Drache und Silber 64

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„Du kannst nicht mitkommen.", sagte ich augenblicklich.

Mich meinem Herr allein zu stellen war gefährlich. Meine Geliebte zu ihm zu bringen, grenzte an Wahnsinn.

„Oh doch."

Die Königin sah mich nicht an und stopfte sich weiterhin mit dem Konfekt voll. Als stehen ihr Entschluss nicht zur Diskussion.

„Mein Herr hat dich entführen lassen. Und nun soll ich dich mit ins Maul des Drachen nehmen? Das ist Irrsinn."

Ich entzog ihr die Süßigkeiten. Nicht nur, weil sie mich nicht beachtete. Sie schien das Essen nicht zu genießen. Als nutzte sie es zur Ablenkung.

Wütend funkelte mich die Elfe an und hielt die Platte fest.

„Ich denke, dass ich sehr wohl weiß, was ich tue. Ich bin eine Königin der Elfen und genieße damit einen gewissen Schutz. Vergiss das nicht. Zu irgendwas muss es ja gut sein."

Die stolze Königin blickte mich an, den Mund beschmiert mit Zucker. Der Anblick brachte mich zum Lächeln, trotz meines Ärgers.

Wie konnte es mir gelingen ihre Sorgen zu vertreiben, ohne sie in Gefahr zu bringen?

Ich wischte ihr mit dem Daumen über die Lippen. Sie starrte mich verdutzt an.

Bevor ich die Hand zurück ziehen konnte, hielt die Elfe mich fest. Sie leckte den Zucker von der Spitze meines Fingers.

„Also nimm mich mit. Ich möchte deine Heimat sehen. Deine Familie kennenlernen. Mich vorstellen."

Ihre Stimme klang wie ein verführerisches Schnurren. Sie änderte ihre Taktik.

Mich umgarnen zu lassen, bedeutete sicher zu verlieren. Bisher hatte sie dieses Spiel meistens gewonnen.

„Ich lade meine Familie hierher ein. Bitte bleib hier. Juna. Ich werde aufpassen. Mich auf kein Duell einlassen. Aber dich mitzunehmen, würde mich vor Sorge krank machen. Wenn er verliebt ist, verliert mein Herr jegliche Vernunft."

Kaum hatte ich ausgesprochen, saß sie auf meinen Schoß. Adrett bügelte sie mit den Händen über ihren Rock und strahlte mich unschuldig an.

„Ich kann das. Iris. Ich bin gut in Diplomatie."

Sie schlang die Arme um mich und kraulte mir über den Rücken. Ein tödlicher Angriff.

Noch gab ich nicht auf. Nachdrücklich zog ich ihre Hände von mir weg. Doch ich behielt sie auf dem Schoß. Wahrscheinlich machte ich einen Fehler. Aber ich wollte sie nicht von mir stoßen. Wie sie sich sorgte, tat ich es auch.

„Eine Elfenkönigin im Reich eines Drachen ist zu riskant. Ein Streit über eine niedrige Adelige, wie ich es bin, ist sogar reine Dummheit. Durch deine Anwesenheit bauscht sich das zu einem Problem zwischen zwei Ländern auf. Und im Grunde will ich doch einfach nur so freundlich wie möglich aus dem Dienste meines Herrn ausscheiden. Lass es mich allein tun. Juna."

Diesmal streichelte ich sie. Zwischen den Schulterblättern hoch zu ihrem Nacken, während sie mich nachdenklich musterte.

Langsam lehnte die Königin sich vor und küsste mich. Ihre Lippen schmeckten nach süßen Früchten.

Lange küssten wir uns, ruhig und zart.

Nachdem sie sich von mir löste, zwickte sie mich leicht in die Backe.

„Nichts was du sagst wird mich davon abhalten, mit dir zum Winterstein zu kommen. Gehst du ohne mich, werde ich folgen. Du kannst mir schließlich nicht verbieten, deinen König zu besuchen."

