Drache und Silber 78

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Pünktlich zur Mittagsstunde brachen wir auf zu meinen Eltern. Die Königin nahm mich an der Hand. Fest quetschte sie meine Finger zusammen. Nur auf diese Art zeigte sie ihre Nervosität. Auf ihrem Gesicht klebte ein Lächeln. Es wirkte ein wenig gezwungen.

Das Wollkleid hatte sie mit einem einfachem, silbernem Gürtel kombiniert. Ihr Haar trug sie zu einem Zopf geflochten. Eine blaue Schleife hielt es zusammen und zwei kleine Blumenspangen verschönerten die Frisur.

Sie sah aus wie eine Königin, die sich als Bauernmädchen verkleidet hatte. Perfekt für den Besuch bei meinen Eltern.

Ich selbst ging in Lederhosen und Leinenhemd. Jeglichen Versuch der Elfe, mir schmückende Elemente an Haar oder Körper zu stecken, wehrte ich ab. Es genügte, dass mein Gesicht nun eine niedliche, stockgerade Nase zierte.

Beruhigend streichelte ich der Königin mit dem Daumen über den Handrücken, als wir über den Gang schritten.

„Wir sind da. Mach dir keine Sorgen. Egal wie es läuft, ich stehe auf deiner Seite. Und Rosalie unterstützt uns auch.", flüsterte ich, als wir vor der Eingangstür meiner Eltern stehen blieben.

Hastig nickte sie und presste die Lippen zusammen.

Ihr war es so wichtig, einen guten Eindruck bei meinen Eltern zu hinterlassen. Ihr Anblick wärmte mein Herz. Ich würde mein bestes Geben, ihr eine schöne Erinnerung an dieses Mittagessen zu verschaffen.

Mit dem Gedanken, kam ebenfalls Anspannung über mich.

Rasch klopfte ich, um nicht weiter darüber nachzudenken.

Leise Schritte näherten sich der Tür und Rosalie öffnete uns. Freundlich lächelte sie uns an. Sie umarmte mich und klopfte der Königin freundschaftlich an den Oberarm.

„Schön, dass ihr gekommen seid. Mama musste noch schnell in die Hofküche, deshalb könnt ihr erst mal Papa und Momo treffen. Ihr habt Glück."

Ein kleines Gewicht schien von den Schultern meiner Geliebten zu rutschen. Ihr Lächeln wurde ehrlicher und der Griff um meine Hand lockerte sich.

Über einen kleinen Flur, gelangten wir in die Küche. Ein gemütlicher Raum, mit Holzboden und rustikalen Eichenmöbeln. Meine Mutter hatte darauf bestanden, die Wände weiß zu streichen, für mehr Helligkeit. In den Räumen meiner Eltern, fühlte man sich nicht wie in einem Berg.

Mit großen Augen blickte sich die Königin um. Sie schien gefallen zu finden an den hellen Vorhängen, Polstern mit Karomuster und dem Kleinkram, den meine Mutter auf jedem freien Platz verteilte.

Am Esstisch saß mein Papa, der bereits vom Dessert, einer Schokoladencreme, naschte. Freudig erhob er sich bei meinem Anblick und erstarrte, als die Königin hinter mir aus dem Gang trat.

„Ich habe einen Gast mitgebracht. Papa. Das ist Juna. Wir lieben einander."

Ich hatte am Vortag lange darüber nachgedacht, wie ich die Elfe meinen Eltern am geschicktesten vorstellen konnte. Mein Entschluss bestand darin, sie nicht als Königin, sondern als meine Geliebte und damit als neues Familienmitglied mitzubringen. Vermutlich würden alle ohnehin schon wissen, wer vor ihnen stand.

Bei meinem Papa funktionierte der direkte Weg am Besten. Also verriet ich ihm gleich, welchen Stand die Elfe in meinem Leben einnahm.

Momo, ein sehr schüchternes Kind, lugte hinter einer dicken Kommode hervor mit seinen großen brauen Augen. Normalerweise liebte er es in meine Arme zu springen. Heute rannte er zu seiner Mutter und vergrub sein Gesicht in ihrer Schürze.

Beruhigend streichelte ihm Rosalie über den dunkelbraunen Schopf.

„Ah...Ahm."

Mein Papa warf einen hilfesuchenden Blick zu meiner Schwester, die ihn aufmunternd anlächelte.

„Setzt euch doch erst mal. Ich bringe etwas zu trinken."

Rosalie brach das Eis, nahm Momo auf den Arm und trat hinter die Küchenzeile. Der Junge lugte neugierig über ihre Schulter.

Die Königin lächelte meinen Vater scheu an. Dieser beugte seinen Oberkörper ein wenig nach vorne, als wäre er unsicher, ob er sich verbeugen musste. Mein Papa wusste wer vor ihm stand.

„Papa. Ist schon gut. Wir sind ganz privat hier."

„So so. Dann herzlich Willkommen.", murmelte er in seinen Bart.

Mit einer einladenden Geste, setzte er sich wieder.

Ich führte die Königin zu dem Stuhl ihm gegenüber und wählte meinen Platz zwischen den Beiden.

Mein Papa trat mich fest unter dem Tisch, doch ich grinste ihn weiterhin an und verkniff mir jeden Laut. Wahrscheinlich war er nicht unbedingt verärgert über meine Geliebte. Er mochte keine Überraschungen.

„Es freut mich sehr euch kennenzulernen.", sagte die Königin höflich.

„Red nur freundschaftlich mit mir. Iris, hat noch nie jemanden nach Hause mitgebracht. Also werdet ihr heiraten? Ich gebe meinen Segen nur, wenn ich mir sicher bin, dass du mein kleines Wuselchen auch gut behandelst."

„Papa!", rief ich entsetzt.

Wie immer fackelte er nicht lange herum und sprach genau das aus, was er dachte. Als Rosalie, Javier, den Vater von Momo mitgebracht hatte, war auch sofort von Heirat gesprochen worden. Da eine Drachenehe nur 50 Jahre gültig war, wurden solche Verbindungen als zweckmäßig angesehen. So ließ sich eine Beziehung einfach antesten.

Wie ich bereits erfahren hatte, hielt eine Elfenehe für immer. Ein großer Schritt, der intensiver Überlegung bedurfte. So weit waren wir noch nicht.

Die Wangen der Königin färbten sich rot. Den Kopf gesenkt, malte sie mit dem Finger Kringel auf den Tisch.

„Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Aber ich werde Iris so gut behandeln wie ich kann. Und ich möchte sie auch heiraten."

Mein Papa umschloss ihre zarten Hände, mit seinen riesigen Pranken.

„Ich hab ein gutes Gefühl bei dir. Ich glaube meine Tochter ist in deinen Händen gut aufgehoben. Sie ist roh wie ich. Ich habe schon befürchtet, niemand würde je erkenne, was für ein großartiges Mädchen sie ist. Lasst mich wissen, was ihr für die Hochzeit braucht. Ich kümmere mich um alles."

Irgendetwas lief hier gänzlich aus dem Ruder. Zwar war ich davon ausgegangen, dass mein Papa, sich nicht gegen meine Wahl stellen würde, doch über eine Ehe zu sprechen, verpasste mir das Gruseln.

„Papa. Elfenehen sind für immer!"

Erstaunt riss mein Vater die Augen auf. Die Königin lächelte verlegen. Diesmal stieß sie mich unter dem Tisch. Ich würde mit lauter blauen Flecken aus diesem Gespräch hervorgehen.

Scheinbar hatte ihr mein abwehrendes Verhalten einer Ehe gegenüber nicht gefallen.

„Nun. Du bist ein Drache. Ich weiß nicht wie es bei den Elfen aussieht. Aber gibt es ein Verbot dafür eine Drachenehe einzugehen?"

Das Gesicht der Königin begann zu Strahlen. Ein Knoten schnürte mir die Kehle zu. Das ging alles zu schnell. Ich brauchte Zeit, um nachzudenken.

Und das Gespräch mit meiner Mutter lag noch vor uns.


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