Silber und Drache 41

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Er log mich an. Ich hatte keinen Zweifel. Also begann ich zu Lachen.

Vielleicht versuchte ich meine Unsicherheit zu überspielen.

Die Tatsache, dass mir das Herz beinah aus der Brust sprang und ich das Bedürfnis verspürte, mich zu setzen, oder mit wilden Schreien davonzulaufen.

Wie sollte ich der Königin jemals wieder unter die Augen treten?

„Das stimmt doch nicht. Ihre einzige Liebe ist tot. Sie hat es mir selbst gesagt."

Mein Atem kam schwerer. Frustriert klopfte ich mir auf die Brust, um mir Luft zu verschaffen.

Ich hatte keine Lust in Panik zu geraten.

Wenn er mir die Wahrheit sagte, musste ich das Verhalten der Königin ganz anders bewerten.

Was sollte ich dann machen?

„Ah ja. Die einzige Liebe. Sie ist das Idealbild jeder Elfe von klein an. Kommt in jedem Märchen vor und...", Jae kicherte und legte seinen Finger unter mein Kinn, um mir in die Augen zu sehen.

„...die meisten Elfen finden sie ohnehin nicht. Deshalb haben wir so gut wie keine Eheschließungen. Das bedeutet nicht, dass wir uns gar nicht verlieben. Wäre doch langweilig."

Verärgert schob ich seine Hand weg.

Hatte die Königin mich von Anfang an belogen? Kurz zermarterte ich mir das Hirn über das Wenige, was ich über die einzige Liebe gelernt hatte.

Ich wusste nicht viel. Scheinbar hatte ich mir auch einiges falsch zusammengereimt.

„Was soll dann dieses ganze Getue? Wieso schwärmt mir eure Schwester von der einzigen Liebe vor, wenn sie nicht viel mehr als eine Fantasie ist. Ich dachte..."

„Ihr dachtet wir wollen nur die einzige Liebe. Ein Gefühl von unglaublicher Wichtigkeit in jedem Elfenleben.", unterbrach mich der Elf.

Er nickte, als wollte er mir zustimmen, obwohl ich meine Gedanken nicht hatte aussprechen können. Aber er hatte genau das gesagt, was ich dachte.

Sein Gesicht wirkte verträumt, als er weitersprach:

„Nun. Die einzige Liebe ist wie ein schöner Traum, dem wir alle hinterher jagen. Doch wir finden ihn nie. Sie ist unvergleichbar und unerreichbar. Ich kenne nur ein einziges Paar, das durch die einzige Liebe verbunden ist. Sie leben hier. Ich kann sie euch vorstellen."

Die einzige Liebe schien ein so hochgelobtes Ideal zu sein, dass ich neugierig wurde, wie sie sich auswirkte.

Ich wollte das Liebespaar kennenlernen, um zu sehen, ob sie sich grundlegend von den Verliebten unterschieden, die ich kannte.

„Dann stellt sie mir vor."

Jae ergriff meine Hand und zog mich zum Portal, das zurück in den Gang führte. Wie seine Schwester, fragte er mich nicht, ob ich es mochte so herumgezerrt zu werden.

Doch ich wehrte mich nicht. Ich hatte genau das erreicht, was ich gehofft hatte. Er brachte mich hinunter in den Garten.



Mit dem Elf als meinem Führer, stand ich innerhalb von wenigen Minuten ein paar Stockwerke tiefer vor dem Lebensbaum. Wir hatten genau denselben Weg genommen, doch diesmal endete der Flur an einer Wand mit einem großen Blumensymbol, das den Weg nach draußen frei gab.

Obwohl ich genau aufgepasst hatte, konnte ich nicht nachvollziehen, wie wir aus den Gang herausgefunden hatten.

Die allgegenwärtige Magie der Elfen war mir zuwider. Vermutlich hatte mich ein Zauber absichtlich verwirrt und eingesperrt.

Jae hatte mir inzwischen von dem Liebespaar erzählt. Ihre Heirat lag nicht lange zurück und die Elfenfrau namens Nanili erwartete ein Kind. Sie lebten in einem Lebensbaum, der im östlichen Teil des Gartens lag.