Ihr Lächeln bekam einen schelmischen Beigeschmack. Diesmal hob ich sie von meinem Schoß und ließ sie auf ihren eigenen Stuhl plumpsen. Die Elfe ächzte übertrieben laut.

„Dann mach doch was du willst.", zischte ich und sprang auf, um den Raum zu verlassen.

Bevor ich die Treppe nach oben erreichte, hing sie an meinem Rücken, die Arme fest um meine Brust geschlungen.

„Ich mache alles, damit du nicht verletzt wirst. Wenn du deshalb wütend auf mich sein willst, dann muss ich damit leben. Aber ich kann es nicht zulassen, dass du dich ohne Schutz der Gnade deines Herrn auslieferst. Ich kann dich vor ihm beschützen."

Sie küsste meinen Hinterkopf, mein Ohr und meine Schulter, hastig und immer wieder, als versuchte sie mich damit, um Verzeihung zu bitten. Ihre Finger krampfte sich in mein Hemd.

In ihrer Stimme lag ein Schluchzen. Es zerschmolz meinen Ärger, in eine klägliche Pfütze aus Mitgefühl.

Vermutlich würde ich sie an meiner Stelle auch nicht alleine gehen lassen. Selbst wenn wir dadurch viel mehr Probleme verursachten. Mit einem lauten Seufzen gab ich auf.

„Schon gut. Ich versteh dich ja. Es nervt mich und vermutlich werde ich mich trotzdem duellieren müssen. Aber dann komm halt mit."

„Danke.", hauchte die Königin in mein Ohr. Ihr warmer Atem ließ mich erschaudern. Hinterhältige Elfe. Sie bekam immer ihren Willen.

„Dann lass uns jetzt endlich Essen. Weißt du wie lang ich schon auf die Suppe warten musste.", schimpfte ich.

Immer noch hielt die Königin mich fest und kuschelte ihren Kopf an meine Schulter.

„Gut. Ich werde mich gut vorbereiten. Und dich mit Fragen löchern, wie ich mich unter Drachen verhalten muss. Du wirst sehen, dass wir beide völlig unbeschadet hierher zurückkehren."

Ganz so hoffnungsfroh fühlte ich mich nicht. Doch als sie mir beim Essen eine Frage nach der anderen stellte, über meine Familie, Freunde, meinen König und das Benehmen am Hof eines Drachen, gewann ich zumindest etwas Zuversicht.




Nach dem Essen ließ die Königin mich allein. Wichtige Stadtgeschäfte warteten. Geschickt nahm sie mir das Versprechen ab, auf sie zu warten. Deshalb verbrachte ich den Nachmittag mit Lesen. Zum Glück bot die Bibliothek der Elfe auch Bücher, die ich verstand.

Ich lernte einiges über die Flora und Fauna von Samtwasser.

Erst abends kehrte die Königin vollkommen übermüdet zurück, warf sich neben mir auf das Sofa

und lehnte sich an meinen Arm.

„Ich hasse diese langweiligen Treffen. Aber ich konnte meine Abwesenheit durchsetzen. In zwei Tage können wir aufbrechen. Ich habe eine ganze Woche. Das Ganze gilt als Besuch, um die Beziehungen zwischen den Nachbarländern zu verbessern."

Sie kicherte zufrieden. Dann klaute sie mir das Buch aus der Hand, warf einen kurzen Blick hinein und ließ es einfach fallen.

„Was hast du so den Nachmittag gemacht? Nur gelesen?"

Die Elfe schwang ihr Bein über mich und hockte sich auf meinen Schoß. Mit hastig klopfendem Herzen blickte ich zu ihr auf.

„Ja. Gelesen und gelernt."

Sanft streichelte sie mir durchs Haar.

„Ich muss dir vieles über Samtwasser beibringen."

Sie hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Mit halb geschlossenen Augen lehnte sie sich vor.

„Also. Kommst du heute in meine Bett?", fragte sie leise.


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