Silber und Drache 147

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Vor Junas Lebensbaum warteten Besucher. Roland, der Zwerg, der uns vermutlich durch die letzte Anprobe der Hochzeitskostüme jagen wollte. Er beschimpfte seine jungen Gesellen, die sich ängstlich vor ihm duckten. Daneben standen zwei Elfenminister, die die Szene missbilligend beobachteten. Meine Familie saß etwas entfernt im Schatten eines Baumes. Rosalie wippte Momo auf den Knien. Sein fröhliches Lachen übertönte das Geschrei des Zwerges.

Meine Liebste zerrte mich in die Büsche. Ich stolperte überrascht hinterher und landete neben ihr in der Hocke. Das dichte Blättergewirr formte einen grünen Käfig, der die Welt aussperrte und uns vor allen Blicken verbarg.

„Ich glaube sie haben uns noch nicht gesehen.", zischte Juna. Sie legte den Arm um meine Schulter und wir kauerten uns eng zusammen, als planten wir eine Verschwörung.

„Sollen sie das nicht?"

Juna pflückte ein Blatt aus ihren Haaren und wedelte es ungeduldig fort.

„Ich will zumindest vor der Hochzeit etwas Zeit mit dir allein.", murmelte sie. Während sie die Zweige vor sich auseinander schob, um die Störenfriede zu beobachten, fügte sie an:

„Liebeshütten hatten doch ihren Nutzen."

Die Tradition klang trotzdem mühsam. Und eng, heiß, und schwitzig. Vielleicht... hatten Liebeshütten doch ihren Nutzen.

„Deine Familie ist auch hier. Möchtest du sie treffen? Ich möchte mit dir allein sein, aber ich werde dich nicht daran hindern deine Familie zu sehen."

Meine Liebste deutete durch ihr kleines Guckloch. Ich lehnte mich gegen sie. Nichts konnte besser sein, als hier mit ihr im Busch zu sitzen. Ihr weiches Haar, ein Nest aus goldenen Strähnen, Zweigen und Blättern, kitzelte meine Wange. Ihre Seite drückte warm und weich gegen meine. Der würzige Geruch des Waldes stieg in meine Nase. Über uns zwitscherten die Vögel.

„Ist schon gut. Ich muss meine Familie jetzt nicht sehen. Lass uns einfach hierbleiben."

Juna kicherte.

„Hier? Im Busch?"

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht nickte ich.

„Hier ist es doch gar nicht so schlecht. Schau. Wir haben hier jede Menge Moos und Blätter und..." Ich hob einen Ast vom Boden auf und wedelte ihn vor ihrer Nase herum.

„Und Zweige. Da drüben wächst sogar ein Pilz."

Meine Liebste zog eine Augenbraue hoch. Sie teilte meine Begeisterung eindeutig nicht.

„Ich liebe Moos, Blätter, Zweige und Pilze wie keine andere, aber wir sind hier leider nicht so ungestört, wie im Lichterwald. Deshalb nehmen wir die Hintertür in unsere Gemächer. Komm!"

Sie streckte mir die Hand hin und ich nahm sie, ohne zu zögern. Dann rannten wir durch das Dickicht, fort von Junas Lebensbaum. Meine Liebste hüpfte leichtfüßig, wie ein Reh. Ihre nackten Füße flogen über den Boden und ihr zarter Rock flatterte im Wind. Hinter ihr zerstampfte ich Gräser und zarte Blüten mit meinen Stiefeln. Deshalb lebten Drache im Gebirge, wo nur die robustesten Pflanzen durch den Stein brachen. Selbst wenn wilde Drachenkinder auf ihnen herumsprangen, richtete sich diese Pflanzen wieder auf und reckten sich dem spärlichem Sonnenlicht entgegen. Die hauchzarten Blättergebilde hier im Elfenreich starben, wenn ein Drache sie nur schief anguckte. Ich hinterließ eine Spur der Verwüstung, der man leicht folgen konnte, aber unsere Flucht blieb unentdeckt.

Auf einer verwilderten Lichtung, mit hohem Gras und Blumen, deren schwere Köpfe zur Erde hingen, hielten wir an. Durch das dichte Blätterdach brachen Sonnenstrahlen, die im schummrigen Licht flimmerten.

Juna riss mich zu sich her. Ich stolperte in ihren Kuss hinein. Sie schnaufte, kostete meine Lippen, löste sich und lächelte.

„So meine süße Prinzessin. Wir schleichen uns durch die Hintertür. Ich will dich heute noch an ganz anderen Stellen küssen."

Vor uns knistere die Luft. Unter den Bäumen, dort wo das dichte Blattwerk die Sonne abschirmte, begannen die Schatten zu flüstern. Sie krochen träge hervor, dunkle Fetzen schwebten aus den Büschen und fädelten sich durch die Baumstämme.

Der Anblick weckte böse Erinnerungen. Ich trat näher an meine Liebste heran und legte ihr die Hand auf die Schultern. Mein Körper verkrampfte als einer der Schatten an mir vorbei strich.

„Keine Sorge. Diesmal weiß ich, was ich tue. Nichts verwirrt meine Gedanken. Ich stell nur ein Schattenportal auf.", murmelte Juna. Sie streckte die Hand nach vorn und die Schatten sammelten sich auf einem Fleck. Die schwarze Masse verwirbelte ineinander. Der Wirbel drehte sich schneller, wie ein Strudel im Meer und wirbelte größer.

Als meine Liebste die Hand sinken ließ, erstarrte das dunkle Chaos zu einer glatten Fläche. Ein einfaches Schattenportal, gerade groß genug für uns beide. Ich hatte ihr so oft bei diesem Zauber zugesehen, aber heute ließ er mein Herz schmerzen. Meine Liebste mit der Dunkelheit spielen zu sehen, fühlte sich gefährlich an. Besorgniserregend. Als trat sie mit jedem unvorsichtigen Zauber näher an den Abgrund heran, in den sie irgendwann hineinstürzen würde.

Zu meiner Erleichterung strahlten ihre Augen himmelblau, als sie sich zu mir wandte.

Juna lächelte und hielt den Finger vor den Mund.

„Wir müssen ganz leise sein, wenn wir hindurchgehen. Damit sie uns nicht hören. Kannst du die Stiefel ausziehen, mein trampelnder Drache?"

Ich blickte schuldbewusst auf meine schweres Schuhwerk. Dicke Sohlen, langer schwarzer Schaft und Eisenschnallen. Meine Liebste hatte Recht. Man hörte mich für gewöhnlich bevor man mich sah. Ganz im Gegensatz zu ihr, die sich einen Spaß daraus machte aus dem Nichts hinter mir aufzutauchen.

Mit einem lauten Seufzen schlüpfte ich aus den Stiefeln und hob sie vom Boden auf. Obwohl ich mich nicht gern von meinen Schuhen trennte, hätte ich mir für ein ruhiges Zusammensein mit meiner Liebsten, jetzt und hier, noch viel mehr ausgezogen.

Die Feuchtigkeit des Mooses drang durch meine Wollsocken, deshalb zog ich auch diese von meinen Füßen und stopfte sie in meine Schuhe. Mit den nackten Fußsohlen auf dem Waldboden, spürte ich dem nach, was meine Liebste aus der Erde aufnahm. Die Impulse der Natur und der Erdenmutter. Mir offenbarte sich nur nasse Kälte.

Juna blickte entzückt auf meine nackten Zehen und ich wackelte mit ihnen herum, damit sie sich daran erfreuen konnte. Sie kicherte und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Lass uns gehen. Wie Mäuschen, so leise."

Sie schloss ihre Finger fest um meine Hand, als hätte sie Angst mich in den Schatten zu verlieren, dann traten wir in die Dunkelheit. Die trübe Helligkeit auf der Lichtung verschwand in der Nacht. Mit dem nächsten Schritt kamen wir in unsere Gemächer. Der Raum lag ruhig und dunkel, von draußen drang dumpfes Stimmengewirr zu uns herein. Das Schattenportal wehte geräuschlos ins Nichts.

Juna presste den Finger auf den Mund. Dahinter versteckte sich ein breites Grinsen. Aufregung glänzte in ihrem Gesicht, wie bei einem kleinen Elfenkind das Verstecken spielte. Ich legte vorsichtig meine Stiefel ab und wir tappten auf Zehenspitzen zum Bett hin.

Meine Liebste löste die Bänder an der Seite ihre Kleides und ich pflückte die Blumen und Blätter aus ihren verwirrten Haaren. Ihre Schultern zuckten, während sie ein Lachen unterdrückte. Das Kleid rutschte mit leisem Rascheln von ihrem Körper. Nur bekleidet mit einem bestickten Lendenschurz, wandte sie sich zu mir und löste die Schnur an meiner Hose. Ihre Haut lockte mit ihrem Strahlen meine Finger an. Ich liebkoste die Mulde über ihrem Schlüsselbein.

Juna schüttelte den Kopf und drückte wieder die Hand auf ihren Mund. Meine Berührung machte wohl ihren Plan still zu sein zunichte. Um mich von ihrer Haut abzulenken, entwirrte ich ihr Haar mit zarten Fingern.

Währenddessen löste Juna Alviras Hülle und ließ das Schwert vorsichtig zu Boden gleiten. Das Schwert stieß einen stummen Protestschrei aus, der mein Bein hinauf hallte. Aber meine Liebste schob die Hose über meinen Po nach unten und jeder Gedanke an das Schwert verpuffte. Junas Finger streichelten über meine Hüfte und ich trat von ihr weg, um mich allein auszuziehen. Ihre Zuwendungen würden sicherlich eine Geräuschlawine lostreten.

Ein Knäuel Kleidung blieb auf dem Boden zurück, als wir uns in das frisch gemachte Bett wühlten und die Decke über unsere Köpfe zogen.

Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt