Kapitel 26

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Panisch wand ich den Kopf hin und her. Die Wölfe kamen immer näher und fletschten die Zähne. Der Mond erhellte die Lichtung und man konnte nur das Hecheln der anderen hören, sonst schien der Wald wie ausgestorben. Hinter und näherte sich mein Rudel. Ihre weißen Felle schienen in der beinahe Dunkelheit zu leuchten, während das Fell der anderen die vor uns standen, von der Nacht verschlungen wurden. So dunkel waren ihre Felle. " Die Anderen", flüsterte ich und Callom sah mich aus den Augenwinkeln fragend an. " Das feindliche Rudel", antwortete ich wispernd. Er nickte und ich betrachtete das Rudel vor uns wieder mit misstrauischen Blicken. Es mussten mindesten 50 Rudelmitglieder sein und ich erinnerte mich daran was man mir beigebracht hatte. Ein großes Rudel schickt niemals seine ganzen Mitglieder auf Jagd. Meist ist es nur ein Viertel des ganzen Rudels, das auf Patrouille geht. Das Rudel der Anderen ist eines der größten. Größer sogar als unseres. Wenn das nur ein Viertel war, musste das Rudel der Anderen aus ungefähr 200 Mitgliedern bestehen. Das war weit mehr als mein Rudel. Wir waren gerade mal 70. Und das war für eine so seltene Spezies eigentlich schon ziemlich viel. Ich schluckte mein Unbehagen herunter als mir etwas klar wurde. Wir, mein Rudel, Callom und ich, waren in der Unterzahl. Denn ich wusste das das Weiße Rudel nur mit 30 Mann auf Jagd ging um nicht alle Mitglieder den Gefahren die hier lauerten auszusetzen. Jederzeit konnten diese Wandler sich auf mich stürzen. Mich gefangen nehmen. Mich als Geisel verwenden. Mich foltern. Mich beißen und verwunden oder sogar umbringen. Und das nur zum Spaß. Das hatte man mir erzählt. Dieses Rudel bestand aus Tyrannen und Mördern. Ich konzentrierte mich und wollte wandeln, in der Hoffnung so vielleicht bessere Chancen auf eine Flucht zu haben. Meine Sinne begannen sich zu verschärfen, doch ich hielt die Wandlung noch kurz zurück. " Da will wohl jemand spielen." Ein großer schwarzer Wolf trat aus der Menge und kam näher auf mich zu. Sein Ton gefiel mir gar nicht. Gar nichts an dieser Lage gefiel mir. Der Wolf kam drohend näher und ich beschloss das meine Wandlung in einen Wolf ihn nur noch mehr reizen würde. Ich fühlte mich mies. Richtig mies.

Ich knurrte leise, denn ich wollte dieses Gefühl verstecken. Dieses Gefühl schwächer zu sein als er, kleiner als er, dass ich es sowieso nicht schaffen würde, dass er mich besiegen und töten würde. Mir wurde bewusst das ich Angst hatte. Vor ihm. Und das machte mir nur noch mehr Angst. Noch nie in meinem Leben hatte ich vor einem anderen Wolf Angst gehabt. Weder von meinem Vater, weder vor meinem Alpha oder sonst jemandem. Ich hatte den Blick gesenkt und den Wolf vor mir entfuhr ein wölfisches Lachen. "Doch nicht so mutig was?!" Er grinste und das sah ziemlich komisch aus. Ich hörte ein tiefes Knurren und aus dem Augenwinkeln bemerkte ich, wie Callom kleiner wurde. Er wandelte und stellte sich schützend vor mich. Dafür hätte ich ihn knuddeln können, doch jetzt wäre kaum der richtige Zeitpunkt dafür. " Lass. Sie. In. Ruhe." Seine Stimme klang bedrohlicher als je zuvor und wäre er nicht auf meiner Seite, hätte ich gehörig Angst vor ihm. " Sieh mal einer an." Der Andere kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. " So sieht man sich wieder. Habe ich nicht Recht? Spencer?" Ich stutzte. Woher kannte er seinen Namen? Woher kannte er ihn? " Ich habe keine Ahnung was du meinst oder was du von mir willst", Callom knurrte aber ich spürte das die Erkenntnis, dass der Anderen ihn zu kennen schien, in ihm ebenfalls viele Fragen bescherte. " Du weißt es nicht?", lachte der Andere spöttisch. "Ein Wunder das dir dein lieber, guter Vater nichts davon erzählt hat", in seiner Stimme schwang Ironie mit. Dieser Mistkerl. "Was hat mein Vater damit zu tun?", Callom's Stimme klang immer noch kühl und fest und ich wusste das ihm dieses Gespräch zu tiefst missfiel. "Was der Verräter damit zu tun hat? Ja ein Verräter hat es wahrlich nicht leicht. Du kannst ihm liebe Grüße von seinem alten Freund ausrichten", er stemmte die Vorderpfoten in den Boden und fixierte jemanden hinter uns," Falls der liebe Valentine es schafft, sein Rudel heute Nacht am Leben zu behalten." Ich schluckte und Callom trat knurrend zurück. Er blieb neben mir stehen und gab mir ein Zeichen das wir verschwinde sollten, sobald der Kampf ausbrach. Ich nickte leicht und wandelte ebenfalls. " Lasst das Gemetzel beginnen", lachte der Andere und sprang mit einem Satz über uns hinweg. Ein Tumult brach aus. Schwarz kämpfte gegen Weiß. Niemand schien auf uns zu achten und so rannten wir los. Als Wölfe waren wir wahrlich schneller und kurz darauf kamen wir am Waldrand an. "Wo lang jetzt?" fragte ich an Callom gewandt. Er wollte antworten, doch plötzlich stürzte sich ein anderer Wolf auf ihn. Ich weitete entsetzt die Augen, als ich das weiße Fell an mir vorbeizischen sah und erkannte meinen Vater sofort. Er begann wild mit Callom zu kämpfen und ich stand nur enttäuscht daneben. Wie konnte mein Vater es wagen, sich auf ihn zu stürzen? Er konnte doch wirklich nichts dafür, dass sein Vater Teil der Anderen gewesen zu sein schien. Er achtete nicht auf mich und so ergriff ich meine Chance. Ich sprang ihm auf den Rücken und bis in seinen Nacken. Der Biss hätte, wenn ich stärker zugebissen hätte, tödlich für ihn sein können. Aber soweit wollte ich dann doch nicht gehen. Er fiel zu Boden und blieb leise winselnd liegen. Er sah zu mir auf und ich konnte den Schmerz in seinen Augen sehen. "Wir müsse noch ein Stück die Straße hinauf", sagte Callom und ich wollte mir die Hand vor den Mund schlagen, wenn ich den eine gehabt hätte. Er war Blut verschmiert und an seinem Hals klaffte eine tiefe Wunde. Ich wandelte zurück in meine menschliche Gestalt und er tat es mir nach, worauf er jaulend zusammenbrach. Ich stützte ihn und zusammen gingen wir zu dem Wagen, der tatsächlich nicht weit entfernt stand. Ich half Callom auf den Beifahrersitz und lief um das Auto herum. Als ich einstieg schlug ich die Tür so doll zu, dass Callom kurz zusammenzuckte. Nachdem ich ihm mit dem Anschnallen geholfen hatte, tat ich es bei mir selber und startete den Motor. Wie gehofft hatte der Schlüssel wirklich noch gesteckt. Ich fuhr los und konnte im Rückspiegel erkennen wie sich mehrere Wölfe um meinen Vater versammelten. Er lag bewusstlos auf der Straße. Ich wusste das ich nach dieser Nacht, niemals wieder in dieses Revier zurückkehren durfte. Es war schon immer nur eine Frage der Zeit gewesen bis ein Vorfall mich aus dem Rudel verbannt hätte. Und nun war diese Zeit gekommen.

Gefunden (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt