Drache und Silber 76

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Ich stolperte ins nichts. Vigours wütender Gesichtsausdruck, wandelte sich in Entsetzen. Seine ausgestreckte Hand, erreichte mich nicht mehr.

Für einen Moment schwebte ich, über mir der strahlend blaue Himmel.

So ging es also zu Ende. Vielleicht würde ich überleben, wie das Drachenkind von damals.

Wenigstens flog ich in die Tiefe.

Das Gesicht der Königin erschien vor mir. Mit meinen letzten Worten, hatte ich sie beleidigt.

„Ich liebe dich.", flüsterte ich zum Abschied.

Erfüllt von Reue, traten Tränen in meine Augen.

Sie nicht wiederzusehen, war die grausamste Vorstellung.

Ein Ruck fuhr durch meinem Körper. Vor Schreck stockte mir der Atem.

Die Welt verschwamm vor meinen Augen und ich verlor die Orientierung. Sauste ich noch nach unten, auf den nackten Steinboden zu?

Nein. Ich fiel nicht mehr. Etwas zog mich nach oben. In atemberaubender Geschwindigkeit.

In meinen Ohren sauste der Wind. Unsichtbare Stricken, hielten mich fest.

Eine schlanke Gestalt starrte mich vom Balkon aus an. Ihre Hände ausgestreckt. Das goldene Haar flatterte im Wind. Meine Geliebte kam mich zu retten. Sie würde mir unglaubliche Vorhaltungen machen.

Ich landete in ihren wartenden Armen. Ihr rasender Herzschlag, ließ ihre gesamte Brust beben.

Verzweifelt zerrte sie mich fort von der gefährlichen Kante, bis an die Steinwand neben der Tür.

„Was versuchst du zu machen? Liebesduell, oder was auch immer. Nachdem was jetzt passiert ist, kannst du froh sein, wenn ich dich auch nur eine Sekunde aus den Augen lassen. Ich sperr dich ein, wenn ich muss. Du leichtsinniger Drache."

Sie drückte mir den Ärmel ins Gesicht. Mit rotem Blut durchtränkt, zog sie ihn zurück.

Vigour hatte mir vermutlich die Nase gebrochen.

Tränen schossen ihr aus den Augen, doch als ich die Hand hob, um sie wegzuwischen, wandte sie sich ab.

Die Trümmer des zerstörten Geländers in der Hand, schaute uns mein Herr mit weit aufgerissen Augen an. Seine Hände zitterten. Aufgelöst stolperte er einen Schritt auf uns zu.

„Ihr! Wagt es nicht.", fauchte die Königin.

Gelbes Licht schoss aus ihrer Hand. Es umwebte seinen Körper, wie ein Netz.

Schon schwebte Vigour zappelnd in der Luft. Langsam schwang ihn die Königin über den Abgrund. Sein Gesicht verlor alle Farbe.

„Setz ihn ab. Juna. Auf dem Balkon. Er hat mich nicht absichtlich runter gestoßen."

Die Elfe warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Nackte Wut ließ ihre Lippen beben.

„Er hat dich geschlagen und beinah umgebracht. Er hat es verdient, dass ich ihn runter werfe."

Mühsam rappelte ich mich auf die Beine. Fast knickten sie unter mir zusammen, doch ich biss die Zähne zusammen und schleppte mich zu meiner Geliebten.

Fest schlang ich die Arme um ihre Mitte und lehnte den Kopf an ihre Schulter.

„Lass ihn runter. Er hat es nicht verdient. Wir Drachen schlagen uns, wenn wir wütend sind. Es war einfach nur eine ungünstige Stelle für seinen Wutausbruch."

Die Königin zitterte vor Wut. Vorsichtig schnürte ich meinen Griff enger. Wenn möglich, wollte ich sie mit keiner hektischen Bewegung erschrecken, solange sie Vigour in die Luft hielt.

„Bitte. Juna. Mir geht es gut. Meine Nase kannst du heilen, wenn du möchtest. Trotz aller Widerstände, liegt mir mein dummer, kindischer Herr am Herzen. Tu's mir zu Liebe."

Ein schwaches Seufzen entkam ihr.

Unachtsam fegte sie Vigour zur Seite. Er schlitterte über den Balkon und rammte mit lautem Ächzen gegen die Wand.

„Ich hab ja gesagt, ich mach alles was du willst. Ich hab sogar die Küche aufgeräumt."

Mit lautem Schniefen drehte sie sich in meiner Umarmung. Immer noch rollten ihr Tränen über die Wangen. Meine gebrochene Nase merkte ich kaum. Doch das Messer, das mir bei ihrem Anblick ins Herz schnitt, ließ mich beinah vor Schmerzen stöhnen. Zum Glück war ich nicht gestorben. Dieses Leid wollte ich ihr niemals zufügen.

Ich küsste ihre Tränen fort und streichelte ihr Haar.

„Es tut mir Leid. Ich will wirklich vorsichtig sein. Aber ich wollte so gerne, dass du mich verstehst. Ich bin nun Mal ein Drache. Wir schlagen uns, verletzen uns, aber es ist nur eine Eigenart. Wie du deutlich gesehen hast, will weder ich, noch Vigour, dass jemand stirbt. Selbst im Falle eines Duells, würde ich vorsichtig sein. Ich verspreche es."

Ein Schluchzen schüttelte sie. Langsam sank ich mit ihr zu Boden und barg sie an meiner Brust. Die Lippen presste ich auf ihren Schopf.

Wie konnte ich sie nur trösten?

„Mir geht es gut. Hör doch auf zu Weinen."

Die Königin krallte ihre Finger in mein Hemd.

„Ich...ich hatte solche Angst. Ich dachte mir bleibt das Herz stehen. Wenn ich nicht da gewesen wäre. Bei der Erdmutter. Wenn ich dich nicht gesucht hätte."

Wütend begann sie gegen meine Brust zu trommeln.

„Warum versuchst du immer mir wegzusterben?"

Ruhig ließ ich mich schlagen. Wenn es ihr nur besser ging. Sie tat mir ohnehin nicht weh. Ihre Tränen taten es.

„Iris stirbt nicht so leicht. Vermutlich hätte sie den Fall überlebt. Ihr Schädel ist dick, wie die Wände des Wintersteins."

Vigour stand neben uns. Ein dünnes, rotes Rinnsal, lief ihm von der Schläfe über die Wange. Als er in die Hocke ging, schlackerten seine Knie. Der Angriff der Königin war nicht spurlos an ihm vorüber gegangen.

„Am besten hätte ich dich gleich mit runter genommen. Dann wüssten wir, wer mehr Kratzer davon trägt."

Angriffslustig schob ich das Kinn vor. Nicht nur Vigour wollte ein Duell. Ich sehnte mich auch danach. Um ihm die Liebe zu meiner Elfe endgültig auszutreiben.

„Untersteh dich.", zischte meine Geliebte.

Sie drückte mir die Hand auf die Augen. Das blassrosa Leuchten ihrer Finger, erfüllte meine Sicht.

„Und ihr verschwindet. Ich will euch nicht mehr sehen.", schimpfte die Elfe.

„Das sind ganz neue Töne, werte Königin. Aber ich verstehe eure Wut. Ich lasse euch allein und hoffe euch morgen in besserer Stimmung zum Abendessen zu begrüßen. Dich auch Iris. Wir sollten dringend miteinander sprechen. Vielleicht kannst du schon vorher allein zu mir stoßen."

Eine schwere Hand legte sich auf meinen Kopf und verschwand sofort wieder. Als sich Vigours Schritte von uns entfernten, befreite ich mein Sichtfeld.

Mit vor Zorn funkelnden Augen, blickte ihm die Königin hinterher. Wie hatte ich nur jemals annehmen können, dass sie sich für ihn entscheiden würde.

Ich lehnte mich vor und küsste ihre Wange.

„Das ist diesmal wirklich gut gelaufen. Uns geht es allen gut und ich kann morgen unbefangen mit Vigour sprechen."

Wie vom Blitz getroffen schoss die Königin auf die Beine.

„Sag das nochmal und ich versohle dir den Hintern.", sagte sie unterkühlt.

Dann schritt sie davon. Ihr langes Wollnachthemd flatterte im Wind.


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