#42 Tag und Nacht

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Jenna POV

Eine Nachricht von Jimin erschien auf meinem Handy als ich gerade in der Badewanne lag.
Meine Hände griffen nach dem Handtuch und dann auf den Bildschirm.
Die Buchstaben vibrierten immer unterschiedlich damit ich 'lesen' konnte.
Diese Funktion hatte Wendy extra auf meinem Handy eingestellt.
Nicht nur in Büchern ist Blindenschrift, heutzutage kann ich durch den Bildschirm mit dem Finger fühlen und ebenfalls lesen.
Jedoch bevorzuge ich die alten Bücher immer noch mehr.
Das raue Papier zu fühlen, anstatt diese Vibrationen.
"Hallo Jenna, ich hoffe du hast heute Abend noch nichts vor. Ich habe an dich gedacht und habe mir vielleicht überlegt... Naja heute ist ja auch die Motto-Geburtstagsfeier des Theaters deiner Tante. Ich habe noch keine Begleitung und die Feier beginnt in zwei Stunden. Daher wollte ich dich fragen ob du mich dahin begleiten möchtest? Ich würde dich mit meinem Auto abholen. Das Thema ist Hawaii. Ich würde mich sehr auf dich freuen. In Liebe, Jimin."
Mich verwundert seine Schreibweise, doch ich lächelte und stieg langsam aus der Badewanne.
Ich stützte mich mit meinen Händen an der Wand ab und trocknete mich ab und rollte mich in meinen daneben liegenden Bademantel.
Ich wunderte mich generell das er mit so einer Einstellung zu mir war, denn das letzte Mal als wir uns gesehen haben, hatte ich versuchte mich umzubringen...
Ohne mir weitere Gedanken zu machen, nahm ich meinen Gehstock und ging aus dem Bad.
Tante Nina schminkte sich gerade nebenan, als ich an die Reihe kam.
Sie bürstete mir die Haare und puderte mir die Wangen.
Ich wurde in ein weiches, knielanges Kleid gesteckt, welches ihr selbst früher gehörte hatte.
"Es sind orange-gelbe Blümchen drauf. Hawaii halt."
Sie steckte mir danach noch eine große Blume ans Ohr und zog mir Sandalen an.
"Du siehst schick aus, Liebes."
-"Du auch. Ich meine, das tust du bestimmt." verbesserte mich lächelnd.
In dem Moment klingelte es.
"Oh das ist bestimmt Jimin." sagte meine Tante erfreulich und huschte die Treppen runter zur Tür.
"Woher weißt du das er..." fing ich an, doch sie war bereits weg.
Ich hörte sie eine Weile reden, ehe sie eintraten.
"Jenna? Jimin ist da." rief sie und ich tappte langsam die Treppen runter und lächelte nur.
Ich hatte keinen Grund, doch ich war glücklich.
"Wow..." hörte ich ihn murmeln. Oder ich hatte ich es mir eingebildet?
"Das ist ja wie als würdet ihr beide zum Ball gehen..." fing Tante Nina an.
"Tante..." unterbrach ich sie. Es war mir peinlich und Wärme schoss mir in die Wangen.
Jimin lachte auf und ich spürte wie er mir Blumen vorsichtig in die Hand drückte.
"Die sind für dich."
-"Oh, Dankeschön. Das wäre doch nicht nötig gewesen..."
"Natürlich! Ich meine ich war zufälligerweise in der Nähe eines Ladens und dachte mir... Naja du kannst Jenna einfach welche kaufen... Aber ich... Also wenn sie dir nicht gefallen..."
Er war total nervös.
Tante Nina kicherte, als hätte er ihr ein Kompliment gemacht.
"Nein Jimin, sie sind wunderschön. Danke. Ich stelle sie eben in eine Vase und dann fahre ich los. Ihr beide könnt schon vor." sagte sie und nahm mir die Blumen ab.
Ich nickte und ließ mich von Jimin und dem Gehstock aus dem Haus führen.

Im Theater angekommen hörte ich schon viele Menschen applaudieren als meine Tante eintrat.
Überall waren Fotografen, das erkannte ich an all dem Geblitze. Meine Augen taten ein wenig weh davon.
"Jenna? Wollen wir lieber woanders hin?"
Ich war froh das Jimin es bemerkt hatte, nickte und ging mit ihm aus der Menge raus an den Strand.
"Hier ist's besser oder?" fragte er.
Ich nickte.
Viel besser.
Der Wind wehte angenehm in meinem Haar und doch war es warm.
Von innen hörte man noch die Musik und Jimin zog mich auf einmal zu sich und tanzte zu einem schnellen Tanz.
"Na komm, Jenna!" rief er lachend.
"Ich kann nicht tanzen, Jimin." rief ich empört zurück, aber lachend zu ihm.
Ich sah ihn zwar nicht, doch hörte wie er im Sand wild auf einem Fleck tanzte.
Ich saß mich hin und lachte einfach nur, als ich auch noch hörte wie er zur Musik versuchte zu singen, den Text jedoch nicht mal kannte.
"Du bist doch verrückt, Park Jimin."
-"Du bist einfach nur zu verklemmt." konterte er.
Nach ungefähr drei weiteren Liedern wurde auch er mal müde und saß sich zu mir in den Sand.
Ich bemerkte seinen schnellen Herzschlag und wie sein Puls sich langsam wieder verlangsamte.
"Langweilig ohne mich?" fragte ich grinsend.
"Ja."
Eine Weile saßen wir nur nebeneinander und schwiegen, hörten den Wellen zu und dem leichten Geheule des Windes.
"Warum hast du mich heute eigentlich eingeladen?" fagte ich ihn.
"Warum sollte ich denn nicht?"
-"Eigentlich kennen wir einander ja nicht so gut."
Ich hörte sein Lachen in seinem Lächeln.
"Dann lass uns uns doch kennenlernen. Frag mich etwas."
Das kam plötzlich.
"Ähm gut... Magst du den Tag oder die Nacht mehr? Ich persönlich mag den Tag."
-"Warum das?" fragte er mich. In seiner Stimme lag etwas interessantes.
"Ich bin blind und sehe 24 Stunden nur schwarz. Doch manchmal wenn die Sonne scheint, habe ich das Gefühl noch ein wenig Licht zu sehen. In der Nacht ist noch alles dunkler als es für mich eh schon ist, verstehst du?" Er war der Erste, dem ich das erzählte.
-"Ja."
"Und du? Was magst du mehr?"
Jimin atmete aus.
"Die Nacht."
-"Warum das?"
"Ich weiß nicht. Ich habe sie schon immer mehr gemocht... Vielleicht liegt es daran das ich mich in der Nacht wohler fühle. Es ist alles ruhiger und friedlicher. Man kann über Sachen ruhiger nachdenken und gewisse Sachen auch vergessen, wenn man schläft zum Beispiel."
Er schwieg. Er wirkte nicht besonders glücklich wie er es vor zwei Minuten noch tat.
"Gibt es etwa etwas was du vergessen möchtest?" fragte ich ihn einfach direkt.
Er brauchte eine Weile zum Antworten.
"Ja. Mein jetziges Leben."

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