Kapitel 19

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Ich hatte nicht bemerkt, dass ich eingeschlafen war. Es war ein traumloser Schlaf gewesen der mir eine Sache ganz klar deutlich machen wollte. Und zwar gar nichts. Aber trotzdem hatte der Schlaf mir gutgetan und ich fühlte mich wohl erholt. Ich hörte Calloms gleichmäßigen Atem und hielt die Augen geschlossen. Seiner gleichmäßigen Atemzüge nach zu urteilen, schlief er tief und fest. Ich drückte meinen Kopf tiefer in die weichen Kissen und dachte nach. Es war noch gar nicht so lange her, da hatten wir uns gegenseitig gejagt und wollte den anderen fertig machen. Und jetzt, lagen wir hier gemütlich, zusammen, umschlungen in meinem Bett.

MOMENT MAL? MEIN BETT? Ich öffnete wie vom Pfeil erschossen die Augen. Ich lag direkt vor seinem Gesicht. Wie gestern auf der Couch. Nur das ich im Hintergrund, die scheußlichen Blümchengardinen meines Zimmers sehen konnte. Meine Hand ruhte auf Calloms Brust und die andere lag, irgendwie, in seinem Nacken. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Position in der ich lag, auf irgendeine Weise bequem sein könnte. Doch das war sie. Ich spürte einen seiner Arme auf meiner Seite liegen, der andere stützte seinen Kopf. Ich musterte ihn und versuchte angestrengt mich an gestern zu erinnern. Die Erinnerung zauberte ein glückliches Lächeln in mein Gesicht. Callom war hier. Hier bei mir. Obwohl er eigentlich zur Schule musste, war er hier bei mir geblieben. Zwar beantwortete das nicht meine Frage, warum wir uns mein Bett teilten, aber das war mir im Moment egal. Es zählte nur, dass er mich nicht alleine gelassen hatte.

Vorsichtig griff ich nach seinem Handgelenk und hob seinen Arm an. Ich robbte ein wenig zur Seite und legte ihn langsam ab um ihn durch eine zu hektische Bewegung, nicht aus seinem Schlaf zu holen. Dann schwang ich die Beine über die Bettkante und verließ mein Zimmer. Ich schlich mich durch den schmalen Flur um niemanden zu wecken und ging ins Badezimmer.

Ich ließ mir kaltes Wasser über das Gesicht laufen und atmete tief ein und aus. Einzelne Wassertropfen liefen an meinen Wangen hinab und tropften ins Becken. " Na? Gut geschlafen?" Ich stieß einen spitzen Schrei aus und fuhr herum. " Mama?!" Meine Mutter stand friedlich, in einen hellrosernde Bademantel gehüllt, auf der Toilette um an das obere Regalfach zu kommen. Ich hatte ihre Größe geerbt, was uns zu den kleinsten Damen der NSWR gemacht hatte. " Morgen Schätzchen." " Ähem ... ", versuchte ich einen Satz zu verfassen wurde aber von ihrer Morgendlichen Motivation unterbrochen." Ach ich habe dich schlafen lassen muss ja sehr gemütlich gewesen sein. Seit wann führst du Selbstgespräche?" Ich sah sie einen Moment irritiert an. Selbstgespräche? Ich? Als mir klar wurde, dass sie von Callom gar nichts wusste, lächelte ich mein morgendliches " Hab dich lieb" Lächeln und ging zur Tür. " Muss wohl im Schlaf geredet haben. Musst dir also keine " Sie ließ mich wieder nicht ausreden." OH, wie ich sehe ist die Wunde so gut wie verheilt. Dann kannst du morgen ja wieder zur Schule gehen." Yeah? Ich blickte sie für einen kurzen Moment sprachlos an. Ich triefte nur so im Sarkasmus, dass ich mir schon wie ein Schwamm fühlte. Schule? Meine Stimmung sank aufs Minimum. Morgen war Freitag, es machte also gar keinen Sinn morgen wieder dorthin zu gehen. Nach einem letzten Blick in den Spiegel, ich trug nur ein dunkelblaues T-Shirt und kurze graue Shorts, machte ich mich auf den Rückweg in mein Zimmer.

Dort angekommen, schloss ich die Tür ab und tapste zum Kleiderschrank. Ich holte mir ein Paar Socken und eine hellgraue Strickjacke heraus, die ich mir um die Schultern legte. Dann band ich mir mein Haar zu einem wuscheligen Knoten zusammen und wand mich zum Bett. Vielleicht schaffte ich es ja Callom aus dem Haus zu schaffen, ohne dass meine Mutter Wind davon bekam. Dann würde mir ein Mutter-Tochter- Gespräch im Umgang mit Jungs erspart bleiben. Ich ging langsam auf den süßen, schlummernden Jungen zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Mehr als ein kurzes Mundwinkelzucken seinerseits, konnte ich nicht erreichen. Mir kam eine Idee und ich ließ mich sofort auf die Knie fallen. Mit meinen Augen scannte ich die Gegend unter meinem Bett ab und fand, komischerweise, wonach ich suchte. Stirnrunzelnd hob ich mein Handy hoch. Wie war das denn da hingekommen? Schulterzuckend gab ich meinen Zahlencode ein und schoss ein Erinnerungsfoto. Was heißt Eins? Tausende schoss ich, so einen Moment muss man doch nutzen. Dann legte ich es unschuldig zurück in sein dunkles Versteck und überlegte wie ich diese Ober-Schlafmütze der Schlafmützen, aus ihrem Amt werfen und zur wachesten Ober- Schlafmütze krönen konnte. Bevor ich ihm in die Wange kniff, rüttelte ich mehrmals vergeblich an seiner Schulter. " Wach auf!" " Aua." An seinem gequälten Gesichtsausdruck und dem quengelnden Ton den er von sich gab, stellte ich fest dass ihm meine Geste sehr missfallen musste. " Du musst aufstehen und dich rausschleichen, ohne dass meine Mutter dich sieht." Für einen Moment sah Callom mich unschlüssig aus müden Augen an. Dann, als ob es ihm erst jetzt aufgefallen wäre, sah er sich um und erhob sich. "Ja. Du hast Recht." Ach was?! Hätte ich jetzt nicht gedacht. Er stand auf und hob seine Tasche vom Boden auf, die ich vorhin nicht bemerkt hatte. Ich ging währenddessen zum Fenster und entriegelte es. Ich drehte mich lässig zu ihm um, so als würde mein gleich kommender Vorschlag nicht ein wenig verrückt sein. " Bist du fertig?" " Ja, aber warum öffnest du das Fenster?" " Irgendwie musst du doch an meiner Mutter vorbeikommen". " Durchs Fenster?" " Ja wie sonst?" Er wollte etwas sagen, aber ich deutete mit meinem Zeigefinger nach draußen. Irgendwie gefiel es mir, ihn so gut in der Hand zu haben. " Na gut." Callom stieg über die Fensterbank und sah noch einmal zu mir. " War schön mit dir und danke das du mir helfen möchtest. Aber ich muss das alleine schaffen. Au." Er hob blitzschnell die Hand vor sein Gesicht und betrachtete den kleinen Stich in seiner Handfläche. " OH. Habe ich fast vergessen, da-" ich zeigte raus, " sind Kletterrosen." Fassungslos sah er nach draußen, zu mir, nach draußen und wieder zu mir. " Na los!", forderte ich und drückte ein bisschen von hinten. " Schubs mich nicht. Man da holt man sich ja blutige Hände!"

" Ach, Callom. Sei doch einfach mal ein Mann." Seit fünf Minuten, versuchte ich ihn schon loszuwerden. Ich wollte gar nicht wissen, wie bescheuert es für die Leute aussehen musste, wenn sie an unserem Haus vorbeikamen. Ein junges, fast erwachsenes Mädchen, versucht einen Jungen aus ihrem Fenster zu schubsen. " Ja, ist ja gut." Er holte tief Luft und ich verdrehte hinter seinem Rücken die Augen. " Du springst aus einem Fenster und nicht von einer Klippe." " Die Klippe wäre mir jetzt irgendwie lieber," murmelte er vor sich hin, sprang aber doch bevor ich ihn vom Fensterbrett stoßen konnte. Geschmeidig landete er im Blumenbeet und ich lachte. " Man sieht sich. Bis morgen." Ich schloss das Fenster wieder und verließ mein Zimmer. Glück stieg in mir auf. Ich freute mich schon auf Morgen. Denn dann würde ich ihn wiedersehn.

Gefunden (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt