Drache und Silber 56

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Auf dem Weg zum Lebensbaum der Königin, verriet sie mir kein Wort über unser erstes Treffen. Stattdessen wünschte sie sich Blumen von mir.

Von jeder schönen Blüte, an der wir vorbei schlenderten, schenkte ich ihr ein Exemplar. Bis ihre Arme für den riesigen, bunten Strauß nicht mehr ausreichten und ihre Augen vor Glück funkelten.

Sie konnte mich nicht küssen, ohne die Blumen zu zerdrücken, also hauchte die Elfe mir einen Kuss zu. Lachend lief ich vor ihm davon.

Mein Kopf schwirrte vor Freude. Dieses kitschige Verhalten Verliebter, hatte ich bisher nur mit einem mitleidigen Schmunzeln beobachtet. Damals wusste ich nicht, wie wundervoll es sich anfühlte.

Am Lebensbaum angekommen, endete unser Spaziergang nicht in meinen Räumen. Die Elfe brachte mich in ihre Gemächer.

Als wir durch das Portal, gekennzeichnet durch einen Schmetterling, in einen kleinen Flur traten, rannte die Königin voraus ins nächste Zimmer.

„Iris. Ich stelle die Blumen ins Wasser. Zieh die Schuhe und Socken aus. Der Holzboden ist warm, man kann gut barfuß darauf laufen."

Folgsam entledigte ich mich meiner Stiefel, stellte sie ordentlich an die Wand und stopfte meine Socken hinein. Ich lief nicht oft barfuß. Nervös wackelte ich mit den Zehen. Meine Füße sahen zumindest sauber aus.

Langsam tapste ich der Königin hinterher, durch das Portal direkt vor mir, das noch offen stand.

Die weißen mit Gold durchzogenen Wänden, fanden sich auch hier. Ansonsten bestachen die Zimmer durch Leichtigkeit. Schimmernde Vorhänge wehten in einer Brise, die durch die offene Terrassentür hereinwehte.

Alle Möbel wuchsen in filigranen Mustern aus der Wand. Sie formten Blüten, Schnörkel und Schmetterlinge. Die Wände schmückten zierlich gerahmte Zeichnungen, von Bäumen, Blumen und Elfen. Überrascht bemerkte ich mein eigenes Abbild. Grimmig starrte ich von der Leinwand herunter.

Neugierig betrachtete ich das Bild genauer. Der Künstler besaß eine klare Begabung. Er hatte sogar meine Drachenaugen lebensecht dargestellt.

Mit einer großen Glasvase, in der mein geschenkter Strauß gefährlich hin und her schwankte, kam die Königin aus einem Portal heraus, das plötzlich aufschwang. Immer noch waren mir Türen lieber. Die übersah man seltener.

Hastig eilte ich zu der Elfe, um ihr die Vase abzunehmen und sie auf einem großen Tisch in der Mitte des Raumes zu platzieren.

Die Königin übertraf mich mit ihrer magischen Macht, doch an Muskelkraft war ich ihr überlegen. Deshalb wollte ich alle Aufgaben übernehmen, wo es schwer zu Tragen und zu Heben galt.

Ich war nicht umsonst so stark.

„Mein starker Drache.", gurrte die Elfe und drückte mir ein Bussi auf die Backe. Wahrscheinlich machte sie sich über mich lustig . Empört wandte ich mich ihr zu und knurrte. Sie kicherte, stahl sich eine Blume aus der Vase und steckte sie mir hinters Ohr.

„Du hast ein Bad notwendig. Mein dreckiger Drache. Ich hab eine wundervolle Wanne hier. Wir sollten sie ausnutzen."

Tatsächlich klebte mir Erde überall. Beim Stockkampf mit Ranja und Milanda, war ich ständig im Matsch gelandet.

Doch bei einem Bad mit der Königin, musste ich Grenzen überwinden, die noch nicht zu fallen brauchten.

Außerdem schuldete sie mir vorher ein Gespräch und ein Essen.

„Du wolltest mir von unserem ersten Treffen erzählen."

Ich zupfte die Blume aus meinen Haar und drehte sie zwischen den Fingern. Eisenhelme passten viel besser auf meinen Kopf.

„Das kann ich auch in der Badewanne tun.", sagte die Königin.

Entsetzt zerquetschte ich die Blüte, als sie sich ihr Kleid über den Kopf zog und mich damit abwarf.

Geschickt begann sie ihre Zöpfe zu lösen. Eine lange, blonde Strähne nach der Anderen, fiel über ihren nackten Oberkörper.

Der Atem stocke in meiner Kehle. Meine Wangen brannten. Ich drehte mich weg von ihr und schluckte schwer.

Das Bild ihrer cremig weißen Haut und der sanften Rundung ihrer Brüste, schwebte vor mir.

Mit unfairen Mitteln brachte sie mich zu Fall. In diesem Zustand konnte ich nicht mit ihr reden.

„Sieh mich doch an. Iris. Gefall ich dir nicht?"

Die Königin spielte mit mir.

„Du bist unfair.", murmelte ich.

Ein Lachen erklang. Fest schlang sie ihre Arme um meine Taille und presste sich an meinen Rücken.

„Willst du denn niemals mit mir baden? Wenn du mich jetzt nicht einmal ansehen kannst. Ich will mit dir baden."

Sie pustete in mein Haar und ich erschauderte.

Die Vorstellung mit ihr ein Bad zu nehmen, gefiel mir grundsätzlich. Bloß jetzt nicht. Vielleicht in ein paar Tagen. Wochen. Oder Monaten.

„Erzähl mir erst was damals passiert ist."

Meine Stimme klang kalt und distanziert. Doch wenn ich nicht sofort verlieren wollte, konnte ich nicht anders handeln.

„Ich hab dich im Rubinkrieg gesehen. Die letzte Schlacht dieses dummen Krieges war beinah beendet und ich wollte nur weg. Zurück nach Hause. Damals wohnte ich noch in Grüngrund. Dort war ich keine Königin. Dann sah ich dich. Schmutzig und verwirrt, den Helm unter dem Arm. Du bist direkt auf mich zu gestolpert. Ins Elfengebiet. Eigentlich hätte ich dich angreifen sollen. Stattdessen hab ich mich verliebt."

Frech drückte sie mir beide Hände über den Mund. Überrascht schlug mein Herz schneller.

Warum...? Mein gesamter Körper erzitterte, als sie meinen Nacken küsste.

Ihre Lippen brannten wie heißes Karamell. Zu schmerzhaft, doch süß.

Mein Aufstöhnen wurde gedämpft durch ihre Handflächen.

Heiße Lava fuhr mir in die Glieder. Kraftlos brach ich in die Knie und sie fing mich auf.

„Ich zögerte zu lang und eine andere Elfe griff dich an."

Mit mir zusammen ließ sich die Königin auf den Boden sinken.

Alle klare Gedanken bildeten ein verworrenes Durcheinander in meinem Kopf.

Unfair, unglaublich unfair. Auf diese Art nahm sie mir die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen.

„Ich hätte auf der Seite dieser Elfe sein müssen. Sie gehörte zu meiner Rasse, sogar zu meiner Familie. Doch sie wollte dich töten. Das letzte Opfer des Krieges, genau der Drache, in dem ich meine einzige Liebe erkannte. Ich attackierte sie. Ein Überraschungsangriff. Sie konnte sich nicht wehren. Wolltest du das hören? Dass ich meine Tante für dich ermordet habe. Was denkst du jetzt? Stolz, Hass, Liebe, Abscheu. Vielleicht Dankbarkeit. Was denkst du?"

Mein Atem kam stockend. Unmöglich ihr zu Antworten. Sie küsste meine Nacken noch einmal.

„Aaah.", gurgelte ich laut.

Das Zimmer verschwamm vor meinen Augen.

„Ich bin im Badezimmer.", flüsterte die Königin. Dann ließ sie mich alleine.


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