Kapitel 21

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" .... hörst du mir überhaupt noch zu?" fragte mich eine gelangweilte, auf ihrem Bleistift herumkauende Lea. Ich murrte nur ein bisschen herum und sah trübselig auf den weißen Tisch. Chemie war nie meine Stärke gewesen und die meiste Zeit des Unterrichts hatte ich damit verbracht die Bleistiftzeichnungen von der Tischoberfläche zu rubbeln. Auch wenn ich kurz davor war einzuschlafen, war ich trotzdem froh das Callom unter dem Tisch meine Hand streichelte. Es war so beruhigend und angenehm, dass ich mich fragte wie ich es mein Leben lang ohne ausgehalten hatte. Er beobachtete mich durchgehend aus den Augenwinkeln. In seinen Augen konnte ich die Besorgnis sehen und ich beendete meine Rubbelattacke gegen den Tisch. Dafür griff ich nach seiner Hand und drückte sie leicht, was ihm sein wunderschönes Lächeln entlockte. " Mr. Spencer. Ich weiß nicht warum sie während meines ausführlichen Vortrags über Chlor und Florid lachen müssen." Abrupt lies ich seine Hand los und tat so als würde mich die Notizen an der Tafel sehr interessieren. " Wenn sie mich fragen würde, ihr Vortrag ist zu ausführlich," flüsterte Lea mir ins Ohr und ich stieß sie sanft mit meinem Knie an, da ich mir nicht auch noch eine Ermahnung wegen eines Lachens erteilen lassen wollte. " Danke für deine, ach so rührende Unterstützung," raunte Callom mir ins andere Ohr und ich schüttelte den Kopf. Es war doch immer dasselbe mit den beiden. Man konnte sich während des Unterrichtes nicht konzentrieren, falls man das den wollte. Es klingelte schrill und die Lehrerin forderte uns auf den Klassenraum zu verlassen. Dabei wedelte sie hektisch mit den Armen in der Luft herum und scheuchte uns regelrecht von unseren Plätzen. Ich schnappte mir meinen Rucksack und versuchte so schnell es ging den nach altem Kaugummi riechenden Raum zu verlassen. " Vivien ich komme sofort. Warte am Tor auf mich." Ich nickte Callom zu und sah ihm noch kurz nach, als er sich in die andere Richtung davondrängte. Wo er wohl noch hinmusste? Aufs Klo? Schulternzuckend drehte ich mich um und mischte mich unter die Schülermenge, die versuchte ohne große Verletzungen aus dem Gebäude zu gelangen. Als ich draußen war blieb ich wie angewurzelt stehen. Etwas war anders. Ganz anders.

Ein mir bekannter Geruch lag in der Luft den niemand außer mir riechen und erkennen konnte. Ich kniff die Augen zusammen und knurrte. Zwei kleine Jungen aus der sechsten Klasse gingen an mir vorbei und beäugte mich. "Glotzt nicht so", keifte ich die beiden an und sie verzogen sich schnell. Es überraschte mich, dass ich in letzter Zeit so anders reagierte. Der bekannte Geruch wanderte in meine Nase und setzte sich in meinem Kopf fest. Ich hätte schwören können das meine Augen sich wandelten und mein Gesamtbild jetzt ziemlich seltsam aussehen musste. Ich krallte die Finger in meine dünne Bluse und holte ganz tief Luft. Nein Vivien du wirst dich jetzt nicht vor all den anderen verwandeln und dein Geheimnis auffliegen lassen! Reiß dich zusammen und hör auf mit dir selber zu reden! Mein Befehl hallte in meinem Kopf wieder. " Hey, was ist?", Calloms Stimme drang an mein Ohr und holte mich aus meinen Gedanken. "Das ist los", die Menge teilte sich und ich sah zum Tor. Wie erwartet, standen dort vier Gestalten und sahen in meine Richtung. "Wer ist das?", fragte er mich und ich biss die Zähne zusammen. "Dad!" antwortete ich ihm. Wütend setzte ich mich in Bewegung und stampfte in die Richtung Tor. "Was hast du hier zu suchen?", keifte ich meinen Vater an und knurrte daraufhin. Es war mir egal, ob meine Mutter es mitbekam. Man konnte gleich sehen das unser Verhältnis nicht das beste war. Im Gegensatz zu mir blieb er ganz ruhig und sah mich nur ausdruckslos an. "Sag mir warum du hier bist", meine Sicht veränderte sich und ich wusste das mein Körper kurz davor war sich zu wandeln. " Ich bin hier, weil es einige Vorfälle gab die ich unter keinen Umständen gut heiße. Wie zum Beispiel deine Markierung. Wer war es?" Nun wurde seine Stimme auch etwas lauter und man konnte die Wut, die er zu verstecken versuchte, heraushören. " Glaubst du ich würde es dir verraten? Du würdest ihn doch nur umbringen. Und weswegen? Wegen einer Kleinigkeit die anderen jeden Tag passiert." Gut. Markierungen waren jetzt kein Alltagsgeschehen, aber unter wandelnden Liebespaaren, waren Markierungen völlig normal." Du bist nicht jemand von den anderen." Die Wut in mir wurde immer größer, bäumte sich auf und wollte durch einen tödlichen Genickbiss an meinem Gegenüber gelöscht werden. Eine Hand legte sich auf meinem Arm und ich beruhigte mich. Ich hielt meine Wandlung auf und sah zu Callom der dicht hinter mich getreten war. Ich war so froh, über seine Anwesenheit. " Wer bist du das du es wagst meine Tochter zu berühren? Sag mir, wer ist dein Alpha? Er hat meine Tochter markiert." Meine Tochter hier, meine Tochter da. Es wurde mir zu bunt. Woher wusste er es überhaupt? Die Art wie er mit Callom redete gefiel mir ganz und gar nicht. Er war nur der Betha, niemand sonst. Der Betha eines anderen Rudels. Und er war hier in Calloms Revier und beschimpfte ihn wie einen Dachs der die Nacht in einer stinkenden Mülltonne zu verbringen pflegte. " Rede nicht so mit ihm", fauchte ich und ballte die Hände zu Fäusten. " Wer soll er schon sein, dass es mir nicht erlaubt ist über ihn zu reden wie es mir gefällt?" Nun schien auch Calloms Geduldfaden zu reißen. " Ich bin der Alpha. Und sie befinden sich in meinem Revier, also haben sie sich anständig gegenüber mir zu benehmen. Solch ein Verhalten dulde ich nicht!"

Für einen Moment war es still. Niemand bewegte sich. Es fühlte sich an, als würde jede Minute etwas, oder in unserem Fall jemand, explodieren. Meine Mutter hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen. Der Ausdruck in den Augen meines Vaters wich Entsetzen, dann blanker Wut. Du elender Mistkerl. Du hast meine Tochter markiert und nennst sie dein Eigen. Dafür werde ich dich mit dem Tod bestrafen. Er fletschte die Zähne und wollte auf Callom zustürmen doch ich stellte mich schützend vor ihn. Ich habe ihn zuerst markiert, warf ich schnell ein, ohne vorher darüber nachzudenken. Wenn er jemanden bestrafen wollte, sollte er mir und nicht Callom seinen Ärger demonstrieren. Ich sah meinen Vater abwartend an. Ich wollte wissen wie er reagierte. Würde er nun auf mich losgehen? Seine Reaktion war jedoch ganz anders, als erwartet. Leider viel, viel schlimmer. "Das reicht. Du kommst mit mir nach Grönland zurück. Dort werde ich dir beibringen wie du dich deinem Betha gegenüber zu verhalten hast. Und damit das klar ist, sag Auf Wiedersehen. Du wirst hier niemals jemanden wiedersehen."

Vor Entsetzen, stolperte ich rückwärts und wäre gefallen, würde Callom nicht hinter mir stehen. Er umfasste meine Hände mit den Seinen und drückt mich ganz dicht an sich. Ich höre seinen beschleunigten Herzschlag und spüre wie meine Augen zu tränen anfangen. Nach einander fließen sie mir über die Wangen und tropfen an meinem Kinn hinunter. Nein, flüsterte ich mit erstickter Stimme. Nein, Nein, Nein, Nein, Nein, ich fing an zu schluchzen und schloss die Augen. Das konnte er mir doch nicht antun. Er konnte mich doch nicht einfach von Callom trennen. Callom war der einzige der mich so hinnahm wie ich war. Er war der Einzige der mich richtig verstand und mich liebte. Und ich liebte ihn. Ich würde keinen Tag ohne ihn aushalten. Ich spürte seine Lippen an meinem Ohr. Es wird alles gut. Wir werden nichtlange getrennt sein. Ich verspreche es dir.

Gefunden (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt