise und balle meine Hände zu Fäusten. »Er kann dir nicht den Umgang mit mir verbieten. Ich bin deine große Schwester und nicht irgendeine Fremde!«

»Ich weiß«, sagt er leise und dreht sich zu mir um. »Deswegen bin ich hier. Ich möchte, dass du das weißt. Nicht, dass du etwas Falsches von mir denkst. Ich habe dich lieb, Noona, und es tut mir leid. Mir tut's leid, dass ich dir nicht helfen kann, wie ich es gerne möchte.«

»Dafür kannst du doch nichts«, sage ich sanft und gehe auf ihn zu, um neben ihm Platz zu nehmen. Ich nehme vorsichtig seine Hand in meine und streiche mit meinem Daumen sanft über seinen Handrücken. »Es ist nicht deine Schuld, dass es so ist, wie es ist. Mit meinem Auszug habe ich gedacht, dass ich endlich mehr Freiheit habe, aber damit habe ich alles verschlimmert. Such' die Schuld nicht bei dir, sondern bei unserem Vater. Er ist die Quelle von allen Streitigkeiten, die im Moment in unserer Familie existieren.«

»Und er ist der Grund dafür, dass Seongmin Hyung uns verlassen hat«, murmelt Sanha leise und legt seinen Kopf auf meine Schulter ab. Fast schon automatisch lege ich meinen Arm um ihn und lehne meinen Kopf gegen seinen. »Ich vermisse Seongmin Hyung. Mit ihm schien alles… erträglicher.«

»Ich weiß«, hauche ich und schließe einen Moment meine Augen. »Ich verspreche dir, dass alles bald ein Ende hat. Ich werde dafür Sorgen und du weißt, dass ich das nicht einfach so daher sage. Ich werde es ändern, koste es, was es wolle.«

»Denkst du, dass du gegen Vater angehen kannst?«, fragt mich Sanha und ich nicke. »Noona, ich möchte nicht, dass er mich beschatten lässt, um sicherzugehen, dass ich nicht zu dir gehe.«

»Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir in Kontakt bleiben können, aber fürs Erste wäre es besser für dich, wenn du auf Vater hörst – auch wenn du es ungern möchtest«, sage ich und versuche ihm damit zu sagen, dass er Vaters Befehl, wenn man es so nennen kann, befolgen soll. »Wenn du es nicht tust, dann wirst du wahrscheinlich nicht länger verschont bleiben. Und außerdem kommst nicht nur du in Schwierigkeiten, sondern auch ich. Ich bin mir selbst egal, aber du bist es nicht. Ich möchte nicht, dass es bei dir so früh anfängt. Am besten wäre es, wenn es gar nicht anfängt.«

»Ich möchte, nein, ich will das nicht, Jinseo-ah!«, erhebt er seine Stimme und ich zucke leicht zusammen. »I-Ich wollte nicht laut werden. M-Mianhae, Noona.«

Ich löse meine Hand aus seiner und lege meinen Arm um ihn. »Es ist okay. Du bist im Moment emotional aufgewühlt und brauchst die Zuneigung einer Person, die dich versteht. Ich bin immer für dich da, Sanha. Auch wenn ich sage, dass du Vaters Befehl befolgen sollst, so kannst du mir trotzdem immer eine Nachricht schreiben. Und für dich würde ich auch meine Hand ins Feuer legen. Du bist mein kleiner Bruder und ich liebe dich. Ich würde alles für dich tun und das weißt du. Wenn wir uns in den nächsten Wochen nicht sehen, dann denke bitte an meine Worte. Und wenn du mich brauchst, dann musst du mir nur schreiben. Ich lasse alles für dich stehen und liegen. Ich würde sogar aus einem Hörsaal stürmen, würde es um dich gehen. Du und ich sind nicht umsonst Geschwister und gemeinsam lassen wir uns nicht unterkriegen. Versprichst du mir, dass du immer an meiner Seite sein wirst? Egal, was passiert?«, frage ich ihn mit einem sanften Lächeln nach meiner kurzen Rede.

»Komme was wolle«, sagt er und ich sehe im Augenwinkel, dass er sein berühmtes und allbekanntes Halblächeln, was ich auch habe, zeigt. »Ich verspreche es dir, Noona.«

EXO's Annoying NeighbourWo Geschichten leben. Entdecke jetzt