Kapitel 18

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Ich hatte die Augen geschlossen und nahm nur noch schwach meine Umgebung wahr. Der Schnee kühlte meine Haut und meine Lippen zitterten vor Kälte. Ich hatte mehrmals versucht zurück ins Haus zu robben, doch der fürchterliche Schmerz in meinem Herz hatte wieder zu genommen. Meine Hand lag schwach auf meiner Schulter und ich massierte die wunde Haut." Vivien." Ich wurde hochgehoben und öffnete schwach die Augen. Ich lag in Calloms Armen und er trug mich ins Haus. Fürsorglich legte er mich aufs Sofa und breitete die, sonst immer zusammengefaltete, Wolldecke über mir aus. " Warum alles in der Welt bist du nach draußen gegangen?" er schloss die Terassentür und setzte sich neben mich. Ich sah ihn ein bisschen nervös an. Was wenn er sich wieder nicht zusammenreißen konnte? Es wirkte so, als wolle er meine Wange streicheln, doch kurz vor der Berührung zog er die Hand wieder zurück.

Ich schloss kurz die Augen um meinen Atemrythmus wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich wusste nicht ob es daran lag, dass ich solange im Schnee gelegen hatte oder ob es an ihm lag. Insgeheim hoffte ich, dass nicht er der Grund dafür war, dass meine Gefühle in letzter Zeit die Kontrolle über mich hatten. " Viv Vivien?" er stotterte leicht und wenn es mir nicht so schlecht ginge hätte ich angefangen zu grinsen. Nervosität verbinde ich meist immer mit Angst, hallten seine Worte in mir wieder. Diese Chance musste ich nutzen. Die Verlegenheit stand ihm gut. " Hast du Angst? fragte ich und war im Begriff die Konversation, die wir auf der Wiese geführt hatten, zu wiederholen. Nur das dieses Mal unsere Rollen vertauscht waren. Doch seine Reaktion überraschte mich. " Ja. Verdammt. Ich hab Angst." Ich öffnete die Augen einen Spalt und musste wohl oder übel feststellen, dass Callom im Begriff war gleich los zu heulen.

" Ich hab Angst. Angst davor es nicht mitzubekommen wenn dir etwas passiert. Wenn ich dich nicht in Sicherheit zu wiegen weiß. Und trotzdem bittest du mich immer um Hilfe." Oh. Ich hatte nicht erwartet dass er so emotional sein konnte. Er tat mir leid und ich machte mir riesige Vorwürfe. Immerhin machte ich ihm ja diese Schwierigkeiten und war immer in Gefahr. Und dann auch noch am Sonntag. Es war ja eigentlich meine Schuld, dass er die Fassung verloren hatte. Ich hatte ja damit angefangen. Mein Herz fing an zu pochen. Der Schmerz war zwar verschwunden, doch irgendetwas zieht in mir. Callom stützte die Arme auf den Knien ab und vergrub das Gesicht in den Händen. Er weinte. Seine Arme zitterten und man konnte leise Wimmertöne hören. Ich setzte mich auf und legte ihm die Hand auf die Schulter. " Hey. Mach dir bloß keine Vorwürfe, im Grunde ist das alles doch meine Schuld. Vor allem an dem Abend als du mich-" " Das wollte ich nicht, ich wollte nicht das du solche Schmerzen erleidest. Aber irgendetwas in mir hat danach geschrien es zu tun und ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Ich bin ein Alpha, ich muss mich kontrollieren können, aber das kann ich nicht." Man. Er tat mir so unendlich leid. Während ich hilflos versuchte ihn zu trösten, kam mir eine Idee. " Ich bin eigentlich ganz gut darin, mich zu kontrollieren. Klar manchmal verlier ich mich auch, aber wenn du willst helfe ich dir natürlich. Das ist das mindeste was ich für dich tun kann." Er ließ seinen Kopf immer noch vergraben. Wie sollte ich vernünftig mit ihm reden, wenn ich ihn dabei nicht richtig ansehen konnte?

" Callom, sieh mich an." Keine Reaktion. " Callom, ich rede mit dir." Wieder nichts. " Beim Reden schaut man sich normaler weise ins Gesicht." Ich versuchte seinen Kopf anzuheben doch er versteift sich. Langsam wurde ich ein bisschen wütend. Wie soll ich ihm verzeihen können, wenn er mir gar nicht richtig zu hört? " Ich bin kein guter Alpha". Oh. Wow. Du kannst reden?! Das sagte ich natürlich nicht laut. " Ach, Quatsch das stimmt doch gar nicht." sagte ich stattdessen und versuchte aufmunternd zu klingen. Ohne Erfolg. Ach man. Der benimmt sich ja wie ein Kleinkind. " Callom Spencer. Heb deinen Kopf hoch." sagte ich laut und bestimmend. " Ich will dir doch nur ins Gesicht schauen." Das letzte sagte ich leise und fuhr mit meiner Hand durch seine Haare. Das hatte ich schon immer mal machen wollen. Bei Jungs allgemein. Es klappte und er hob vorsichtig seinen Kopf. Die letzten Tränen liefen über das Gesicht und seine Augen hatten einen traurigen Ausdruck angenommen. " Also, was ist jetzt?" Er antwortete mir nicht. Stattdessen nahm er mein Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn gegen meine. Ich erschrak ein wenig, beruhigte mich aber schnell wieder. " Danke, Vivien." Er schloss die Augen und näherte sich mir. Wenn das überhaupt noch ging. Bevor er es tun konnte, legte ich meine Lippen auf seine, schlang meine Arme um seinen Hals und zog in zu mir auf die Couch. Da lagen wir also. Nebeneinander auf der Couch, unzertrennlich in dem schönsten Kuss meines Lebens. Ich hörte nur noch ganz leise das Schneegestöber draußen, ganz weit entfernt von uns. Geborgenheit und Glück durchflossen mich. Ich fühlte mich wohl. Richtig wohl.

Gefunden (Abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt