Kapitel 46

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- Anwesen-

Tor sieht mich sofort an, reißt seine Augen weit auf, doch er sagt nichts. Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut.

Ravens Worte hallen in diesem kleinen Verließ immer wieder nach, machen ihre Runde und treffen mich dann mit einem Paukenschlag wieder in der Mitte, in der ich stocksteif stehe und nicht fassen kann, dass sie die Worte gerade wirklich ausgesprochen hat.

Auch Ally dreht sich zu mir um. »Anna...was...sagt sie da?« Sie wartet amüsiert auf eine Antwort.

Ich bin völlig überrascht, als es mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Bisher konnte ich mir selbst immer noch ausreden, dass das, was ich fühle, das, was sich in mir anbahnt, nicht echt sein kann. Dass es einen anderen Grund geben muss, dass ich Zeit haben werde alles zu überdenk...

Noch ehe ich den Satz in meinen Gedanken vervollständigt habe, geht alles ganz schnell.

Hanna dreht sich zu mir um, scheinbar erfreut über die Erkenntnis um Ravens Worte, denn sie lächelt, doch da greift Raven blitzartig zwischen die Stangen, packt ihren Nacken und presst sie dann mit beiden Händen umklammernd an sich.

»Kommt nicht näher! Sonst bring ich sie zum Schreien! «, blafft sie verzweifelt.

Sie ist wie ausgewechselt, denn ihre Haltung wechselt von verletzlich zu entschlossen. Die alte Raven hat uns wieder, denn ihr Blick ist starr und furchteinflössend.

Mit beiden Händen können Ally und ich Tor noch in letzter Sekunde stoppen, der bereits sein Schwert in seiner Hand schwungvoll dreht und zu einem Sprung ansetzt.

»Tor nicht!ü«, brüllt Ally ihn inbrünstig an und stellt sich vor ihn. »Willst du, dass wir alle sterben? «

Keuchend hält er inne, sieht Ally an, überlegt und wägt mit gefletschten Zähnen ab, ob er es wirklich riskieren soll. Seine Brust hebt und senkt sich so schnell, dass ich kaum zuschauen kann.

»Was willst du Raven? Lass sie los! «, flüstere ich wimmernd und lasse Tor los, der jetzt meinen Arm heftig von sich weg stößt und sein Schwert daraufhin wütend fallen lässt.

»Komm her Anna! «, befiehlt Raven eilig, »dann passiert ihr auch nichts. «

»Tus nicht Anna «, flüstert Hannah unter Tränen, »Lass sie nicht raus, sie wird uns alle töten! «

Sie hat Recht und das weiß ich auch, doch wenn ich sie nicht raus lasse, wird sie dafür sorgen, dass Hannah schreit und uns auffliegen lassen.

»Wir können... «, setze ich schnell an, um mich selbst zu beruhigen, doch ich weiß selbst nicht so genau was wir können. Ich weiß überhaupt nichts. Mein Kopf ist leer und alles fängt sich schlagartig an zu drehen.

Schnell strecke ich meine Arme aus, versuche die sich plötzlich bewegende Welt um mich herum so anzuhalten, doch ich schaffe es nicht, lasse mich deshalb vorn über kippen und falle auf die Knie. Ich presse meine Arme auf den Boden, empfange ihn, als würde er mir alles bedeuten und schließe die Augen. In meinem Hals kratzt es plötzlich so sehr, dass mir die Luft weg bleibt, doch Ally ist schnell bei mir, kniet sich ebenfalls vor mich hin und hebt meinen Kopf mit ihren weichen Händen an.

» Hey! «, befielt sie mir, »Hey hey sieh mich an! «

Ihre Stimme hat diese besondere Tonlage. Die, die nur zum Vorschein kommt, wenn sie sich Sorgen macht. Die Ärztin in ihr, die gefasste, ist verschwunden. Ihre Augen hingegen verformen sich komisch, und auch ihre türkisen Haare entwickeln ein Eigenleben und bewegen sich merkwürdig wie kleine Schlangen hin und her, was gewiss nicht normal ist.

Blood Hunter Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt