Silber und Drache 127

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Tatsächlich wartete am Rand des Lichterwaldes eine Gruppe Elfen auf uns.

Drei hochnäsige Minister, mit wallendem Haar, das im Wind flatterte und zehn Elfenwachen in bläulich schimmernden Rüstungen.

Der Haufen wirkte eher so, als wollten sie uns gefangen und nicht in Empfang nehmen. Anders ließ sich für mich die Menge der Wachen nicht erklären.

Aus Gewohnheit griff ich an meine Seite, wo ich anstatt meines Schwertes, nur die spärlich gefüllten Beerenbeutel fand. Also hatte mich der Aufenthalt bei den Elfen doch aufgeweicht. Ein Drachengeneral, der sein Schwert vergaß. Wie peinlich.

Leichtfüßig schritt meine Liebste neben mir und hielt fest meine Hand. Keine Besorgnis, aber milder Frust zierte ihre Züge, beim Anblick ihrer Minister.

Die Wachen fielen auf die Knie, als wir näherkamen. Der Rest verbeugte sich, eine Hand auf die Brust gepresst, direkt über dem Herzen. Die Verbeugung hatte ich schon gesehen. Ein Ausdruck von Respekt, bei dem man seiner Königin symbolisch sein Herz schenkte.

Obwohl unerträglich eingebildet, hegte ich nie wirklich einen Zweifel daran, dass die Minister ihrer Königin absolut ergeben waren. Sie stellte sich sogar hinter ihre schlechtesten Entscheidungen.

Also hinter mich. Ich war in ihren Augen Junas schlechteste Entscheidung. Doch gegen die einzige Liebe ließ sich nichts unternehmen.

„Meine verehrte Königin. Der Palast ist in Aufruhr. Die Lebensbäume sterben ohne eure Anwesenheit. Wir bitten euch, mit uns zurückzukehren."

Der Elfenmann in der Mitte der Gruppe, trat auf uns zu. Ich kannte ihn als einen der höchsten Minister, mit knallroter Mähne und kalten, blauen Augen, immer nach der neusten Elfenmode gekleidet. Sein Name war ellenlang wie Junas selbst, doch sie nannte ihn Armin. Ein absoluter Snob, der meine Anwesenheit stets ignorierte.

Meine Liebste lächelte ihre Untergebene an. Freundlich, doch kühl.

„Die Lebensbäume sterben nicht, nur weil ich ein paar Tage fort bin. Aber natürlich werden wir mit euch zurückkehren. Immerhin wollen wir unsere eigene Hochzeit nicht verpassen. Das würde unsere Gäste schwer enttäuschen."

Gleich nach ihren Worten sprangen die Wachen auf, warfen sich in Formation und begannen ein Schattenportal aufzustellen.

Dunkel strömte aus allen Ecken und wirbelte wie ein gewaltiger Strudel, kontrolliert von zahlreichen Händen, die streng die Schatten in die richtige Form bogen.

Schon bald ragte ein Portal vor uns auf, glattpoliert, in Schwarz, das jedes Licht verschluckte. Es war groß genug, dass wir alle gleichzeitig hindurchtreten konnten.

Eine angenehm schnelle Art weite Entfernungen zu überwinden, doch ich zog die Reise mit dem Pferd vor. In diesem Fall hätte ich dann aber meine eigene Hochzeit verpasst. Ein Spektakel, auf das ich mich ohnehin nicht freute.

Meine wahre Hochzeit lag bereits hinter mir. Der Altar dazu stand tief verborgen im Wald der Lichter. Dort hatten wir unser gemeinsames Licht gefunden.

Ich drückte Junas Hand, diese wandte nur kurz den Kopf zu mir, zwinkerte und lächelte. Diesmal voller Wärme und Zuneigung.

Dann traten wir durch das Schattentor zurück in den Elfenpalast. Die Kälte der Schatten legte sich für einen Moment auf meine nackten Oberarme und verpuffte, als mich die warmen Sonnenstrahlen des inneren Palastes fanden.

Zu meiner Verwunderung, fanden wir uns nicht in der Höhle wieder, in der meine Schattenreisen nach Elfenhain gewöhnlich endeten.

Stattdessen standen wir auf einer Lichtung, übersät mit rotem und gelben Laub, um uns herum ragten mächtige Lebensbäume in die Höhe, deren Blätter wie im Herbst auf uns herunterregneten. Ihre Stämme waren schwarz und knorrig, mit dichtem Moos bewachsen. Kurz befürchtete ich, dass Armin tatsächlich Recht gehabt hatte und Junas Flucht die Lebensbäume an den nahen Tod brachte. Und die Elfen starben mit ihnen.

Doch dann beugte sich Juna zu mir und wisperte: „Keine Sorge, das sind sterbende Lebensbäume, aber das passiert nicht wegen mir. Ihre Elfen sind sehr alt. In diesem Teil des Palastes sterben viele Bäume. Irgendwann wird mein Baum ebenfalls seine Blätter abwerfen und mir zeigen, dass unsere Kraft schwindet. Aber bis dahin haben wir noch viel Zeit. Viel mehr Zeit als 50 Jahre Drachenehe."

Sie presste die Lippen auf meine Wange und nickte den Ministern zu, um sich zu verabschieden.

Natürlich hatte meine Liebste es sich nicht nehmen lassen, eine abfällige Bemerkung über die Drachenehe mit einfließen zu lassen. Nach wie vor hasste sie dieses Arrangement, obwohl nicht nur ich allein darauf bestanden hatte.

„Wartet. Verehrte Königin. Ihr wart fast zwei Tage fort. Es sind viele Gäste angekommen, die euch begrüßen wollen. Außerdem ist wichtige Post gekommen, die ihr euch ansehen sollten und..."

„Ich verstehe eure Sorge.", unterbrach ihn Juna im freundlichem Ton.

Sie zog am Saum meines Hemdes, das sie über ihr kaputtes Kleid gezogen hatte und griff in ihr verfilztes Haar.

„Es schickt sich nicht, wenn ich den Gästen in diesem Aufzug gegenübertrete. Richtet einen Nachmittagstee für die Gäste her, dort werde ich sie empfangen. Bis dahin werde ich mich herrichten und ruhen. Heute Abend kümmere ich mich um die Arbeit, die liegen geblieben ist."

Wieder ein höfliches Nicken. Sie zerrte mich mit sich fort. Diesmal hielt uns niemand zurück.

Meine Liebste führte mich sicher aus dem Wald voller sterbender Bäume zurück dorthin, wo ich mich auskannte.

Obwohl ich die Schönheit des Herbstes schätzte, in dem die Natur ihr wundervollstes Farbenspiel zeigte, bevor der Winter alles mit grau und weiß bedeckte, erfüllte mich nur Erleichterung als wir den immerwährenden Blätterregen hinter uns ließen. Der Gedanken, dass die Bäume sterbende Elfen repräsentierten, versetzte mich in Anspannung. Ein Schwall gemischter Gefühle erfüllte mich, denen ich mich nicht widmen wollte.

Denn ich sah ihn vor mir, den Wald der Elfen, während des Rubinkrieges. Ein Herbst, der nicht enden wollte, bis ein plötzlicher Winter einkehrte und kahle Holzgerippe zurückließ.

Dagegen strahlte Junas Baum voller Lebendigkeit. Die starken Äste warfen weite Schatten und seine volle Krone strahlte im Sonnenschein.

Kein einziges Blatt segelte zu Boden.

Unwillkürlich überfiel mich der Drang meine Liebste in meine Arme zu reißen, sie festzuhalten und so eng an mich zu drücken, dass sie nach Luft schnappen musste.

Ich wisperte in ihr Ohr. Tiefe Gefühle, die ich selten auszusprechen wagte.

„Du weißt, ich würde dich für immer heiraten. Ich brauche die Drachenehe nicht. Ich will für immer und länger bei dir bleiben."

Röte brannte auf meinen Wangen nach meinen Worten und ich richtete den Blick über Junas Schulter, auf den weißen Stamm ihres Baumes.
Sanft strich meine Liebste ihre Hände über mein Haar.

„Wir sind auf ewig verheiratet. Prinzessin. Die Mutter hat uns für immer verbunden. Unsere Hochzeit ist nichts als eine Formalität. So dass es alle andere ebenso wissen. Für die Welt sind es erstmal 50 Jahre. Aber wir wissen doch, dass es für immer ist."

Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt