Die Sonnenstrahlen fielen durch die hässlichen Gardinen in mein Zimmer und trafen mein Gesicht. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und ich öffnete meine Augen. Mich streckend schwang ich die Beine über die Bettkante und stand auf. Ausgeschlafen ging ich in das kleine Badezimmer, das meine Mutter und ich uns teilen mussten und wusch mir das Gesicht. Es war wirklich kaum größer als eine Besenkammer. Wenn wir ohne Dusche leben könnten würde der Raum vielleicht mehr Platz bieten. Dann würden wir uns auch nicht mehr den Kopf stoßen, wenn wir uns auf die Toilette setzten und wir würden das Klopapier nicht mehr beinahe mit dem Handtuch verwechseln. Nachdem ich mir mein Gesicht sauber war und mir die vom Schlaf zerzausten Haare gekämmt hatte hopste ich glücklich in mein Zimmer zurück.
Heute war es endlich so weit. Heute würde ich das erste Mal in meinem Leben nicht meine ganze Zeit in einem Wald oder einer supergeheimen Schutzstation verbringen. Nein. Heute würde ich englische Luft atmen. Vor zwei Wochen waren meine Mutter und ich nach England gezogen. Zwar nicht direkt nach London, aber immerhin England. Und ich hatte den Umzug wirklich sehr genossen, denn es bot mir die Möglichkeit einfach durch eine Tür zu spazieren und frische Luft zu atmen. In meinem alten Zuhause hatte ich die Schutzstation nur verlassen, wenn ich meinen Vater mit auf eine Patrouille hatte begleiten dürfen. Und das war vielleiht dreimal im Jahr gewesen. Doch nun stand mir kein Hindernis mehr im Weg. Naja, also nicht direkt, denn ich musste zur Schule gehen. Das war ein Teil der Abmachung gewesen, aber ich hatte mich nicht abschrecken lassen. Zumindest nicht so, dass man es mir angesehen hatte. Denn ich hatte keine Ahnung wie ich mich benehmen sollte. Ich war vorher noch nie in einer Schule gewesen. Ich hatte teilweise Unterricht gemacht und meine Mutter meinte ich sei gut genug für die neunte Klasse. Aber ich wusste nicht ob ich so schnell dort einsteigen konnte. Ein wenig nervös war ich also schon.
Zurück in meinem Zimmer öffnete ich meinen Kleiderschrank und wühlte darin herum. Er war ziemlich schmal und einige meiner Sachen befanden sich noch in den Umzugstaschen. Ich zog die Kleiderbügel zur Seite und suchte nach einem unauffälligen T-Shirt. Manchen Mädchen war es vielleicht wichtig, am aller ersten Schultag super auszusehen, aber ich blieb lieber unauffällig. Nachdem ich statt einem Shirt eine schlichte hellgraue Hose gefunden hatte, zog ich eine Reisetasche unter dem Schrank hervor. Ich riss dem Reißverschluss auf und beförderte einige Oberteile hervor. Dabei auch ein dunkelgraues T-Shirt. Ohne Mitleid auf meine Kleidung, quetschte ich die Tasche zurück an ihren vorherigen Platz und schloss die Schranktür. Ich wechselte meinen Schlafanzug, der irgendwie nicht zu meinem Alter passte, gegen die Hose, das Shirt und eine dünne schwarze Jacke. Dann nahm ich mir meine Schultasche vor. Meine Mutter hatte mir eigentlich versprochen, noch einen neuen Rucksack zu besorgen, aber das hatte sie dann wohl doch irgendwie vergessen. Deshalb musste ich mich mit meinem alten herumschlagen. Er passte perfekt zu meiner heutigen Kleiderwahl. Grau. Ich begann mich zu fragen ob sich heute vielleicht noch eine andere Farbe in mein Leben mischen würde. Da meine Mutter im Voraus Schulbücher besorgt hatte, die ich mir im Sekretariat abholen musste, landeten nur ein Schnellhefter, ein linierter und karierte Block und ein Federmäppchen in der Tasche. Ich ging zu der schmalen Zimmertür und wollte hinaustreten, hielt aber noch einmal inne. Ich drehte mich um und begutachtete mein Zimmer. Es waren nicht viele persönliche Sachen hier, aber ich hatte wenigstens meinen Zeichenblock und die, grob geschätzt, 50 Bleistifte, plus Radiergummis, mitnehmen dürfen. Mehr als ein Bett, ein Schrank, ein Schreib- und Nachttisch und Regal war nicht mehr zu sehen. Die hässlichen Gardinen, wie man sie aus einem Bilderbuch von Omas kannte, übersah ich absichtlich. Ich musste unbedingt einen Ersatz für diese Fummel finden. Ich holte tief Luft. Wer weiß, vielleicht verwandelte sie dieser Raum ja noch zum aller schönsten Ort der Welt, wenn ich heute mit Bauch-, Kopfschmerzen und verheultem Gesicht nach Hause kam. Bei dem Gedanken musste ich kichern und trat auf den Flur hinaus.
Meine Mutter stand schon in der Küche, als ich meine Tasche an der Tür abstellte. Sie hatte mir den Rücken zugedreht und starrte aus dem Fenster, während sie mit einem Löffeln in einem Jogurt Becher herumstocherte. Wenn du so weitermachst, hat der arme Becher bald keinen Boden mehr. Beim Klang meiner Stimme, drehte sie sich zu mir herum und lächelte. Na? Gut geschlafen?, fragte sie und ließ den Becher im Müll verschwinden. Den Löffel warf sie achtlos in die Spüle weshalb sie von mir einen bösen Blick erntete, denn ich war für das Spülen verantwortlich. Leider hatten wir nicht genügend Geld um uns eine Spülmaschine und deren Kosten zu leisten. Ganz gut. Nur weiß ich nicht ob das immer noch so ist, wenn ich nachher Jogurt Reste von dem Besteck kratzen muss. Oh, meine arme kleine Tochter. Meine Mutter zog einen Schmollmund und kam auf mich zu. Sie schlang ihre Arme um mich und ich erwiderte unsere morgendliche Umarmung. Aber ich weiß dass du das schaffst. Du hast es mir ja schon oft genug bewiesen. Ich schnappte empört nach Luft, was sie zum Lachen brachte. Na komm, setzt dich hin. Ich serviere dir dein Frühstück. Nun lachte ich auch und ließ mich auf die Holzbank fallen, die hinter dem kleinen Küchentisch vier Personen stand. Meine Mutter stellte mir einen Teller mit zwei kleinen Käsebrötchen und ein Glas Wasser hin. Ich schenkte ihr ein Lächeln und schlang die zwei Brötchen hinunter.
Als ich mit Essen fertig war, verschwand ich noch einmal im Bad um mir die Zähne zu putzen. Dann sprang ich die Treppe herunter und nahm meiner Mutter den Rucksack ab. Ich zog mir die schmutzigen, schwarzen Chucks an und griff nach der Türklinke. Ach Vivien, warte!, rief meine Mutter und hielt gab mir ein bisschen Geld. Wofür ist das?, fragte ich und steckte es mir in die Hosentasche. Für die Cafeteria. Falls du Hunger haben solltest. Falls ich nachher nicht da sein sollte, der Ersatzschlüssel liegt in dem Rosenbett unter einem der Steine. Du meinst das Bett, dass mal ein Rosenbeet werden soll?. Sie lachte und drückte mich. Viel Glück. Bist du dir sicher, dass ich dich nicht bringen soll?, ich blickte für einen Moment nach draußen. Es war verlockend mit dem Auto gebracht zu werden, doch ich riss mich zusammen. In den letzten Tagen hatten wir oft Pizza bestellt und ich wollte auf gar keinen Fall, dass ich dicker wurde. Nein danke. Ich hab mir den Weg schon vorher angesehen und weiß wo ich lang muss. Das wird ein Klacks und ich mache gleichzeitig auch noch Sport. Sie schien überzeugt und nickte zustimmend. Ich verließ das Haus und ging die kleine Einfahrt hinab auf den Fußgängerweg. Ich drehte mich noch einmal um und winkte, bevor ich mich auf den Weg konzentrierte. Nun gab es kein Zurück mehr.
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Gefunden (Abgebrochen)
WerewolfDie junge Wandlerin Vivien Davenport hat ihr ganzes Leben über im grönländischen Wald gelebt und bekommt nun die Chance in England zu leben. Dort trifft sie auf den jungen Alpha Callom der ihr schnell ans Herz wächst. Nur leider ist nicht jeder mit...