Drache und Silber 112

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Ranjas Sicht:

Iris führte mich sicher durch den inneren Palast. Wie von Zauberhand fand sie ihren Weg durch das Labyrinth aus Büschen und Bäumen.

Für mich sahen die Wege und Lichtungen vollkommen identisch aus. Immer stand irgendwo ein großer Baum, kreuzte ein Bach die kleinen Pfade oder stellte sich ein Dickicht aus dichten Büschen in unseren Weg. Ich verstand nicht wie sie sich zurechtfand.

„Die großen Bäume sind Lebensbäume. Sie sind mit den Elfen von Geburt an verbunden. Und es sind ihre Wohnungen.", erklärte mir Iris.

Wieder ein Beispiel für mich, dass es den Elfen an praktischem Verstand fehlte. In Bäumen durften keine Feuer brennen. Wie kochten sie und hielten sich warm an kalten Tagen?

„Wir sind gleich da. Ich zeig dir den Kampfring, den Juna für mich hat bauen lassen."

Überrascht horchte ich auf. Bisher hatte sich Iris stets darüber beschwert, dass die Elfe ihren Drang zu kämpfen nicht unterstützte. Das Thema hatte sie in ihren Briefen überhaupt nicht erwähnt.

Häufig schrieb Iris nur vom Kochen und Essen, weil sie mit ihrem Freund Desmond, dem Halbdrachen neue Rezepte ohne Fleisch entwickelte, die Drachen schmeckten. Für das Buffet auf ihrer Hochzeit.

Wie erwartet, war der Kampfring prachtvoll. Aus hellem Stein, mit Steinefeu verzierten Säulen, glitzerndem weißen Sand auf dem Boden und rot gepolsterten Bänken auf zwei kleinen Tribünen.

Eine Puppe aus buntem Stoff in der Mitte der Arena, hatte vermutlich noch nie einen einzigen Schlag abbekommen.

Iris zeigte mir die Kulisse eines Theaters. Auf keinen Fall trainierte sie hier. Als wir nähertraten, kribbelten meine Finger. Eine unangenehm einschläfernde Kraft breitete sich um mein Haupt.

Mein fragender Blick brachte Iris zum Grinsen.

„Das ist Schutzmagie. Du kannst dich hier nicht verletzten. Das ist Juna so wichtig. Ich hab hier schon ein Eisenschwert mitten auf den Kopf bekommen und hatte nicht Mal eine Beule. Und deshalb..."

Meine Freundin beugte sich vor und flüsterte:

„...zeig ich dir wo ich wirklich trainiere. Juna weiß es nicht. Sie ist zu beschäftigt mit Regierungsgeschäften."

Wieder liefen wir kreuz und quer durch den Wald. Es nervte mich, nie zu Wissen wo ich mich befand. Das machten diese hinterlistigen Elfen absichtlich. Ganz sicher.

Wir schlüpften durch ein Loch in einer riesigen Mauer und traten durch eine einfache Holztür in einem Zaun aus windschiefen Brettern. Der Wald um uns herum, veränderte sich drastisch.

Das Dickicht lichtete sich. Die verträumte, paradiesische Natur machte Moosen und großen Nadelbäumen Platz.

Eine Lichtung öffnete sich vor uns. Ausgetretene Wiese und die abgehackte Rinde der Baumstämme, zeichneten ein zu deutliches Bild davon, was hier ständig passierte.

Holz- und Eisenschwerter lagen auf der Wiese verteilt. Dazwischen vereinzelt, die blauschimmernden Waffen der Elfen.

Doch nicht nur ihre Waffen befanden sich hier. Zwei Elfen übten mit Holzschwertern, ein dritter mit rotem Haar, saß am Boden und kaute auf einem langen Grashalm herum.

„Oh Iris, du kommst doch noch. Mit Gästen?"

Geschwind erhob er sich vom Boden und begrüßte mich mit einem Kopfnicken.

„Das ist mein guter Freund Marion. Der niemals seine Schwerter aufräumt."

Sie beide lachten und begrüßten sich mit einer groben Umarmung.

Ein kleines, fieses Gefühl stach in mein Herz. Eifersucht. Ein mickriger Elf nahm meinen Platz ein. Es tat weh und ich wollte diesen verdammten Marion nach Strich und Faden verprügeln.




Erst am späten Nachmittag verließen wir verschwitzt und ausgehungert den Kampfplatz. Die vernebelten, goldenen Strahlen der Sonne blendete uns. Die Bäume warfen lange Schatten.

Mit einem deutlichen blauen Fleck auf der Wange schritt Iris neben mir her. Ihre Königin wusste ganz bestimmt was sie hinter ihrem Rücken tat, wenn sie so nach Hause kam.

„Spricht sie dich niemals darauf an."

Ich drückte auf den blauen Fleck und Iris zuckte zusammen.

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich lass sie vorher heilen. Ich bin doch nicht dumm. Nur manchmal lass ich sie absichtlich da, damit sie es weiß. Sie mag es gar nicht. Es gibt Probleme, da kann man sich nicht einigen."

Tatsächlich legten wir einen Zwischenstopp bei einem jungen Elfenmädchen ein. Eifrig legte sie ihre filigranen Händchen auf Iris Wange, ein dumpfes Licht leuchtete auf und der Bluterguss verschwand.

Meine Freundin ließ die Prozedur über sich ergehen, ohne zusammenzuzucken. Als ob sie sich an diese Art von Magie bereits gewöhnt hatte.

Die grüne Kleidung des Mädchens verriet ihren Status als Heilerin. Sie rügte uns in Zukunft vorsichtiger zu sein, gab uns eine klebrige, in silbernem Zucker gerollte Süßigkeit und schickte uns fort.

Genüsslich kaute Iris auf dem Bonbon herum. Ich schenkte ihr meines. Elfen Süßwaren. Widerlich.

Vor einem riesigen Baum, mit weißer Rinde und gewaltiger goldener Krone machten wir halt.

„Das ist Junas Lebensbaum. Hier wohnen wir."

„Bisschen übertrieben. Oder?"

Die Blätter glänzten in der Sonne, wie ein wertvoller Schatz. Der Lebensbaum ragte höher als der restliche Wald in den Himmel hinauf und seine dicken Äste streckten sich weit über das herbstliche Blätterdach des inneren Palastes.

Iris lachte nur.

Ich sah die Elfenkönigin bevor Iris sie entdeckte.

Sie trat aus dem Wald heraus. Ganz leise, mit ihren bloßen Füßen.

Ihr Haar leuchtete wie die Blätter ihres Baumes und ihr langes, glitzerndes Kleid, umschmeichelte ihre langen Beine.

Erschöpfung stand auf ihren Zügen.

Ohne Zweifel hatte ich immer gewusst, dass sie schön war. Dass sie den Elfen als Königin alle Ehre machte. Ich verstand nur nicht, warum Iris sich in sie verliebt hatten. Schöne Elfen waren nichts Besonderes. Kein Grund, ein würdiges Drachenherz so unter Wert zu verkaufen.

Die Augen der Elfenkönigin strahlten, als sie Iris entdeckte. Rasch eilte sie an mir vorbei, ohne die geringste Notiz von meiner Anwesenheit zu nehmen und warf sich in die Arme meiner Freundin.

„Du glaubst nicht wie ich dich vermisst hab. Die Sitzungen heute waren endlos."

Iris streichelte ihr sanft über den Rücken. Eine fremdartige Zufriedenheit stand in ihrem Gesicht. Sie sah die Elfen mit einem Blick an, der mich von Anfang an irritiert hatte.

Diese ungezähmten Wollen, dass sie nicht verbergen konnte. Die Liebe, die sie überwältigte. Von der sie nicht davonlaufen konnte.

Schon bei ihrer ersten Begegnung im Thronsaal der Königin hatte ich es gesehen. In beiden Blicken stand es so deutlich. Ich hoffte es war Einbildung, doch dann geschah es immer wieder.

Selbst wenn Iris schimpfte und vollkommen außer sich aus dem kleinen Zirkuswagen gestolpert kam, in dem wir die Elfe eingesperrt hatten.

Ich sagte ihr keinen Ton davon. Denn ich wollte, dass sie sich richtig entschied.

Hier stand Iris nun vor mir. Ihre falsche Entscheidung im Arm

Und ich musste zugeben, dass sie unerhört glücklich wirkte.

Auf keinen Fall würde ich lange hierbleiben. Dieses Schauspiel konnte ich mir nicht angucken.


Ranjas Sicht Ende


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