Silber und Drache 1

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Mit großer Sicherheit führte das große, goldene Tor in den Thronsaal der Elfenkönigin, dennoch befand ich mich direkt dahinter nicht mehr in einem Gebäude.

Auf einer kreisrunden Lichtung, umringt von den knorrigen Stämmen und weit ausladenden Kronen alter Eichen und Linden, tummelten sich unzählige Elfen. Sie wandelten mit ihren zierlichen, nackten Füßen über den weichen, grünen Teppich aus Gras und Moos. Um ihre schlanken Leiber flatterten dünne, raschelnde Kleider, reich verziert mit Blumen, Blättern und dünnen Zweigen.

Zwischen den luftig bekleideten, grazilen Gestalten, fühlte ich mich mit meinen festen schwarzen Lederstiefeln, die im Gras deutliche Spuren hinterließen, meiner dunklen Rüstung, den schweren Helm unter dem Arm geklemmt, vollkommen deplatziert.

Beim Betrachten der sanften, leichten Bewegungen der Elfen, ihrer langen Locken, die sich um kindlich zarte Gesichter ringelten, fragte ich mich erneut, wieso die Drachen den Rubinkrieg nicht gewonnen hatten.

Zwar hatte ich mein Schwert am Palasteingang abgeben müssen, doch meine bloße Faust hätte ausgereicht, um diese Gestalten in alle möglichen Richtungen davon zu prügeln.

„Sieh dir diese windigen Schwächlinge an," flüsterte Ranja dicht an meinen Ohr.

Meine Begleiter liefen zu meinen Seiten und musterten unsere Umgebung ebenso aufmerksam wie ich.

Wir arbeiteten als eingespieltes Team, seit mehr als fünfzig Jahren, und erledigten alle möglichen Aufgabe für unseren Drachenkönig Vigour von Winterstein.

Von einfachen Begleitschutz, umfasste die Palette unserer Aufträge außerdem den Diebstahl wertvoller Artefakte, die im Rubinkrieg in die falschen Hände geraten waren, dem Einfangen flüchtiger Verbrecher, dem Beschaffen vom Wissen, welches für die Krone von wert war und dem Überbringen vom Botschaften.

Dabei kam es öfter zu Kämpfen und den dementsprechenden Kausalitäten, jedoch hatte mein König noch nie von uns verlangt ein bestimmtes Ziel auszumerzen. Einen unbewaffnetes Wesen anzugreifen, hasste ich. Es lag keine Ehre in einem ungleichen Kampf.

In diesem Moment erledigte ich eine Aufgabe für meinen König, die ich niemals zuvor hatte erfüllen müssen. Ich bat um Erlaubnis für die Brautwerbung.

„Eine Schande, dass wir gegen solche Püppchen nicht gewinnen konnten," murmelte ich zurück. Dann stoppte ich, als ich weit genug in die Lichtung vorgedrungen war, um den Thron zu entdecken.

Ein mit kunstvollen Schnitzereien dekorierter Stuhl aus dunklem Holz stand auf einer kleinen Anhöhe, doch niemand saß darin. Stattdessen lümmelten zwei niedliche Elfenkinder mit kurzen beinah weißen Löckchen auf den kleinen Köpfen, direkt davor auf dem Boden. Sie knabberten an pinken Zuckeräpfeln, und grinsten mir mit verschmierten Mündern entgegen.

Alle anderen Elfen waren bereits erwachsen. Es zeigte deutlich, dass diese Babys der Elfen wichtigster Besitz waren.

Ich interessierte mich jedoch nicht für die Kinder, oder die giftigen Blicke, die uns die Elfen um uns herum zu warfen. Mich interessierte nur der Verbleib der Königin.

Laut der Palastwache am Eingang hielt sie die Königin im Moment in ihrem Palast auf. Sollte es sich als Lüge herausstellen, gab es keinen weiteren Grund für mich an diesem Ort voller widerlicher Elfen zu verweilen.

„Was tut ihr hier. Drachenbrut!"

Ein Mann mit glatten, schwarzem Haar, das bis hinunter zum Boden reichte, und ebenso wie sein langes gelbes Gewand über die Erde schleifte, musterte uns mit klaren, beinah farblosen Augen. Er stellte sich mir in den Weg, als wolle er sich zwischen mich und die Kinder schieben. Wütend funkelte er mich an, als wäre er persönlich beleidigt, dass man Drachen in das Herz des Palastes eingelassen hatte.

Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt