Es war schon etwas dunkler geworden. Vivien und ich hatten die ganze Zeit in der friedlichen Position ausgehaart und in die Ferne geschaut. Ich hatte befürchtet, dass sie die ganze Zeit nur reden würde, doch sie hatte nichts gesagt. Kein Mucks von sich gegeben. Die einzigen Geräusche waren der Wind der durch das hohe Gras strich und unsere klopfenden Herzen. So wie mit ihr hatte ich mich noch nie gefühlt. So frei. So bedingungslos und glücklich. Ich atmete tief aus. Man sah schon den Mond heller leuchten. Die weiße Sichel, würde bald voll sein und dann müssten wir uns in den Wald zurückziehen um den Menschen unsere Existenz nicht zu offenbaren. Vor einer Woche war Vivien noch die Neue gewesen und ich hatte sie nicht wirklich wahrnehmen wollen. Doch etwas, irgendetwas hatte es geschafft das wir uns besser kennengelernt haben. Und jetzt gehörte sie beinahe zu meinem Alltag. Morgens, wenn ich das Klassenzimmer betrat, sah ich mich immer um damit ich wusste das alle meine Freunde anwesend waren und ich mich um niemanden sorgen musste. Das tat ich eigentlich nur bei meinen Rudelmitgliedern, aber Vivien war die erste große Ausnahme.
" lom? " Ich hob den Kopf. " Entschuldigung ich war in Gedanken versunken, hast du etwas gesagt?" " Ist schon gut, ich sollte aber nach Hause gehen sonst macht meine Mutter sich unnötig Sorgen." Sie erhob sich und klopfte den Dreck an ihrer Hose ab. " Soll ich mitkommen?" Sie sah mich verwundert an, lächelte dann aber wieder. " Kannst du, musst du aber nicht. So weit ist es ja auch wieder nicht." Ich erhob mich und wir gingen schweigend nebeneinander durch das Gras. Ich hatte die Hände in die Jackentaschen gesteckt und betrachtete meine Schuhspitzen. Eine ganze Weile gingen wir so dahin, bis sie plötzlich anfing zu reden. " Tut mir leid, dass ich im Restaurant die Nerven verloren habe. Das ist mir noch nie passiert." Ich lächelte müde. " Ist doch halb so schlimm, so was passiert doch allen Mal." " Ja aber es ist halt nie zuvor passiert und deswegen beschäftigt mich das so, verstehst du? Mir kommt es oft so vor als mache ich mir umsonst über irgendeine Sache Gedanken, aber meistens hilft es doch im Stillen darüber nachzudenken." " Ja das Gefühl hab ich auch ziemlich oft." konnte ich gerade noch so erwidern bevor sie weiter redete. "Klar, ich hab als Kind auch sehr viel Blödsinn gemacht, vor allem wenn mein Vater wichtige Rudelmitglieder zu Besuch hatte. Meist hab ich laut herumgeschrien, bin durch den Raum gerannt und hab die Besucher sinnloses Zeug gefragt. Aber am Ende gab es nur eine Ermahnung und meine Mutter hat ihn immer ausgelacht." " Wen?" " Meinen Vater. Ich hab ihm immer das Leben schwer gemacht, bin abgehauen oder hab mich Tage lang versteckt. Einmal hab ich sogar vorgespielt, abgehauen zu sein weil ich mich mit meinen Eltern gestritten habe. Ich glaube da war sogar dreizehn. Ich wollte testen ob sie mich wirklich lieb hatten." " Und hattest du Erfolg?" Ich hatte es aufgegeben selbst etwas zu erzählen. Vivien redete wie ein Wasserfall. " Ja. Ich hatte mich an unterschiedlichen Orten versteckt und hab sie immer beobachtet. Sie haben natürlich die ganze NSWR nach mir ab gesucht, aber dank der Geheimgänge die ich gefunden habe, haben sich mich nie gesehen. Ich horchte auf. NSWR? " Aber ich fürchte ich bin heute zu groß für die schmalen Tunnel." Sie lachte auf. " Was ist die NSWR?" Sie schien kurz unschlüssig fing dann aber doch an zu erzählen. " Was sollst du mir der Info schon anfangen. Die NSWR ist mein zu Hause. Die Abkürzung steht für ,, Nationale Sicherheitsstation es Weißen Rudels. Dort leben tausende Familien. Es ist gleichzeitig unser Haus und unser Versteck." " Die muss aber sehr gut getarnt sein, oder?" Ich hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum wollte ich das den wissen? Vivien schien auch kurz unsicher sagte dann aber zaghaft: " Nur das weiße Rudel kann sie betreten. Sie liegt in einer Schlucht und ist sehr gut gesichert. Wir tun alles dafür, dass sie geheim bleibt. Zumindest ihr Standort." Ich nickte und blieb stehen als sie eine Einfahrt betrat. " Dann sehen wir uns morgen in der Schule?" fragte sie und wendete en Blick ab. " Klar" antwortete ich. Sie sah mich wieder an und lächelte. Um ihren Mundwinkel erkannte ich schwache Grübchen. Irgendwie süß. Ich kämpfte mit dem Gedanken, einen Schritt vorzugehen und sie zu umarmen. Was wäre wenn sie das gar nicht wollte? " Callom?" ich riss mich zusammen und sah ihr in die Augen. Fehler. Die hielten mich noch mehr fest. Das wilde Grün funkelte im Dunkeln. " Danke" Sie kam zu mir zurück, stellte sich auf die Zehnspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Das reichte um mir einen wohligen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Ich legte meine Arme um sie und zog sie näher heran. Sie hatte eine unglaublich hohe Körperwärme die sofort auf meinen Körper übersprang. Sie erwiderte meine Umarmung.
Nach einer Minute, die für mich viel zu kurz war, lösten wir uns voneinander. Wir hielten uns zwar immer noch, standen aber leicht aus einander. Ich senkte den Kopf und ging ein bisschen in die Hocke, sodass ich ihr direkt ins Gesicht sah. Ich war entschlossen. Entschlossen es zu tun. Ich zog sie zu mir zurück, schloss die Augen und drückte meine Lippen auf ihre. Sie schien erschrocken und ich hatte die Befürchtung, dass sie mich wegstoßen würde, doch dann erwiderte sie den Kuss und ließ sich gegen mich fallen. Ihre Arme legten sich um meinen Hals und meine Hände um ihre Taille, bevor wir in einen unendlichen Kuss fielen.
Unendlich war er aber leider nicht, denn plötzlich löste sie sich von mir. Ich ließ die Augen noch kurz geschlossen und merkte wie sie sich an mich kuschelte. Ich streichelte ihren Hals und legte meine an ihre Wange. Ich konnte das Blut in ihren Adern fließen hören und mein Mund glitt langsam zu ihrem Hals. Ich konnte es nicht steuern, wusste aber auch nicht ob ich es stoppen wollte. Als ich mir ganz sicher war, dass ich das auf gar keinen Fall zulassen durfte, hörte ich schon einen Schrei. Ich schmeckte Blut und öffnete die Augen. Vivien Hals war rot. Rot vor Blut, das aus einer Bisswunde quoll. Sie riss sie los und drückte ihre Hand darauf. Entsetzt starrte sie mich an. Ich starrte wahrscheinlich genauso entsetzt zurück. Was hatte ich getan? Tränen traten in ihre Augen und sie presste die Lippen auf einander. " Verschwinde" schniefte sie. " Hau ab." Flink drehte sie sich um, rannte zur Tür, schloss sie auf und knallte sie hinter sich zu. Ich blieb fassungslos auf der Einfahrt stehen. Man hörte eine aufgeregte Stimme und Licht ging an. Das war mein Zeichen, sich aus dem Staub zu machen. Ich wandelte und rannte die Straße hinunter. Tränen versiegten in meinem Fell und mir wurde bewusst was ich getan hatte.

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Gefunden (Abgebrochen)
Hombres LoboDie junge Wandlerin Vivien Davenport hat ihr ganzes Leben über im grönländischen Wald gelebt und bekommt nun die Chance in England zu leben. Dort trifft sie auf den jungen Alpha Callom der ihr schnell ans Herz wächst. Nur leider ist nicht jeder mit...