Zwar hatte ich den Wunsch geäußert sie zu besuchen, doch ich überlegte mir dennoch Jae im günstigsten Moment stehen zu lassen, um meine Freiheit zu erlangen.

Allerdings wollte ich den Elfen nicht vor den Kopf stoßen. Er hatte mir Informationen gegeben, die mir halfen meine Situation besser zu verstehen. Aber er hatte auch dafür gesorgt, dass ich das nächste Zusammentreffen mit der Königin noch mehr fürchtete.

„Was ist der Unterschied zwischen einer normalen Liebe und der einzigen Liebe?"

Die Frage beschäftigte mich, seitdem wir begonnen hatten über das Thema zu sprechen. Wenn die Königin behauptete in mich verliebt zu sein, ohne die Bindung der einzige Liebe, welches Ausmaß konnten ihre Emotionen dann haben? Sie verdammte mich dazu die ewig zweite Wahl zu sein, die gegen ihre unermesslichen Zuneigung zu einer Verstorbenen antreten musste.

Wollte ich überhaupt darüber nachdenken solche Gefühle zu erwidern?

„Das ist schwer zu sagen, wenn man seine einzige Liebe nie getroffen hat. Ich kann es euch nicht beantworten. Aber es heißt man merkt sofort wenn man sie trifft. Es ist wohl ein riesiger Unterschied. Wunderschön und schrecklich zu gleich. Auf jeden Fall verändert es einen komplett."

Jae drückte aufmunternd meine Hand, als wüsste er mit welchen Zweifeln ich mich herumschlug.

„Das heißt wenn ein Elf seine einzige Liebe trifft, dann interessieren ihn die kümmerlichen Gefühle, die er vorher hatte, nicht mehr. Das ist ein bisschen grausam.", sagte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte.

Die einzige Liebe der Königin war verstorben. Nur deshalb kam eine romantische Beziehung zwischen uns in Frage.

Ich hatte bereits erfahren, wie sehr mich die Elfe verletzen konnte. Diese zarte Blüte in mir, die ich kaum wagte wachsen zu lassen, konnte sie spielend leicht zerdrücken.

Weil ich jetzt mehr über die Liebe der Elfen wusste, konnte ich ihr noch weniger vertrauen als zuvor.

Vielleicht wäre es besser gewesen ihre einzige Liebe zu sein. Dieses großartige Gefühl hätte mir einen festen Grund geboten, wo ich durch Sumpf waten musste. Jederzeit drohte die Gefahr zu versinken.

„Es hört sich grausam an. Ja. Ich weiß nicht wie es wirklich ist. Ich habe normalerweise keine Angst, dass mir die einzige Liebe meine Partner raubt. Aber ich weiß, dass es Elfen gibt, die so fühlen."

Jae pflückte eine dicke, gelbe Blume von einem Busch, an dem wir vorbeigingen und reichte sie mir mit einem Zwinkern.

„Deshalb ist es besser, die einzige Liebe zu finden. Aber meine Schwester kann es nicht mehr. Also müsst ihr keine Angst haben. Sie liebt euch ohne Einschränkungen und wird euch nicht plötzlich verlassen."

Ich nahm die Blume an. Ein kräftiger Geruch von Honig stieg mir in die Nase.

Seine Loyalität seiner Schwester gegenüber, machte ihn mir sympathisch. Liebevolle Familienbeziehungen weckten in mir stets ein wohliges Gefühl von Heimat.

Über eine knarzende Holzbrücke, die über einen gluckernden Bach führte, traten wir auf eine Lichtung mit einem großen Lebensbaum in der Mitte. Auf den dunkelbraunen Ästen sprossen violette Blätter.

Eine Elfe mit kurzen hellblonden Locken saß auf einer Bank, an den breiten Stamm gelehnt.

Mit geschlossen Augen hielt sie ihr rundes Gesicht in die Sonne und ließ ihre schmalen Hände auf ihrem dicken Bauch ruhen.

Selten hatte ich ein Wesen gesehen, das so viel Zufriedenheit ausstrahlte


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt