#55 Fifty-fifty

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Choa POV

Jimin aß nicht.
Jimin betrank sich nur.
Jimin redete kaum.
Jimin schwieg nur.
Jimin ging kaum aus dem Haus.
Nicht mal zum Theater ging er.
Von Schule ist nicht einmal die Rede wert.
Ich machte mir Sorgen um ihn.
Gerade saß er in seinem Zimmer auf seinem Bett und starrte nur starr durch die Gegend.
Ich lehnte an der Tür und schaute ihn besorgt an.
So konnte es nicht weitergehen, Oppa.
Ich ging auf ihn mit dem Tablett mit Orangensaft, einem Burger, Pudding und ein Stück von Vivien's Kuchen zu ihm.
Vivien hätte mir nie im Leben ein Stück für Jimin gegeben weshalb ich sagen musste das ich Lust auf ein Stück hatte.
Außerdem waren auf dem Tablett seine Lieblingsfilme. Jurassic Park, Alle Teile von Bond und Panem.
"Oppa, schau mal was ich hier habe." sagte ich und legte das Tablett auf dem Tisch ab.
"Als Erstes sollten wir ein wenig Licht reinlassen, nicht?"
Ich grinste und lief zum Fenster um die Vorhänge beiseite zu schieben.
Draußen regnete es.
"Okay doch nicht." Und schob die Vorhänge wieder zurück.
Mein Lächeln fiel weg.
Ich saß mich zu ihm aufs Bett, er rückte weg.
"Jimin..."
-"Geh weg, Choa. Ich hab Angst das ich dir wieder was antun könnte."
"Jimin du tust ja so als hättest du keine Kontrolle darüber." versuchte ich lachend zu sagen.
"Es ist alles vergessen."
Jimin schüttelte den Kopf und verkroch sich in die Ecke.
"Nein... Nein..."
-"Dann iss wenigstens was."
Ich schon das Tablett auf meinen Schoß und lächelte ihn zu.
"Ich schaue sogar nebenbei mit dir die Filme!"
Und das musste was heißen, ich mochte solche Filme nicht. Nur Schnulzen oder Dokumentationen.
Ich mochte keine Filme die der Realtität nicht entsprachen.
Während der ganzen Zeit war ich nur diejenige die redete, obwohl Jimin es liebte zwischen den Filmen zu unterbrechen und zu reden.
Und ich war auch die Einzige die aß.
"Hast du den Kuchen gemacht?" fragte er irgendwann.
Ich schob ihn ein Stück hin.
"Ja."
-"Gelogen."
Mist.
"Was? Warum denkst du das?" fragte ich unsicher.
"Weil das Vi's Spezialkuchen ist. Sie macht ihn immer wenn es ihr nicht gut geht. Außerdem macht sie die Sahne Kringelchen immer neben den Schokostückchen. Das erkenne ich. Ich möchte ihn nicht essen."
-"Aber irgendwas musst du doch essen! Seit Tagen schmorrst du hier rum und verhungerst!"
Er griff nach dem Burger, biss einmal ab, trank einen Schluck Orangensaft und fertig.
"Jimin..."
-"Choa, ich habe gegessen okay? Ich bitte dich lass mich jetzt allein."
Ich nickte, nahm das Tablett mit und ging aus dem Zimmer.

Abends konnte ich nicht anders als bei Jenna vorbeizuschauen.
Auf meine Anrufe reagierte sie nicht.
Ihre Tante machte mir auf.
"Guten Abend Ms. Wang. Könnte ich bitte zu Jenna?"
-"Ah, bist du nicht Jimin's kleine Schwester?"
Ich nickte.
Wusste nicht ob es was Gutes heißen sollte, oder was Schlechtes.
Nach ihrem Blick zufolge, sah ich das es etwas Schlechtes hieß, doch zu meiner Überraschung nickte sie.
Sie machte mir Platz und ich ging die Treppen hoch wo ich Geräusche aus dem Bad wahrnahm.
Die Badtür war offen und ich sah wie Jenna ihre Augen ausspülte und heftig blinzelte.
Sie keuchte ab und zu auch auf.
"Jenna?"
Sie zuckte zusammen und versteckte das Augengel hinter ihrem Rücken.
"Choa?"
Sie drehte sich in die falsche Richtung.
Ich kam ihr näher, drehte sie richtig zu mir um und musterte sie.
Ihre Augen waren rot und gelb zugleich.
"Du hast mir nicht gesagt das du kommst."
-"Weil du nie rangegangen bist."
Ich beobachtete sie immer noch, schwieg aber erstmal.
Sie sah schrecklich aus.
Ihre Haut war blass, ihre Lippen lila, feuchte Strähnen hingen ihr über der Stirn.
Von den Augen will ich erst garnicht anfangen.
Sie schaute schräg an mir vorbei.
Ihr Blick wirkte müde und verwirrt.
"Wenn du hier bist um für Jimin ein gutes Wort einzulegen, dann kannst du gleich wieder gehen." sagte sie kühl.
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich wollte nur nach dir sehen."
Ich nahm ein Handtuch und tupfte ihr noch nasses Gesicht ab.
-"Mir geht es gut." versicherte sie mir.
"Das sieht ganz anders aus." Ich nahm ihr das Augengel aus der Hand.
'Nur in Notfällen benutzen!' stand drauf.
"Wie oft nimmst du das?" fragte ich.
-"Immer wenn meine Augen brennen und Tränen."
"Also täglich?"
Sie antwortete nicht. Das hieß also ja.
"Unnie!" rief ich empört auf.
"Ja okay dann hast du mich erwischt. Meine Augen tun seit einer Weile wieder weh. Und wenn es so weitergeht..."
-"Und wenn es so weitergeht?"
"Lass ich mich in Deutschland operieren und bleibe dann dort."
Mein Mund öffnete sich vor schock.
"Was?! Seit wann? Wie hoch ist die Chance das die OP gut verläuft? Warum sagst du mir das erst jetzt? Wer weiß noch davon?"
Jenna atmete durch.
"Ich sage es dir nur wenn du nichts davon Jimin erzählst."
Ich biss mir auf die Lippe.
"Okay."
-"Ds ist eine 50/50 Chance. Entweder bin ich danach für immer blind. Oder ich kann wieder langsam sehen."
Ich hielt mich am Waschbecken fest.
Sie durfte diese Operation nicht machen.
"Unnie..." fing ich an. Meine Stimme zitterte.
"Du ... Du darfst das nicht machen. Ich weiß ja das du ab und zu Licht siehst... Und das ist doch ein gutes Zeichen! Aber es ist eine 50-50 Chance dass du danach komplett blind bist! Das du für immer nur noch schwarz sehen wirst!"
Sie seufzte und ihr lief eine Träne runter.
"Ich könnte aber auch, wenn die OP gut verläuft, wieder sehen. Beziehungsweise zum ersten Mal in meinem Leben sehen."
Ich schüttelte den Kopf und rüttelte sie an den Schultern.
"Unnie..."
-"Choa. Vielleicht ist diese Operation gar keine schlechte Idee."
Ich war verwirrt.
"Was meinst du?"
-"Wie du selbst gesagt hast... Wenn sie nicht gut ausgeht, würde ich für immer schwarz sehen. Also nichts...." Sie machte eine Pause und fing an zu lächeln.
"Warum dann nicht gleich sterben?"
-"UNNIE!" schrie ich sie entsetzt an.
"Wie kannst du an Selbstmord denken?!"
Sie lächelte wieder.
"Du bist deinem Bruder so verdammt ähnlich, das es schon weh tut."
Ich ließ sie langsam los und verkniff mir die Tränen.
Jimin hatte einmal abends erzählt, das Jenna früher einmal mit dem Selbstmordgedanken gespielt hatte.
Er hatte sie auch angeschrien.
"Ich werde sie machen, Choa. Und wenn du mich dabei nicht unterstützt, kannst du auch wieder gehen."
Sie tastete sich am Waschbecken an mir vorbei, ihre Hände tasteten die Wand ab.
Stimmt, sie hatte den Gehstock weggeschmissen.
Jimin hatte ihn genauso wie den Ring vor sich aufgehoben. Die zwei Dinge lagen mit ihm in seinem Bett.
Ich half ihr in ihr Zimmer und sie legte sich auf ihr Bett.
"Kann ich sonst etwas für dich tun?" fragte ich sie besorgt.
Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht war auf der anderen Seite.
"Unnie... Er macht gerade eine schwere Zeit durch. Er isst, trinkt, schläft nicht mehr."
Schweigen.
Ich seufzte.
"Ich weiß, das was er getan hat war falsch. Und ich erwarte auch nicht von dir das du ihm verzeihst. Ich wollte es dich nur wissen lassen."
Sie nickte, doch bevor ich mich umdrehen konnte, sah ich durch das Fenster gegenüber von ihr das ihr Gesicht Tränenüberströmt war.
"Ihr habt beide das alles nicht verdient." murmelte ich und schloss die Tür hinter mich.


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