Silber und Drache 113

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„Prinzessin. Wach auf."

Weiches Haar kitzelte meine Stirn. Meine Liebste hauchte federleichte Küsse auf mein Gesicht.

Ich murrte verschlafen.

Wenn meine Königin in den frühen Morgenstunden leise aus dem Bett schlüpfte, blieb ich meistens still liegen. Weil es ihr schwerer fiel fort zu gehen, wenn ich wach war. Dann kuschelte sie sich nochmal an mich und verlangte Guten Morgen Küsse. Mit der Folge, dass sie zu spät ihrer Pflicht nachging und ihre engsten Minister auf sie warten mussten.

Juna hatte schon ganze Sitzungen ausfallen lassen, nur um bei mir zu bleiben. Ein paar Monate nach meiner Ankunft in Samtwasser hatte mich Desmon, der Halbdrache, zur Seite genommen und mir von den Untaten meiner Liebsten berichten.

Seitdem sorgte ich dafür, dass sie rechtzeitig zur Arbeit ging.

Wenn sie fort war, schlief ich häufig wieder ein. Nur selten solange bis sie zu später Stunde wiederkam.

An ihren freien Tagen, schlief Juna immer länger als ich.

Fest schlang ich die Arme um sie.

„Du bist schon zurück. Ist es schon so spät? Ich wollte doch Desmon mit seinen neuen Rezepten helfen."

„Nein. Nein. Es ist noch Morgen."

Meine Liebste kicherte und drückte einen weiteren lauten Schmatzer auf meine Backe.

„Heute ist die letzte Anprobe. Hast dus vergessen?"

Die tausend unterschiedlichen Termine einer Elfenhochzeit konnte sich niemand merken. Außer meine eigene baldige Ehefrau.

Den größten Teil davon hatten wir schon hinter uns. Die Hochzeit war in einer Woche. Ein grauenhaft aufgeplustertes Spektakel. Pflicht für eine Elfenkönigin. Doch ich hätte Juna am Liebsten noch einmal entführt, um uns ganz allein auf einer Lichtung im Wald trauen zu lassen. Mit Blick auf die Drachenberge, damit sowohl die Erdenmutter als auch der weise Drache an unserer Verbindung teilhaben konnten.

Ohne Zweifel heiratete ich meine Königin gern und aus voller Liebe. Leider bekam ich ihren gesamten Hofstaat mit dazu.

Obwohl wir eine Elfenhochzeit feierten, schlossen wir eine Drachenehe. Ein Templer des Ordens des weisen Drachen traute uns und eine Priesterin der Erdenmutter würde die Ehe segnen.

Wir hatten einen Kompromiss gefunden, mit dem beide Völker ihren Frieden fanden. Den Elfen fiel es schwer ihre Königin für immer an einen Drachen fortzugeben. Deshalb beschränkte sich die Ehe zunächst auf 50 Jahre.

Vielleicht hatten sich die Minister bis dahin an meine Anwesenheit gewöhnt. Ich bezweifelte es stark.

Misstrauische Blicke folgten mir durch den gesamten inneren Palast. Deshalb verließ ich ihn gern. Mit den einfachen Elfen verstand ich mich besser.

Juna kuschelte sich zu mir. Den Arm über meiner nackte Brust, legte sie den Kopf auf meine Schulter.

„Die Anprobe?", zog ich sie auf.

Sie presste mir die Hand auf den Mund.

„Die können warten. Du frecher Drache. Ich bin doch heute so brav aufgestanden."

Ich drehte mich zu ihr.

„Ja, das bist du. Ich hab gar nichts mitbekommen."

Zärtlich kämmte sie ihre Finger durch meine wilden, inzwischen recht langen Locken.

Früher hatte ich mein Haar stets mit dem Schwert abgehackt, wenn es mich störte. Damals war es nicht mehr gewesen, als eine praktische Kopfbedeckung damit ich im kalten Winter des Drachenlandes nicht so fror.

Jetzt liebte Juna mein Haar. Ihr zu Liebe ließ ich es wachsen und band es zusammen mit den Haarbändern, die sie mir schenkte.

Die Drohung es abzuschneiden, wenn es mich zu sehr störte hatte ich bereits mehrfach ausgesprochen. Bisher hatte ich es nicht übers Herz gebracht ihr diese Enttäuschung anzutun.

Es störte auch nur ein bisschen.

Die Augen meiner Liebsten begannen zu leuchten. Inzwischen hatte ich dazu gelernt. Eine dumme Idee spukte ihr im Kopf herum.

„Dann solltest du mich belohnen. Ich arbeite doch so hart. Beinah jeden Morgen muss ich mich aus dem Bett quälen, ohne dass ich dich mitnehmen kann."

„Du willst mich mitnehmen?"

„Ja. Wie eine warme Decke."

Sie deutete an, wie sie mich um ihre Schultern drapierte.

Ich lachte und Juna grinste breit.

Es klopfte an der Türe. Meine Liebste seufzte laut. Fürsorglich zog sie die Decke über meinen Oberkörper, bevor sie dem Besucher erlaubte einzutreten.

Ein kleiner Mann mit schlohweißem Haar blieb im Türrahmen stehen und verbeugte sich mehrfach.

„Meine sehr geehrte Königin. Entschuldigt die Störung dieses niederen, wertlosen Dieners. Schönste aller Schönen, eure Hochzeitsgarderobe ist fertig.", piepste er.

Das Gesicht rot angelaufen, tupfte er sich hektisch den Schweiß von der Stirn. Dazwischen verbeugte er sich immer wieder.

Ronald, der Hochzeitsplaner der Königin, war von weit her angereist, um die beste Hochzeit aller Zeiten auszurichten. Eine Feier von der noch in mehreren hundert Jahren gesprochen werden sollte.

Mir graute von Anfang an vor seinen utopischen Plänen.

Ein Meister in seinem Fach. Halb Elfe, halb Zwerg. Er kam nur selten in das Land der Elfen und lebte sonst bei den Zwergen tief in den Bergen.

Unterwürfig nur den höheren Elfen gegenüber, hatte ich schon ganz andere Seiten des Zwerges erlebt.

Einmal hatte ich ihn mit erhobenen Fäusten fortgejagt, weil er mich gnadenlos herumkommandierte.

Seitdem besaß er ein wenig mehr Respekt mir gegenüber.

Ohnehin trauten sich nicht viele, die Königin in ihren privaten Gemächern zu stören.

Unterwürfig oder nicht. Ronald bestand auf seinen Zeitplan.

„Wir kommen. Ronald. Warte bitte draußen. „

Die Stimme meiner Liebsten klang genervt.

Die Hochzeitsvorbereitungen und ihre Regierungsgeschäfte ließen uns wenig Raum für gemeinsame Momente.

Wir stahlen sie uns überall, bis uns jemand störte.

Lange küssten und streichelten wir uns und flüsterten uns zärtliche Worte zu, bis Ronald wieder klopfte. Mürrisch sprang Juna auf und trottete zu Tür.

„Zieh dich in Ruhe an. Ich beschäftige den alten Nörgler schon."

Nur selten ließ sich meine Königin dazu herab, ihre Höflichkeit gegenüber anderen gänzlich aufzugeben.

Doch die Hochzeitsvorbereitungen zerrten auch an ihren Nerven.

Vielleicht hatte ich sie bald soweit und wir flohen gemeinsam in den Wald.


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