Silber und Drache 25

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Als wir durch die Landschaft ritten, durch weite, grünen Wiese, die bald in einen dichten Wald übergingen, erzählte ich der Königin vom Winterstein.

Dicht belaubte Äste hingen uns in den Weg.

Die Baumkronen über uns sperrten die Sonne aus, und ließen uns im schummrig, grünen Halbdunkel des Waldes zurück.

Die Königin begann zu frösteln und drückte sich noch enger an mich, bis ich ihr meinen Umhang nach hinten reichte.

Dankbar nahm sie ihn an.

Ich merkte ihre Bewegungen, als sie sich den Mantel umlegte, dann kuschelte sie sich mit einem leisen Seufzen wieder an mich.

Ihr gefiel unsere Lage eindeutig ein wenig zu gut.

Doch ich redete nicht mit ihr darüber. Es waren unsere letzten gemeinsamen Stunden, und irgendwie schmerzte mich der Gedanke heute mehr als gestern.

Obwohl mich ihr Verhalten immer noch unruhig machte.

Ich merkte es an meinen Handflächen, deren dünner Schweißfilm es mir schwer machte, die Zügel meines Pferdes zu halten. Auch meine Nackenschuppen blühten auf unter ihrer Nähe. Sie kribbelten und brannten nach wie vor.

Doch mein Herzschlag hatte sie beruhigt, und schlug nur in einer Intensität, dass ich ihn gerade so bemerkte.

„So, der Winterstein ist ein Vulkan. Ist es nicht zu gefährlich dort zu Leben?" fragte die Königin, als ich ihr gerade erzählt hatte, dass ich meine Zimmer im Winterstein nur selten beheizen musste, weil das innere Feuer des Berges die steinernen Wände erhitzte.

„Vielleicht. Wenn man kein Drache wäre. Unsere Haut schützt uns vor Feuer. Außerdem kennen wir unsere Heimat sehr genau. Wir wissen mit welcher Kraft das Feuer im Winterstein brennt.

Drachen leben seit tausenden von Jahren im Winterstein, und es bestand noch nie eine Notwendigkeit ihn zu verlassen. Ihm Moment lodert sein Feuer sehr sanft. Ein wenig zu sanft für meinen Geschmack."

Der Elfe von meiner Heimat zu erzählen fühlte sich wundervoll an.

Ich wusste nicht genau warum, aber sie wirkte so interessiert und bewunderte vieles vom dem, was ich erzählte, so ehrlich, dass ich den Stolz wegen meiner wundervolle Heimat kaum zügeln konnte.

Dass eine Elfe dieses freundliche Interesse an uns Drachen zeigen konnte, hätte ich niemals geahnt. Der Geist des Rubinkrieges lebte in uns weiter, deshalb hatte ich immer geglaubt, die Elfen würden ebensolche Verachtung uns gegenüber empfinden wie wir.

Doch die Königin war anders.

„Also ist der Wintersteinhorst auf Feuer gebaut. Mein Palast steht auf einer Wasserquelle. Das bedeutet doch, dass wir uns sehr ähnlich und doch das genaue Gegenteil sind. Nicht wahr?" sagte die Königin.

„Nicht ganz. Drachen bestehen aus Feuer und Wasser. Also sind wir uns eher ähnlich. Ich weiß bloß nicht aus was Elfen bestehen," antwortete ich ihr spontan.

Ich merkte erst als ich die Worte ausgesprochen hatte, dass ich soeben etwas zu ihr gesagt hatte, was ein Drache eigentlich niemals freiwillig aussprechen sollte.

Wie konnte ich auch nur für eine Sekunde behaupten, Elfen und Drache wären sich ähnlich. Hatte ich dafür gekämpft? Um am Ende festzustellen, dass zwischen unseren Völker grundlegende Ähnlichkeiten bestanden?

Dann hätte ich damals im Rubinkrieg meine Brüder und Schwestern abgeschlachtet. Diese Schuld wollte ich niemals auf mich laden.

„Elfen bestehen aus Wasser, Erde und Licht," flüsterte die Königin mir ins Ohr, dass ihr warmer Atem gegen meine Ohrmuschel blies.

„Und ich bin auf jeden Fall eurer Meinung. Unsere Völker sind sich in gewisser Weise ähnlich. Also könnten wir sicherlich wundervolle Freunde sein."

Ich erschauderte ein wenig, als ich sie so spürte, und versuchte mich ein wenig von ihr fort zu drücken, denn mein Herz hatte wieder zu rasen begonnen. Sie merkte meinen Fluchtversuch ganz sicher, aber ließ es geschehen. Ihre Arme, die sie eng um mich geschlungen hatte, ließen locker und gaben mir Raum für mehr Abstand.

Scheinbar wollte mich die Königin heute nicht mehr so sehr ärgern.

Wegen ihrer Worte, war ich mir nun ganz sicher. Mit so einer Meinung konnte die Königin nicht im Rubinkrieg gekämpft haben. Keiner der älteren Drachen wünschte enge Beziehungen zu den Elfen. Das taten diese im Gegenzug sicher auch nicht.

Doch ich antwortete der Königin nicht, denn ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, wie eine Freundschaft zwischen uns aussehen sollte.

Stattdessen nutzte ich ein wichtiges Detail in unserer Umgebung, um von dem Thema abzulenken.

„Seht ihr. Wir erreichen den Waldrand, dann kann die Sonne euch wärmen. Ab hier weiß ich auch ziemlich genau wo wir uns befinden. Wir reiten jetzt eine Zeitlang abwärts in die Goldweiten. Dort herrscht milderes Klima."

In den Goldweiten zogen sich Gelbährenfelder bis hin zum Horizont, nur unterbrochen von kleinen Ansammlungen von Bauernhöfen und grasbewachsenen Streifen, mit wild wuchernden Büschen und Bäumen, die die Felder voneinander abtrennten.

Ab den Goldweiten,die sich noch im Drachenland, aber an der Grenze zu Elfenhein, dem Land der Elfen, befanden, bis zu Samtwasser, den Ländereien der Elfe, wurde das Wetter immer wärmer.

„Nun dann scheint ja noch ein langer Weg vor uns zu liegen," sagte die Königin und klang dabei unglaublich zufrieden, als wollte sie gar nicht das die Reise dem Ende zu ging.

Sie presste sich wieder an meinen Rücken, lehnte ihr Gesicht an meine Schulter und dann machte sie ein seltsames, kurzes Geräusch, das beinah wie das wohlige Schnurren einer Katze klang.

Es irritierte mich sehr, aber irgendwie wollte ich es nochmal hören.



Als die Zwillingssonnen bereits weit über den Himmel gewandert waren, machte wir eine längere Pause, obwohl ich keine eingeplant hatte.

Meine zwei Untergebenen und ich konnten auf dem Pferd unser Trockenfleisch kauen, und aus dem Wasserschlauch trinken, doch als der Magen der Elfe verdächtig zu grummeln begann, musste etwas zu Essen für sie besorgt werden.

Zwar zeigten meine weiteren Begleiter alles andere als Begeisterung, als ich den Befehl gab in einem Dorf zu halten, doch das Wohlergehen der Königin hatten im Moment höhere Priorität für mich, als Milandas Gemecker und Ranjas langes Gesicht.

Über die letzte Stunden waren die Elfe und ich in schweigen verfallen, doch diese lastete nicht schwer auf mir. Eher genoss ich die schöne Landschaft um mich herum, die warme Präsenz an meinen Rücken und die gleichmäßigen Atemzüge der Königin, die an mein Ohr drangen. Beinah hatte ich vermutet sie wäre eingeschlafen, bis ihr Magen begann sich lautstark zu beschweren.

Am Anfang wunderte ich mich noch, dass ich mich so ruhig fühlen konnte mit der Königin so dicht an meinem Körper, doch das Gefühl trat einfach ein, und blieb mein steter Begleiter über die nächsten Stunden.

Vielleicht war es die Natur, die mich umgab, die es immer schaffte mich zu beruhigen, oder ich gewöhnte mich langsam an die Präsenz der Königin.

„Ich besorge euch etwas zu Essen. Ihr könnt hier auf dem Pferd warten, oder absteigen, wenn euch nach etwas Bewegung ist. Mögt ihr etwas bestimmtes Essen? Ich kann natürlich nicht versprechen, dass ich euren Wunsch in so einem kleinen Dorf erfüllen kann," sagte ich, bevor ich vom Pferd sprang und mich nach einem Dorfladen, oder ähnlichem umsah.

Die Königin gähnte verschlafen, streckte sich einmal ausgiebig und sprang dann ebenfalls vom Pferd hinunter.

„Ich komme mit euch," antwortete sie mir bestimmt und lächelte mich verschlafen an.

Scheinbar hatte sie wirklich ein Nickerchen gemacht.


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt