Kapitel 4

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Wie kommt ihr nur auf diese dumme Idee, einen Mitschüler angreifen zu wollen? Unsere Identitäten sind alle geheim und das sollen sie auch möglichst bleiben. Nicht auszudenken was für ein Chaos entstehen würde, sollte man unsereinen entdecken." Mr. Kingsley Nasenflügel bebten. Ich rutsche nervös auf meinen Stuhl herum und durch einen Seitenblick sah ich, dass Callom sich nicht weniger eingeschüchtert fühlte. "Vivien". "Ja?" Zögerlich sah ich den Schulleiter an. Er stand hinter seinen Schreibtisch und stütze die Hände auf die Tischkante." Willst du mir etwas über das geschehene erzählen? Oder mich davon überzeugen, dass meine Augen sich getäuscht haben?" Ich sah zu Callom und er nickte mir zu. Feigling. Schön mir die ganze Arbeit überlassen, was?! "Es war ganz anders als es aussah. Der Junge hat Melody beleidigt und dann hat Callom gesagt das er aufhören soll. Doch er hat nicht auf ihn gehört und versucht uns zu provozieren. Was ihm dann später auch gelungen ist. Ich senkte den Blick, denn ich fühlte mich Mr. Kingsleys Blick völlig ausgeliefert." Ist das wahr?" Mr. Kingsley sah zu Callom der bestätigend nickte. Es ist wahr! " Was ist dann passiert? Warum um alles in der Welt warst du kurz davor dich zu wandeln. Du hast den Eindruck gemacht ihn umbringen zu wollen." " Ich habe mich eben beleidigt gefühlt und ich kann es nicht haben, wenn jemand mein Rudel beleidigt. Es ist meine Familie, die ich beschützen muss. Deshalb reagiere ich so oft über, ich kann es nicht kontrollieren. Ich erstarrte. Das kam öfter vor? Wie war dann unsere Spezies bitte noch nicht aufgeflogen? Es war praktisch unmöglich sich bei solchen Vorfällen keine Gedanken zu machen! Nun gut, Mr. Kingsley ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Aber versucht bitte euch demnächst ein wenig unauffälliger zu verhalten. Habt ihr beide das verstanden? Wir nickten und verabschiedeten uns, bevor wir das Direktorat verließen. Innerlich graute es mich schon davor, einer solchen Situation wieder ausgeliefert zu sein. Aber was sollte man den schon machen? Solche nervigen Typen musste es ja überall geben. Danke, bei der plötzlichen Unterbrechung meiner Gedanken, zuckte ich zusammen und sah auf. Callom stand neben mir und starrte genau wie ich in den leeren Flur. Wofür? Dafür das du versucht hast mich aufzuhalten. Ohne dich würde der Junge nicht mehr leben. Oder ihm würden einige Gliedmaßen fehlen. Ich grinste ihn an. Ja, ich hab schon ein gutes Timing. Gern geschehen. Ich helfe immer gerne. Gemeinsam gingen wir zum Sportplatz zurück, wo wir von Evelyn, Leanne, Melody, Henry und Dennis ausgefragt wurde, wie das Gespräch gelaufen war. Während Callom alles genau schilderte, stand ich etwas abseits und musterte die Gruppe. Sie waren wirklich bunt zusammengewürfelt und genau das war es, was ich an ihnen so bewunderte. Sie waren völlig unterschiedlich und chaotisch, aber zusammen waren sie der Spaß und die Freundschaft in Person.

Es war drei Uhr und ich musste dringend nach draußen. Raus in die Wildnis und Freiheit. Ich schnappte mir eben noch meine Jeansjacke, bevor ich die Tür hinter mir schloss. Mama war noch nicht von der Arbeit zurück. Das war häufiger so und ich hatte mich schon fast gänzlich daran gewöhnt. Die Arbeit von 8:00 Uhr bis 19:30 Uhr in der Drogerie, machte ihr zu schaffen, doch sie war sehr kämpferisch und gab nicht so schnell auf. Ich hatte häufig überlegt, ob ich nicht auch jobben sollte, damit ich ihr unter die Arme greifen konnte. Draußen war es alt. Nicht so kalt wie in Grönland aber trotzdem merkte ich die Kälte, die versuchte unter meinen Jackenärmel zu gelangen. Meine Füße taten weh, was wahrscheinlich an meinen alten Chucks, die nicht zum langen Herumlaufen geschaffen waren. Nach ungefähr dreißig Minuten, erreichte ich eine große Wiese, hinter der sich die Bäume eines Waldes auftürmten. Schon von weitem roch ich das Gewitter das bald über den hellgrauen Himmel kriechen würde, doch ich hetzte trotzdem los. Jubelnd rannte ich durch das hohe Gras und kurz darauf direkt in den Wald hinein. Mein Körper wandelte sich, meine Nase wurde länger, meine Hinterbein kürzer und aus meinem Körper spross grau-weißes Fell. Ich liebte es als Wolf durch Wälder zu hetzen und mich so frei zu fühlen, wie es sonst nur Vögel am Himmel konnten. Auf einmal witterte ich etwas. Es kam mir seltsam bekannt vor und doch fremd. Aber es war zu weit weg um es genau zuordnen zu können, also rannte ich weiter in den Wald hinein. Umso näher ich kam desto deutlicher konnte ich den Geruch war nehmen. Blut. Wolfsblut. Irgendwo mussten zwei Wölfe miteinander kämpfen. Um eine Beute nicht, denn dann würde ich das tote Tier ebenfalls wittern. Ich hörte Jaulen und Knurren und augenblicklich lichtete sich vor mir der Wald. Wieder eine Wiese, nur diesmal deutlich kleiner. Und mitten drin zwei Wölfe. Ein schwarzer und ein dunkelbrauner. Sie kämpfte miteinander, wahrscheinlich darauf aus sich gegenseitig umzubringen, wenn ich es an der Brutalität beider ausmachte. Ich bemerkte eine Bewegung, etwas abseits von dem Geschehen. Ein weiterer Wolf, mit graubraunem Fell, kauerte im Gras und beobachtete den Kampf mit weit aufgerissenen ängstlichen Augen. Ich schnupperte. Die beiden Kämpfenden waren männlich, der andere weiblich. Auf einmal war ein klägliches Jaulen zu hören und ich hob den Kopf leicht an. Der größere der beiden, schwarz, hatte den kleineren zu Boden gedrückt und grinste hämisch, was ziemlich seltsam aussah. Die Wölfin hatte sich inzwischen wieder in einen Menschen gewandelt und saß mit angewinkelten Beinen, und gesenktem Kopf auf dem Boden. Sie zitterte stark, so als würde sie weinen. Der Gewinner wandelte auch und meine Augen verengten sich. Das blonde, strähnige Haar und die leuchtend blauen Augen die an einen Sommerhimmel erinnerten. Callom erhob sich und grinste auf seinen Freund hinab. Es war kein freundschaftliches Grinsen und seine Augen hatten einen undefinierbaren Ausdruck. Langsam erhob er sich und sah zu der Brünette die immer noch im Gras saß und weinte. Einen tollen Freund hast du da. Kann sich nicht einmal selbst verteidigen. Wie soll er dich bloß schützen können? Vorsichtig hob sie den Kopf und zu meinem Erschrecken erkannte ich Evelyn. Mein Blick huschte zu Callom dessen Blick von ihr zu dem Wolf schwang. Dieser wimmerte und rollte sich auf die Seite um sich zu stützen. Callom gab ihm einen festen Tritt und entfernte sich dann ein wenig. Mit einem erschütterten Aufschrei stürzte Evelyn zu dem Wolf und wollte ihm helfen. Sie kraulte ihm leicht die Ohren und flüsterte ihm beruhigende Worte zu. Langsam schwand das Fell und der Körperbau veränderte sich, bis ein Junge mit zerfetzter Kleidung und Bisswunden vor ihr lag. Henry beruhige dich. Ich pass auf dich auf, flüsterte Evelyn und sah dann fassungslos zu Callom. Warum machts du sowas? Er sah verächtlich auf die beiden hinab. Es war ein Test! Wie soll ich mir sonst im Klaren sein, ob er jemals überleben würde? DAS REICHT! Wutentbrannt bäumte ich mich auf und erhob mich in meiner menschlichen Gestalt. Evelyn sah kurz geschockt zu mir und Callom starrte mich entgeistert an, bevor sein verächtlicher Blick zurückkehrte. DU?, fragte er und ich wünschte mir, ihm einen Stein an den Kopf zu werfen. EIN TEST?, schrie ich ihn aufgebracht an. UM ZU TESTEN OB ER ÜBERLEBEN WIRD? BIST DU NOCH GANZ BEI SINNEN? Ich schrie all meine angestaute Wut aus mir hinaus und sah ihn erzürnt an. Das war nicht der Callom, der heute Morgen mit seinem Besten Freund Henry über dem Platz gelaufen war. Das war nicht der Callom mit dem ich mich heute Morgen in gemeinsame Schwierigkeiten gebracht hatte. Dieser Callom war eine Bestie! Zweifelst du an meiner Art und Weise, wie ich mein Rudel auf Angriffe und das kommende Leben vorbereite?, fragte er drohend aber ich ließ mich von ihm nicht einschüchtern. Oh ja, das tue ich! Schau doch nur wie du ihn hingerichtet hast, ich kam auf ihn zu und stellte mich unmittelbar vor ihn um meinen Worten ihre Deutlichkeit zu geben. Es würde mich nicht wundern, wenn er so weder einen Angriff noch ein kommendes Leben haben will. Das ist der Horror. Es würde mich nicht wundern, wenn er dir nicht mehr treu sein würde und dich im Stich lassen würde. Callom sah kurz zu seinem besten Freund und dann wieder zu mir. Du hast kein Recht hier zu sein und über mich zu urteilen. Das ist mein Revier und nicht deins. Das hier ist ein Wald. Und ich gehe wohin ich will und bleibe wo ich will. Nun schien Calloms Geduld endlich am Ende, denn er knurrte mich sofort an. Callom überleg dir was du tust, sagte Evelyn und schrie auf als Callom sie mit seiner Hand schlug. Nun konnte auch ich mich nicht mehr zusammenreißen und holte mit meinem Arm weit aus, bevor ich ihn schlug. Der Schlag war so kräftig, dass er zurücktaumelte und sich die immer roter werdende Wange hielt. Ich erkannte das Ausmaß der Situation, drehte mich um und lief so schnell ich konnte davon. Wen ich zurück in die Siedlung rannte, konnte er mir nichts mehr tun, ohne dass jemand anderes eingreifen und die Polizei anrufen würde. Ein erzürntes Knurren, gab mir zu verstehen, dass Callom mir dicht auf den Fersen war.

Gefunden (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt