Silber und Drache 143

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Eine Wolke aus Wut und Verzweiflung hüllte mich ein. Meine Erinnerungen verwischten zu einem Einheitsbrei mit Grauschleier. Was blieb, waren die Gefühle, die die Szenen in mir zurückließen. Und Aydins widerliches Gesicht, das mich mit bösartigem Blick anstarrte. Um es herum waberte grelle Magie.

Ich hatte die Kontrolle über meine eigenen Gedanken verloren. Die Mitglieder des Rates streckten die gierigen Finger aus und rupften und zerrten an Allem, was ihnen nicht gehörte. Ich versuchte sie mit Gewalt aus meinem Kopf zu werfen, doch stattdessen drängten sie mich in eine Ecke zurück. Ein mentaler Käfig wurde über mich gestülpt und ich war gefangen.

Wieder sprach die freundliche Frauenstimme zu mir.

„Es ist gut. Iris. Es wird bald vorbei sein. Habt keine Angst, wir werden nichts kaputt machen."

Das fühlte sich deutlich anders an.

„Verschwindet!", zischte ich. Meine Befehl verhallte ungehört.

Ich blieb eingesperrt, während die alten Elfen durch meine Erinnerungen wühlten. Sie stöberte in Kisten und Schubladen, in denen sie nichts zu suchen hatten. Immer weiter drangen sie vor, bewunderten mich, während ich im Rubinkrieg meine Waffe schwang und kicherten, als Juna mich im Zirkuswagen anflimmerte. Bis sie mich in den tiefsten Winkel meines Gedächtnisses als Baby fanden und die Frechheit besaßen, es kurz im Arm zu wiegen.

Dann waren sie so schnell aus meinem Kopf verschwunden, wie sie hereingekommen waren. Nur die Frau blieb zurück. Sie tätschelte meine Wange. Ein seltsames Gefühl, das keinen körperlichen Nachhall fand.

„Ihr werdet vermutlich eine hohe Position in einem Elfenreich bekleiden. Iris von Winterstein. Wir mussten euren Charakter gründlich betrachten. Diese Prüfung hätte euch ohnehin bevorgestanden, bevor wir euch die höchsten Ehren einer Krönung gestatten können. Da wir sowieso in euren Kopf eindringen mussten, haben wir angesehen, was für uns wichtig ist. Wir werden besprechen, was wir gefunden habe und unser Urteil über den Angriff auf euch, und eure Eignung für ein hohes Amt, entsprechend weiterreichen."

Ich musste nicht nachfragen, um zu wissen, dass ich mich nicht als Herrscherin eignete. Wenn sie mich einfach gefragt hätten, hätte ich ihnen meine Antwort gegeben, ohne sie zu beschönigen und mir diese Tortur erspart.

Mit einem Seufzer gestand ich meine Niederlage ein. Ich versuchte immer zu kämpfen, aber manchmal war es klüger einfach nur zu akzeptieren. Den weisen Rat wollte ich nicht als Gegner.

„Gut. Ihr habt mich geprüft. Jetzt verschwindet aus meinem Kopf und kehrt nie wieder... Bitte."

Die Frau lachte. Ich teilte ihr Vergnügen nicht. Nichts an dem Chaos in meinem Kopf war lustig.

„Keine Sorge. Wir werden eure Gedanken nicht mehr stören. Ich wünsche euch eine schöne Hochzeit und eine erfolgreiche Ehe. Als Entschuldigung werde ich zum Abschied wundervolle Neuigkeiten mit euch teilen. Der weise Rat ist sich sicher, dass euch ein glückliches Eheleben bevorsteht. Ganz egal ob wir euch die Eignung als Herrscherin zusprechen. Ihr werdet sehr geliebt. Also kann ich euch zu eurer Wahl nur beglückwünschen."

Die gut gemeinten Worten verrieten, was ich befürchtet hatte. Sie hatten sich Geheimnisse angesehen, die nur Juna und mir gehörten. Doch mir blieb nicht mehr die Zeit mich zu beschweren.

Ich erwachte wie aus einem Traum. Juna hielt mich im Arm und blickte auf mich herunter. In ihren Augen standen Sorgen und klitzekleine, schwarze Flecken. Sie lösten sich auf, wie Schaum auf dem blauen Meer, als ich meine Liebste anlächelte.

„Prinzessin. Geht es dir gut?"

Eine leise Panik schwang in der Stimme meiner Liebsten mit. Ich hatte sie wieder in Tiefen gestürzt, vor denen ich sie eigentlich beschützen wollte.

Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt