BLINDED

#30 Der kleine Freund der im Garten zwitschert

Jenna POV

Ein paar Wochen vergingen und ich sah Jimin fast täglich.
Er kam immer nach der Theaterprobe oder davor und schaute nach mir.
Ich saß gerade eines Nachmittags mit ihm im Wintergarten und wir spielten Schach. Ich wusste aus dem Kopf wo welche Figur stand und die Regeln kannte ich ebenso. Schach hatte ich fast tagtäglich früher mit meinem Vater gepielt, daher weiß ich auch alle Tipps und Tricks auch wenn ich blind bin. 
"Ha! Mein Pferd schlägt deinen Bauern!" rief ich freudig über meinen Sieg.
Mittlerweile wusste ich nicht ob Jimin und ich Freunde waren oder nicht.
Wir verstanden uns gut, doch in manchen Momenten waren wir wieder schweigsam und redeten nicht viel.
"Du hast gemogelt!" rief er empört auf und klatschte auf den Tisch.
"Wie denn?!" sagte ich lachend.
"Du bist einfach schlecht."
-"Bitte?"
Kichernd machte ich den nächsten Satz.
"Jetzt den Bauern gegen deinen Turm. Das heißt zwei Punkte für mich und zwei Bestrafungen für dich."
Jimin seufzte auf.
"Och nein, muss das sein?"
-"So sind die Regeln. Also mach deine Stirn frei."
"Aber..."
Ich hielt die Hand vor seinen Mund und er verstummte.
Und schon wieder. Wieder so ein Moment wo es komisch zwischen uns war.
Ich tat meine Hand langsam wieder weg und er tat seine Haare aus der Stirn weg.
"Bereit?" fragte ich.
Er nickte.
Ich gab ihm zwei Schläge auf die Stirn und schaute zufrieden zu ihm.
Man hörte nur ein kurzes "Ouch" und er zuckte leicht zusammen, doch ich empfand Schadenfreude.
"Man, du mogelst irgendwo doch..." fing er an. "Los, verrate mir dein Geheimnis."
-"Mein Geheimnis?"
Ich dachte an mein gewisses Geheimnis.
"Mein Geheimnis ist mein Vater."
Jimin schwieg.
"Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst."
Den Kopf schüttelnd, nahm ich meine Dame in die Hand und bekämpfte sie gegen seinen König.
"Ich habe gewonnen."
-"Hey... Mannn..."
Ich lachte, hörte irgendwann aber auf zu lachen.
"Warte mal. Du hast mich gewinnen lassen, nicht wahr?"
-"Ach Quatsch! Ich kann das nicht, frag Baekhyun. Brettspiele waren nie meine Stärke."
"Nun gut, dann glaub ich dir."
Jimin räumte das Spiel auf, als ich das zwitschern der Vögel aus dem Garten hörte.
"Vögel. Wie sehen sie aus?" fragte ich.
Jimin legte das Brettspiel beiseite und man hörte ihn aufatmen.
"Es gibt sie in so vielen Vielfalten. Es gibt kleine, große, dicke, dünne, graue, farbige..."
-"Wie sieht der Vogel aus der gerade zwitschert?" unterbrach ich Jimin.
"Wie gerne würde ich sie sehen können..."
Jimin stand auf und fragte mich "Soll ich sie dir zeigen?"
Ich wusste zwar nicht wie er das machen wollte, doch nickte.
"Dann nimm meine Hand."
In die Luft tastend fand ich irgendwo seine Hand die bereits auf mich wartete.
Ich nahm sie entgegen und er führte mich vorsichtig and Fenster.
"Jetzt streck deinen Zeigefinger aus. Erschreck dich nicht."
Und das tat ich nicht. Es kam jedoch nichts.
"Jimin, es kommt nichts.."
-"Psschht. Warte."
Wir warteten beide.
Jimin's Hände waren auf meinen Schultern, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.
Ich wollte gerade sagen das er mich loslassen konnte, als etwas auf meinen Zeigefinger drauf flog.
"Jenna? Das ist der kleine Freund der jeden Tag in deinem Garten zwischert."
Ich fasse es nicht. Ein kleiner Vogel war auf meinem Zeigefinger.
Ich lächelte und aus irgendeinem Grund stiegen mir beinahe Tränen in die Augen.
"Wie...?"
-"Kleine Krümmel." erklärte Jimin.
"Streichel ihn doch."
Ich strich vorsichtig durch die Federn.
Sie sind so klein und zart.
"In diesem Fall muss ich dir es ja nicht mal beschreiben. Du hast den Vogel selber auf deiner Hand. Also beschreib du ihn mir." sagte er.
Seine Hände ruhten immer noch auf meiner Schulter.
"Der Vogel scheint ein Kleiner zu sein. Die Federn sind klein und zart. Die Füße sind kalt und dünn. Welche Farbe, weiß ich natürlich nicht."
-"Gelb." antwortete Jimin.
"Genauso wie dein Kleid, das du heute trägst."
Ich wollte ihn ungern sagen das ich nicht wusste wie die Farbe geld aussah, doch ich ließ es.
Ich lehnte mich weiter nach vorn und ließ den Vogel wieder wegfliegen.
"Du wirkst zufrieden." hörte ich jimin sagen.
"Ich habe einen Vogel zum ersten Mal berühren können. Natürlich bin ich zufrieden."
Er führte mich wieder weg vom Fenster und schloss es.
"Hast du noch nie Tiere gehabt?"
-"Mutter starb bei meiner Geburt und Vater war gegen alles mögliche allergisch, daher hatte ich leider nie welche."
Ich spürte das er nickte und mir danach etwas über die Schultern warf.
"Was ist?" fragte ich.
"Zieh den Mantel an, wir gehen jetzt in den Zoo."