Kapitel 19

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Ariana

Während der Autofahrt zur Highschool ist es still. Keiner sagt etwas, was wahrscheinlich auch gut so ist. Denn ich nutze die Gelegenheit, um nachzudenken. Über das was mir gestern Abend sowieso heute Morgen abermals bewusst geworden ist. Und zwar die Tatsache, dass ich Edon liebe. So sehr, wie man einen Menschen nur lieben kann und genau das ist das Problem.

So dürfte es nämlich nicht sein.

Ich selbst mache mir etwas vor, wenn ich weiterhin in meiner kleinen Traumwelt lebe, in der ich darauf hoffe, irgendwann einmal ein glückliches Leben zusammen mit Edon führen zu können. Ein Leben, in dem ich die selbe bedingungslose Liebe von ihm zu spüren bekomme, die ich im stillen auf für ihn empfinde.

Ein räuspern ertönt.

»Wegen gestern... wie geht es dir?«

Ich fahre aus meinen Gedanken und starre Edon einige Sekunden lang völlig überfordert an. Seine Worte sickern langsam zu mir durch und sobald ich die Bedeutung hinter ihnen verstehe, macht sich ein bitterer Geschmack in meinem Mund breit.

»Mir geht es besser. Und das ist zum größten Teil dein Verdienst, Edon. Danke.«, presse ich belegt hervor und versuche dabei Augenkontakt zu ihm zu vermeiden, was ziemlich schwer ist, da ich seinen Blick sobald ich zu Ende gesprochen habe sofort auf mir spüre.

Edon seufzt leise. »Das freut mich, wirklich. Und dafür brauchst du dich nicht bedanken. Ich würde es immer wieder tun.«

Ich atme leise aus und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie gut diese Worte tun. Es tut so unfassbar gut zu wissen, dass Edon sich gerne um mich kümmert. Das er sich gerne Zeit für mich nimmt. Doch so sehr es auch wehtut, ich muss einsehen, dass er damit nur die Aufgaben eines besten Freundes erfüllt.

Auch wenn ich mir mehr erhoffe.

So viel mehr.

»Es ist dennoch nicht selbstverständlich gewesen. Du warst für mich da, als ich jemanden brauchte. Dafür danke ich dir. Du bist momentan der wichtigste Mensch in meinem Leben.. Dass wollte ich dir nur gesagt haben.«, entgegne ich leise.

Der Wagen hält keine Sekunde später und ich bemerke erst jetzt, dass wir bereits auf dem Schülerparkplatz unserer Highschool angekommen sind. Eine schwache Berührung an meiner Hand reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe schweratmend zu Edon, der seine Hand nun komplett auf meine legt.

Mir wird augenblicklich warm ums Herz und als ich dann schwach den Kopf hebe, um ihm in die Augen sehen zu können, setzt mein Puls für einen Moment aus. Es ist nicht die Tatsache, dass er unfassbar gut aussieht, die mich wie gelähmt dasitzen lässt, sondern die, dass überraschend viel Liebe in seinem Blick liegt.

Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schiefen Grinsen, das mich alles andere als kalt lässt. »Pass auf, nicht dass das Mace hört. Er wäre sicherlich nicht erfreut zu hören, dass ich in Wahrheit dein Liebling bin.«, erwidert er keck.

Ich kann nicht anders, als in sein Grinsen mit einzusteigen, verdrehe aber gleichzeitig die Augen. »Nein, ich schätze, dass wäre ihm ziemlich egal.« Und das meine ich tatsächlich so. In letzter Zeit streiten Mace und ich uns nur noch. Doch es sind nicht normale Streitigkeiten, die unter Geschwistern normal sind. Es ist so viel mehr. Und ich bin mir sicher, dass es etwas mit Mum's Unfall zutun hat.

Vielleicht gibt er mir ja plötzlich genauso die Schuld, wie sie mir Dad gibt. Wahrscheinlich wartet Mace ebenso nur auf den passenden Moment, um einfach zu verschwinden. Ganz weit weg von mir. Der Schuldigen.

Edon sieht mich intensiv an, ehe er kaum merklich den Kopf schüttelt. »Da irrst du dich gewaltig. Mace ist letzter Zeit vielleicht nicht mehr derselbe, doch du müsstest am besten wissen, dass das verständlich ist. Nach dem, was ihr beide durchgemacht habt und noch immer müsst, ist es verständlich, dass man sich verändert. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass er dich liebt. Vielleicht nicht ganz so sehr wie ich dich liebe, aber ich schätze, es kommt dem ziemlich nah.« Zum Ende hin schleicht sich ein Schmunzeln auf seine Lippen und ich schlucke merklich.

Auch wenn ich weiß, dass er nur Spaß gemacht hat, töten mich seine Worte. Es tötet mich sowas aus seinem Mund zu hören, - auch wenn ich weiß, dass er die Worte nicht ernst meint. Klar, ich bin mir sicher, dass ich ihm viel bedeute, aber eben nicht so viel, wie ich es gerne haben würde. So viel, wie er mir bedeutet.

Ich seufze. »Um ehrlich zu sein, bezweifle ich das schwer..« Meine Stimme bricht zum Ende hin. Ich kann einfach nicht verhindern, dass sich die Enttäuschung tief in mir breit macht. Es tut weh, zu wissen, dass ich Mace egal geworden bin. Das er mich wahrscheinlich nicht mehr liebt.

Er ist doch mein Bruder.

»Sag sowas nicht.«, höre ich Edon sagen, doch ich halte meinen Blick gesenkt. Ich spüre, wie seine andere Hand nach meinem Kinn greift und meinen Kopf leicht anhebt. Nun kann ich nicht anders, als in seine Augen zu sehen und ich scheine abermals verloren. Verloren in diesen wunderschönen braunen Augen, die jeden Abend das Letzte sind, an das ich denke und jeden Morgen das Erste, nachdem ich aufstehe.

»Ich will ja nicht, aber es ist die Wahrheit.«, bringe ich dann heiser hervor und kralle meine Fingernägel in den weichen Ledersitz von Edon's Sportwagen.

»Da denke ich aber was anderes. Und glaub mir, dieses Mal irre ich mich nicht. Mace ist momentan vielleicht nicht voll bei der Sache, aber das hat nichts mit dir zutun. Hör auf, dir sowas einzureden, Ariana. Verstanden?« Edon zieht die Brauen zusammen und ich halte wie von alleine den Atem an. Wie um alles in der Welt kann man nur so attraktiv sein?

Ich kann nicht anders, als schwach zu nicken. Auch wenn seine Stimme unfassbar sanft klang, habe ich etwas Dominantes in seinen Augen aufblitzen sehen. Und dagegen kann ich mich einfach nicht sträuben.

»Gut, dass das geklärt ist.«, kommt es von Edon, der seinen Autoschlüssel wieder einsteckt und den Motor startet.

Ich halte verwirrt inne. »Was machst du da?«

»Nach was sieht's aus? Ich starte den Motor.«, antwortet er kurzgebunden.

Meine Augen weiten sich, als er wieder aus der Parklücke herausfährt. Was um alles in der Welt macht er da? »Der Unterricht fängt gleich an. Was hast du vor?«, rufe ich nur noch planloser.

Mein Kopf schießt zu Edon, der seinen Blick fest auf die Straße vor uns gerichtet hält. »Scheiß drauf. Wir schwänzen den Tag einfach. Mach dir keine Sorgen, dir wird es schon nicht schaden, dir mal einen Tag eine Auszeit zu nehmen. Das wird dir guttun, glaub mir.«, versichert er ziemlich überzeugt, doch ich kann nicht anders, als ungläubig den Mund zu öffnen.

»Weißt du eigentlich, was du für einen Müll redest? Mir wird es vielleicht nicht schaden, aber dir schon! Das kannst du dir nicht leisten, schon vergessen?« Meine Stimme überschlägt sich, was ich einfach nicht verhindern kann.

Ich kann nicht glauben, dass er das gerade wirklich ernst meint. Noch so einen Zwischenfall kann er sich nicht leisten. Wenn herauskommt, dass er erneut geschwänzt hat, wird es schwerwiegende Folgen haben. Der Direktor hat bei den letzten malen vielleicht ein Auge zugedrückt, doch ich war bei dem Mal von vor drei Wochen dabei und habe gesehen, wie schwer er tatsächlich in Schwierigkeiten steckt.

Edon zuckt schwach mit den Schultern. »Keine Sorge, dass wird schon gut gehen. Das habe ich schon tausend mal gemacht. Also bitte, versuch garnicht erst mich davon abzuhalten, denn es hat sowieso keinen Zweck.«

Ich fahre mir verzweifelt übers Gesicht. Meine Schultern sacken wie von alleine zusammen, da mir bewusst ist, dass er recht hat. Er wird sowieso nicht auf mich hören. Egal was ich nun noch sage.

»Na schön. Aber du sollst wissen, dass ich das alles andere als gut heiße!« Ich schenke Edon einen mahnenden Seitenblick, den er nur mit einem amüsierten Grinsen quittiert.

»Das ist mir natürlich bewusst.«

Ich seufze leise. »Wo fahren wir überhaupt hin?«

Edon's Grinsen wird breiter. »Ins Einkaufszentrum.«

Casanova ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt